„Jetzt hör mal auf zu chatten, ich will telefonieren!“
von Andreas Weck
Internet. Das war in den 90ern schon schwierig, besonders auf dem Dorf. Ich erinnere mich noch gut, wie ich meine Eltern überreden musste, überhaupt Geld in die Hand zu nehmen für einen Anschluss. So richtig verstanden haben sie nicht, was damit geht. Und ehrlich gesagt, ich habe es anfangs eigentlich auch nur für ICQ und uboot.com benutzt, um auch nach der Schule mit den Freunden weiter zu kommunizieren. Damit das gelingt, zog ich immer eine meterlange Strippe vom Kinderzimmer auf dem Dachboden die Treppe runter ins Erdgeschoss, weiter durch den Flur ins Wohnzimmer und rein in die Telefonsteckdose. Einmal eingewählt, ging es los: „Hey Annalena, was geht?“, „Nico, was war denn mit Frau Griephan los heute?“ oder „Maiki, kommst du nachher nochmal raus?“ So etwas texteten wir uns den ganzen Nachmittag lang hin und her. Zumindest solange, bis meine Mutter durch das Haus rief und forderte, dass ich jetzt mal die Telefonbuchse freimachen soll: „Ich brauche das Telefon!“ Funfact: um sich eine Hose aus dem Otto-Katalog zu bestellen.
„Ich vergesse nie den Sound des 56-k-Modems“
von Melanie May
Düt. Düt. Iiii … sccccchhhrrr! Ein Geräusch, das die Generation Z fast gar nicht mehr kennt: der Sound des 56-k-Modems. Diese Melodie ist und bleibt eine nostalgische Erinnerung an meine Zeit des Internets in der Jugend und wird wahrscheinlich nie vergessen, da sie jeden Berührungspunkt mit dem Internet zu einem wahren Happening machte. 2002 war für mich das Jahr der Jahre, in welchem mir meine Eltern die Pforten des Internets, beziehungsweise die Telefonleitung, öffneten. Anfangs war nach 30 Minuten Schluss mit der klickbaren Welt im Cyberspace. Dauer-Online-Sein war teuer und belegte die heißbegehrte Telefonleitung. Mit ISDN und dem eigenen Computer sah es dann schon anders aus und es kam alles Knall auf Fall: Zack gab es die erste Domain – natürlich direkt .com, weil so international – und ich hab mich in die Tiefen des Webdesigns und der -programmierung gestürzt. Und da wurde wirklich jeder Trend mitgemacht: Framesets, Tabellen-Layouts, Iframes – und natürlich gab es auch ein Gästebuch und den berüchtigten Marquee-Tag. Und bevor t3n.de geboren war, war Dr. Web mein place to be!
„Selbstgebrannte CDs waren der ultimative Liebesbeweis“
von Vicky Bargel
Erinnert ihr euch noch an Limewire, den Filesharing-Dienst aus den 00er-Jahren? Wenn ich an die Software denke, denke ich vor allem daran, wie erwachsen ich mich damals gefühlt habe. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meiner besten Freundin im Keller vor einem Monstrum von Rechner gesessen habe, illegal geladene Musik kam aus Boxen geschrammelt. Ich erinnere mich daran, wie wir versucht haben, so viele Songs wie möglich runterzuladen, bevor der PC wieder mal abstürzte; in ständiger Furcht, die Gurke mit einem Virus irgendwann endgültig lahmzulegen. Außerdem konnte man sich eigentlich nie sicher sein, dass man auch wirklich den Song bekam, nach dem man gesucht hat. Trotzdem war es immer ein großes Highlight, die geladene Musik schließlich auf CDs zu brennen, sie mit einem schwarzen Edding – CD-Marker waren damals Luxus für mich – zu beschriften und sie mit meinen Freundinnen zu tauschen. Ich erinnere mich gerne daran, dass selbstgebrannte CDs damals der ultimative Liebesbeweis waren.
„Programme wurden in kleinen Fragmenten geladen“
von Tobias Weidemann
1994 war es der Hauptgewinn, wenn man über eine Hochschule zu den üblichen Ortsnetz-Telefongebühren ins Netz konnte. Ab 21 Uhr wurde der Takt länger, man konnte für die üblichen 23 Pfennige dann mehr Daten ziehen. Die Mannheimer Uni hatte damals 32, später 64 Einwahlpunkte, über die Nutzer sich von außen einwählen konnten – bei tausenden Studierenden. Waren die voll, kam nur das Besetztzeichen. Genutzt wurden neben dem reichlich pixeligen WWW vor allem die Nachrichtengruppen, die – das hatten wir schnell kapiert – über die Hochschulressourcen deutlich mehr zugänglich machten als bei privaten Anbietern. An Film-Downloads war da noch nicht zu denken, für Software hat es aber gereicht. Die Programme wurden dann in kleinen Fragmenten geladen und zusammengesetzt, irgendwas fehlte meist oder war beschädigt. Anders als heute musste man der Hochschule noch per Antrag erklären, wofür man den externen Internetzugriff denn benötige. Die Begründungen hatten mit der Realität freilich meist wenig zu tun.
