Die neuen Kollegen vielleicht nur am heimischen Bildschirm kennengelernt? Für junge Berufseinsteiger, die während der Corona-Pandemie in den Arbeitsalltag starten, ist das eine Selbstverständlichkeit. Und auch die alten Hasen des Büroalltags wissen: Im Homeoffice kann einem auch mal die Decke auf den Kopf fallen.
Wenn die Motivation für die Aufgaben sinkt, kann Abhilfe geschaffen werden. Wie die Aufgaben bewältigt werden können und die Motivation in den Alltag zurückkehren kann, verrät Arbeitspsychologe Ludwig Andrione. Im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen ist er Leiter der Fachgruppe New Work in der Sektion Wirtschaftspsychologie.
t3n: Was unterscheidet phasenweise Unlust von einer depressiven Erkrankung?
Ludwig Andrione: Depressive Verstimmungen sind eher eine kurze Phase, wo es einem nicht so gut geht. Bei einer leichten Depression hält dieses Gefühl über Wochen an, der Alltag ist wesentlich von negativen Gedanken beeinflusst. Dazu kommt ein Interessen- und Freudverlust bei Aktivitäten, die normalerweise Spaß gemacht haben. Der eigene Antrieb ist vermindert, die Müdigkeit gesteigert. Eine tiefergehende Depression ist beispielsweise gekennzeichnet von Schlafstörungen und einer Appetitsveränderung. Dazu möchte man sich nicht bewegen, will nicht mehr denken und kann sich nicht mehr konzentrieren. Wenn das jeden Tag wieder auftritt, dann ist es signifikant.
t3n: Wie lange kann so eine Phase der Demotivation dauern?
So lange, wie man es aushält. Da gibt es auch Unterschiede. Vielleicht hat jemand eigentlich Lust auf etwas, aber andere Faktoren hindern ihn daran. Erstmal hilft es, sich einen Plan zu machen. Was steht an und was kann ich konkret tun? Am besten schreibt man sich seine Aufgaben nach Hierarchie auf, sprich: Was geht schnell und muss zeitnah erledigt werden, was dauert länger und hat auch noch Zeit.
Wer sich schnell zu erreichende Ziele an den Anfang setzt, wird durch das Erreichen für Neues motiviert.
t3n: Welche Tipps haben Sie noch?
Erstmal sollte man Aufgaben, auf die man gar keine Lust hat, ein bisschen rationalisieren. Es ist okay, bewusst keine Lust zu haben. Dafür kann man sich auf positive Sachen freuen – beispielsweise auf etwas im Feierabend oder nach dem Erfüllen der Aufgabe. Das ist auch ein Tipp: Fokussier dich darauf, was du mit der Aufgabe lernen kannst. Nehmen wir beispielsweise die Arbeit mit einer Excel-Tabelle. Das kostet erstmal Zeit und Mühe, sich da reinzufuchsen. Das Positive daran könnte sein, dass man es hinterher mit ähnlichen Aufgaben leichter hat und sie schneller erledigt sind. Außerdem hilft es auch, zu planen: Was muss ich heute machen? Wenn das am Tagesende geschafft ist, ist das auch erstmal ein Erfolgserlebnis.
Der t3n-Guide: Corona-Homeoffice-Guide
t3n: Also hilft es, gerade bei akuter Demotivation To-do-Listen zu schreiben?
Jein. Es kann auch kontraproduktiv sein, wenn die Liste zu voll ist. Ich rate, die Aufgaben zu priorisieren und auch kleinteilige Aufgaben aufzuschreiben. Jedes erreichte Ziel ist damit ein Erfolgserlebnis und das motiviert wiederum für neue Aufgaben. Der sogenannte Deadline-Rush, wenn immer neue Aufgaben erreicht werden, kann wieder für ein Motivationshoch sorgen. Wer To-do-Listen nicht mag, kann es auch mal mit dem Woop probieren.
t3n: Das Woop? Was ist das?
Das Prinzip habe ich von meiner Kollegin Gabiele Oettinger. Die Idee ist, sich erstmal klar zu machen, was der eigenen Wunsch ist. Anschließend schaue ich mir an, welches Ergebnis ich, in Bezug auf den Wunsch, haben möchte und welche Hindernisse mir dabei entgegenstehen. Darauf basierend erarbeite ich mir dann meinen Plan.
t3n: Wie kann ich damit umgehen, wenn ich Aufgaben einfach nicht bewältigen kann?
