Erschöpfungsgefühle? Angstattacken? Dunkle Gedanken? Daran kann der Job schuld sein: Es kann an die Substanz gehen für Unternehmen zu arbeiten, die ständig Höchstleistungen abverlangen – egal ob im Startup oder im Konzern. Selbst wenn der Beruf mit Leidenschaft ausgeübt wird, heißt das nicht, dass er sich nicht auch gleichzeitig negativ auf die eigene Gesundheit auswirken kann. Tech-Konzerne geben viel Geld aus, um Aufgaben zu automatisieren und so Zeit zu sparen. Benefits wie Kindergärten und Wäsche-Services im Büro sorgen neben der üppigen Bezahlung zudem für Entlastung. Doch betriebliche Abläufe zu optimieren und private Alltagsaufgaben abzunehmen, ist nur das eine. Eine ganz andere Sache ist es, psychischen Druck zu nehmen.
Kaum ein Begriff hat in den vergangenen Jahren häufiger die Runde gemacht als der Burnout. Darunter fassen Medizinerinnen und Mediziner unter anderem Symptome zusammen, die mit emotionaler Erschöpfung und dem Gefühl von Überforderung einhergehen. Die Gefahren des Ausgebranntseins sind real und gehen auf verschiedene Gründe zurück: Toxisches Verhalten unter Team-Mitgliedern oder ein Mangel an Ruhe können Auslöser sein. Auch indogene Faktoren wie Perfektionismus oder die Unfähigkeit zur Abgrenzung werden diskutiert. Der Burnout gilt als Volkskrankheit. Die FAZ sprach unlängst von der „ausgebrannten Republik“. Laut Schätzungen der Krankenkassen sind hierzulande bis zu 13 Millionen Arbeitnehmende davon betroffen.
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Burnout: Vielen fällt das Runterkommen schwer
In einem Wired-Artikel haben Brad Stulberg und Steve Magness kürzlich die Geschichte eines Google-Mitarbeiters der ersten Stunde erzählt, der die Umstände kennt. Dem Entwickler Chade-Meng Tan fiel es keinesfalls schwer Leistung zu bringen, er war nur schlichtweg nicht in der Lage, nach der Arbeit runterzukommen. Tan wurde die Tragweite dessen bewusst und fürchtete, dass diese Tatsache mittelfristig zur gesundheitlichen Gefahr für ihn werden kann und er ausbrennen würde. Er überlegte, wie er das Problem am besten anpacken könne. Eine damals noch eher unkonventionelle Lösung fand er in Achtsamkeit. Gemeint ist damit die Fähigkeit, sich im hier und jetzt im Klaren darüber zu sein, an was für einem Punkt er sich befindet und was er gerade wie tut.
Was sich jetzt für viele Menschen subtil anhören mag, ist vielmehr der Kern einer ganzen Bewegung, die seit einigen Jahren an Zulauf gewinnt. Die Anwenderinnen und Anwender von Achtsamkeitsübungen konstatieren, dass Menschen auch im Alltag in Form einer Meditation in sich hinein horchen sollen. Das helfe, um in anstrengenden Phasen ruhig zu bleiben und nicht überwältigt zu sein von dem, was gerade um einen herum passiert. Tan, der sich für dies Methode interessierte, begann für Google ein internes Programm zu entwickeln, von dem nicht nur er, sondern das gesamte Team profitieren sollte. Dafür suchte der Google-Techniker die Nähe zu Achtsamkeitsexperten sowie Neurowissenschaftlern, die dazu forschten.
„Was soll eine auf buddhistische Lehren zurückgehende, esoterisch anmutende Methode im Job bringen?“
Zusammen entwickelten sie mit der Unterstützung des Tech-Konzerns einen siebenwöchigen Kurs, der einen Teil dazu beitragen sollte, dass die Belegschaft auch auf Dauer nicht nur glücklicher und produktiver, sondern auch gesünder arbeiten würde. Einige Kolleginnen und Kollegen verhielten sich wohl zunächst ablehnend. Sie fragten sich, was eine, auf buddhistische Lehren zurückgehende, esoterisch anmutende Methode ihnen im Job bringen solle. Aus der anfänglichen Aversion entwickelte sich jedoch Zustimmung, heißt es in dem Wired-Beitrag. Diejenigen Team-Mitglieder, die dem Kurs eine Chance gaben, schwärmten schlussendlich von der Veranstaltung. Nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer praktizierten das Gelernte sogar über den Kurs hinaus im Privatleben.
