
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Glaubt man dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wird diese Frage hinsichtlich einer elektronischen Überwachung der Mitarbeitenden von weiten Teilen der deutschen Wirtschaft derzeit mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Nicht so klar hingegen ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Homeoffice selbst, dass sie überwacht werden. Der DGB fordert deshalb gerade ein Gesetz gegen die geheime Überwachung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den eigenen vier Wänden. Das sei nötig, denn auch wenn es aktuell noch keine belastbaren Studien und Zahlen gäbe, würden sich offenbar die Whistleblower-Berichte aus den Unternehmen selbst häufen. Die Dunkelziffer könnte schwärzer nicht sein. Der DGB schlägt Alarm: Die Lage sei „schändlich und sehr, sehr schlimm“.
Überwachung im Homeoffice als Machtmissbrauch

Vertrauen geht anders: Überwachung im Homeoffice nimmt zu. (Grafik: JOKE_PHATRAPONG / Shutterstock)
Ich stimme da ein und würde der Lage noch hinzufügen: Wer anderen nicht traut, hat Angst an allen Ecken! Sicherlich ist es richtig, Kennzahlen zu erheben, um beispielsweise den Geschäftserfolg zu messen. Aber heißt das auch, dass einzelne von Menschen ausgeführte Tätigkeiten auf das Controllboard gehören? Erfassung von Tastenanschlägen, die Kontrolle des Lesens und Antwortens von E-Mails sowie von Chats in firmeneigenen Plattformen – Beispiele für die Überwachung gibt es laut dem DGB genug. Auch die Dauer von Telefonaten und Videokonferenzen wird insgeheim überwacht. Besonders brisant: Neue eingesetzte Softwareprodukte würden auf KI-gestützte Gesichtserkennung setzen und bezögen auch Gesundheitsdaten in die Analyse mit ein. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Traurigkeit – alles Anzeichen für Unproduktivität?
„Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Traurigkeit – alles Anzeichen für Unproduktivität?“
Für Menschen wie mich, die seit Jahren im Homeoffice arbeiten, kommt das orwellschen Verhältnissen gleich. Der 1949 von George Orwell veröffentlichte Klassiker 1984 arbeitet sich an einem dystopischen Überwachungsszenario ab. Es sieht fast so aus, als würde das heute, 73 Jahre später, Wirklichkeit werden. Orwell beschreibt darin, wie Menschen mithilfe von technischen Geräten in ihren eigenen vier Wänden überwacht werden, nicht nur Gespräche, sondern Gefühlsregungen stehen auf dem Prüfstand. Genau genommen sind wir heute schlimmer dran, denn anders als die im Homeoffice beschäftigten Mitarbeitenden in der realen Welt, wissen die Romanfiguren wenigstens, was um sie herum passiert. Selbst Orwell hatte offenbar mehr Vertrauen in die Menschheit. Der warnende Bestseller ist Überwachungs-Handbuch Version eins, Version zwei scheint gerade in Arbeit.
Es ist gut, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund jetzt vorangeht: Öffentlichkeit ist der größte moralische Machtfaktor in unserer Gesellschaft, pflegte schon Joseph Pulitzer zu sagen. Hier wird einmal mehr deutlich, wie richtig er liegt. Es ist schlimm, dass diese Grenzüberschreitungen passieren. Vor allem auch, weil sie davon abhalten, sich sowohl juristisch, politisch als auch gesellschaftlich mit konstruktiveren Dingen zu beschäftigen, anstatt mal wieder nur zu regulieren, wo andere ihre Macht missbrauchen. Für Unternehmen sollte im Fokus stehen, ihr Team zu befähigen, allen eine klare Vision zu bieten, an der sie selbstbestimmt an den Zielen des Unternehmens arbeiten. Das ist es, was es im Homeoffice tatsächlich braucht: Transparenz und Vertrauen, und nicht etwa Unklarheit und Überwachung. Die schöne neue Arbeitswelt steht auf dem Spiel!
Glauben die denn allen ernstes, das gibt es erst, seit es Corona gibt? Wie uniformiert der Gewerkschaftsbund ist!
Andere wie Verdi genehmigen diese Kontrolle sogar. Da weiß die Belegschaft meistens Bescheid. Über die BV wird das geregelt. Teilweise wurde ausgehandelt das keine E-Mails eingesehen werden dürfen, doch verschickt Verdi selbst meistens nur verschlüsselte Mails.
In vielen Deutschfn Unternehmen wie Telekom und Deutsche Bank ist das ein normaler Vorgang, die Belegschaft täglich zu überwachen. Wenn Deutsche Gewerkschaften nicht fähig sind das einzudämmen obwohl sie 1% vom Bruttolohn einnehmen, läuft da sicherlich auch einiges nicht so wie man es sich als Arbeitnehmer von der Gewerkschaft wünscht
Hier wünsche ich mir mehr inhaltliche Substanz. Dass Arbeitgeber mit Office365 und Co. weitreichende Überwachungsszenarien realisieren können, ist leider nicht neu. Es gibt bereits jetzt Regelungen gegen personenbezogene Überwachung von ArbeitnehmerInnen im Betrieb, die auch im Home-Office gelten müssen. Wie sind die konsequent anzuwenden und möglicherweise sinnvoll zu erweitern? Welche Funktionen von z.B. Office365 sind mit deutschem oder europäischen Recht unvereinbar?