Erstmal kommt da wieder die Eigen-Motivation: Ich ziehe das jetzt durch und ich kann das. Und wenn das gar nicht geht, kann vielleicht jemand anders die Aufgabe übernehmen. Generell macht es Sinn, nach seinen Stärken zu arbeiten. Dann kommt man auch leichter in einen Flow und die Zeit vergeht wie im Flug.
t3n: Wie kann ich reagieren, wenn die Aufgaben mich einfach langweilen?
Bei nicht ganz so anspruchsvollen Aufgaben kann es helfen, dabei monotone Musik zu hören. Wenn die Aufgaben aber jeden Tag langweilen, müssen vielleicht generell neue Aufgaben gesucht werden. Bei einer generellen Unterforderung kann es schließlich auch zu einem Boreout kommen: Der ähnelt einem Burnout, wird allerdings nicht durch zu viel Arbeit, sondern eher durch das Gegenteil ausgelöst.
t3n: Wann sollte ich mit meinem Arbeitgeber sprechen?
Wenn die Aufgaben generell langweilen oder schwer bis nicht zu bewältigen sind, sollte mit dem Arbeitgeber gesprochen werden. Vielleicht kann ich in neue Arbeitsbereiche gehen. Wenn es allerdings nur kurzfristig so ist, kann es auch helfen, den eigenen Arbeitsbereich anzupassen. Dazu gehört dann beispielsweise das eigenständige Suchen neuer Aufgaben. Die eigene Fortbildung mit beispielsweise dem erwähnten Woop-Prinzip könnte auch so ein Anpassen sein.
t3n: Gerade für junge Berufseinsteiger kann das schwer sein, wenn sie sich im Unternehmen noch nicht auskennen. Was bedeutet eigentlich der Berufseinstieg während der Corona-Pandemie für junge Erwachsene?
Wer während der Corona-Pandemie in den Beruf einsteigt, lernt erstmal nur das das Berufsleben während der Pandemie kennen. Studien, welche konkreten Auswirkungen der Berufseinstieg unter diesen Bedingungen hat, habe ich allerdings noch nicht gefunden.
t3n: Wie können Arbeitgeber denn den Berufseinstieg unterstützen?
Es ist wichtig, dass es auch online ein richtiges On-Boarding gibt. Beim Einarbeiten ist es wichtig, dass auch Angebote zur Unterstützung gemacht werden. Dazu können die Kollegen auch untereinander kommunizieren und beispielsweise Berufseinsteiger auch einfach mal fragen, wie ihr Tag lief. Außerdem ist es wichtig, direkt klarzumachen, dass es auch im Homeoffice keine Überstunden geben soll. Da hilft es auch, wenn der Ansprechpartner einfach mal kurz vor dem Feierabend nachfragt.
t3n: Was kann ich selbst als Berufseinsteiger tun?
Ich sollte mir sagen, dass ich den Berufseinstieg für mich selbst in die Hand nehme und mich vorbereite, wie ich meine Arbeitstage organisiere. Da hilft dann wieder das Schreiben einer To-do-Liste. Jeder abgehakte Punkt ist direkt ein kleiner Erfolg.
t3n: Zeigen auch Studien eine Veränderung der Motivation, gerade bei jungen Menschen?
Gerade bei jungen Menschen hat die Belastung während der Pandemie zugenommen. Was sich schon zeigt: Sie sind häufiger einsam und niedergeschlagener. Allerdings machen sie sich nicht so viele Sorgen, mit der Zukunft nicht klarzukommen. Grundsätzlich sind die Jüngeren hoffnungsvoll. Die Hoffnung auf eine positive Zukunft gibt Kraft.
Sie und wir alle können unsere Zufriedenheit selbst in die Hand nehmen – und lernen, unsere Arbeit so zu gestalten, dass sie zu uns passt!
Wer akut von negativen Gedanken betroffen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden. Sie ist deutschlandweit zu jeder Tages- und Nachtzeit unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 zu erreichen. Informationen gibt es außerdem auf der Internetseite der Telefonseelsorge.
Auch ein Gespräch mit einem Hausarzt kann helfen, der auch an weitere Stellen verweisen kann.
Wenn man eh im Homeoffice ist kann man ja auch von einer tropischen Insel aus arbeiten ;) Ganz wie der Digital Nomad. Leider sind viele Unternehmen noch zu unflexibel dafür.