Das alles passierte vor über zehn Jahren. Das Engagement von Chade-Meng Tan zementierte schlussendlich sogar die Gründung des Search Inside Yourself Leadership Institutes, kurz SIYLI. Das Programm lehrt Führungskräften wichtige Übungen, um die eigenen Gedanken zu fokussieren. Ziel sei es unter anderem bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine erhöhte psychische Widerstandsfähigkeit für Krisenzeiten aufzubauen. Seit einigen Jahren wird die Methode der Achtsamkeit aber auch in Deutschland gelehrt. Die Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde in Berlin bietet beispielsweise seit 2011 eigene MBSR-Kurse an, die darauf aufbauen. „MBSR“ steht für Mindfulness-Based Stress Reduction, sprich achstamkeitsbasierte Stressreduktion.
Das Interesse am Aufmerksamkeitstraining ist groß
Eine der Trainerinnen ist Katrin Hensel. Auch sie spricht von einigen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, die sogar über Burnout-Erscheinungen hinausgehen. Achtsamkeitstraining stärke das Immunsystem, vermindere chronische Schmerzen, helfe bei Ängsten und werde sogar zur Therapie von Essstörungen und Depressionen angewandt. Sie selbst ist durch eine Erkrankung, die mit Schmerzen einherging, auf MBSR aufmerksam geworden. Durch die Kurse lernte sie damit besser umzugehen. In ihrer Arbeit als Psychotherapeutin spielen Achtsamkeitsübungen insofern nicht nur für ihre Klientinnen und Klienten, sondern auch für sie selbst eine heilsame Rolle.
„Für mich erschien es damals absolut folgerichtig diese Möglichkeit der Erfahrung an Selbstwirksamkeit auch anderen Menschen weiterzugeben“, sagt die Berlinerin im t3n-Gespräch. Der achtwöchige Charité-Kurs biete eine profunde Einführung, die mit neuesten Erkenntnissen aus der Psychologie-, Hirn- und Stressforschung verbunden sei. Teil des Ganzen sind sowohl wöchentliche Gruppentreffen sowie intensive Übungspraktiken für Zuhause. „Die Teilnehmenden lernen eigene Verhaltens- und Gedankenmuster zu erkennen, um sich dadurch aus Automatismen, die Stress entstehen lassen, befreien zu können“, erklärt Katrin Hensel die Therapie und die Zielsetzung.
„Das Interesse an MBSR-Kursen ist groß und nimmt immer weiter zu!“
In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Forschungen zu den Auswirkungen von Meditation auf das Gehirn und den Körper gemacht. Hier spielt die Neuroplastizität eine große Rolle. Das heißt, dass Menschen durch Meditationen stärkeren Einfluss auf ihre Gehirnaktivität sowie ihren Hormonhaushalt bekommen. Studien mit MBSR-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, die ein tägliches Training von 45 Minuten beinhalteten, ergaben eine Zunahme von Stressresilienz und Stressresistenz durch die neuronale Aktivität sowie eine Verbesserung der Aufmerksamkeit, der Empathiefähigkeit, einer Aufhellung der Stimmung und einem besseren Umgang mit Ängsten.
„Das Interesse an MBSR-Kursen ist groß und nimmt immer weiter zu“, erklärt Katrin Hensel. Achtsamkeitstraining sei unter Führungskräften besonders beliebt – und das zu recht, so sagt sie im t3n-Gespräch. Die Übungen können als ein ganzheitlicher Weg zur Schulung des Geistes, der sich positiv auf die körperliche, geistige und emotionale Gesundheit auswirkt, betrachtet werden. Immer mehr Ärzte, Psychologen, aber auch Berater und Coaches empfehlen MBSR-Achtsamkeitstraining. Selbst einige gesetzliche Krankenkassen bezuschussen die Kurse inzwischen als Präventionsangebot. Einzig und allein die privaten Kassen verhielten sich eher zurückhaltend, verrät die Psychotherapeutin. Noch, so scheint es, benötige es also Aufklärungsarbeit – trotz nachgewiesener Erfolge.