„Frames waren der heiße Scheiß“
von Kim Rixecker
Mitte der 90er Jahre zeigte mir AOL nicht nur, dass die Herstellungskosten von CDs deutlich niedriger sein mussten, als ich angenommen hatte, sondern auch das Internet. Jeder Besuch dieses magischen Ortes war ein vom Kreischen des Modems eingeläutetes Abenteuer. Klar, die Geschwindigkeit war aus heutiger Sicht ein Witz, aber Geduld gehörte damals zum Internet dazu. Und auch ohne Wikipedia, Online-First-Publikationen, Youtube oder Google News war das Web ein unerschöpflicher Quell neuen Wissens für mich. Damals konnte ich mir darin nicht nur die Grundlagen von HTML beibringen, sondern dank dem kostenfreien Webspeicher von AOL auch gleich meine erste eigene Homepage ins Netz stellen. Die sah, rückblickend betrachtet, genauso furchtbar aus, wie es damals üblich war: Frames waren der heiße Scheiß, ein animiertes „Under-Construction“-Gif wies auf den perpetuellen Alpha-Status der Seite hin, und ein ebenfalls animierter „Netscape-Now!“-Button zeigte, wem meine Gefolgschaft im beginnenden Browser-Krieg galt.
„Meine Singleplayer-Skills waren im Online-Multiplayer wertlos“
von Julius Beineke
Neben ersten Surfversuchen im Browser, teilweise noch auf dem Schulrechner, hieß First-time-Internet für mich vor allem Gaming. Plötzlich taten sich ungeahnte Möglichkeiten bei Browsergames für zwischendurch auf – zwischendurch hieß bei mir „Bubble Shooter“ für vier Stunden am Stück, dazu ein Hörbuch. Wenn das Modem dann mal tot war oder jemand telefonieren musste, wich ich widerwillig auf das klassische Windows-Pinball-Game aus. Auch die schiere Masse an Infos, Reviews und Ankündigungen zu Videospielen zog mich immer mehr von Computerbild-Spiele- und Gamestar-Magazinen weg, rein ins Internet, auf Websites, später dann zu Youtube. Und zu guter Letzt war da natürlich das Online-Gaming. Age of Empires gegen irgendwen spielen, den ich nicht kenne oder sehen kann? Mein 13-jähriges Ich war erst skeptisch, dann begeistert, dann wieder skeptisch – als ich merkte, dass meine Single-Player-Skills im Online-Multiplayer wertlos waren. Später kam dann World of Warcraft und vieles mehr dazu – und seitdem gab’s kein zurück.
„In Foren entstanden wirkliche Freundschaften“
von Claudia Wieschollek
Als ich meine ersten Gehversuche im Internet unternahm, waren Foren der heißeste Scheiß. Ziemlich schnell bin ich im Forum der „Brigitte Young Miss“ – liebevoll „Bümm“ genannt – gelandet. Ein riesiger Spielplatz mit Sandkasten für die coolen Kinder und einem Admin, der uns weitestgehend machen ließ, was wir wollten. Gleichgesinnte fanden sich und alle anderen Besucherinnen und Besucher suchten schnell wieder das Weite. Wir kaperten das Subforum „Mode & Kosmetik“, zogen später nach „Gott & die Welt“ um und kultivierten unseren Humor, unsere Trollkultur, Photoshop-Skills, tauschten uns über Musik, Popkultur und alles, was uns bewegte, aus – und schlossen auch wirkliche Freundschaften und sogar Beziehungen, die über das Netz hinaus reichten. Auch ich habe neben der einen oder anderen Lektion zum Thema „Oversharing“ zwei wirklich wunderbare Menschen von dort mitgenommen. Und irgendwann waren wir einfach rausgewachsen; ich weiß gar nicht, ob es Bümm noch gibt. Gleich mal gucken.
Und wer recherchiert bei euch? StudiVz gibt es noch > https://www.vz.net/
Hi Dennis, ich kann dir zumindest sagen, wer nicht recherchiert: du! VZ.net ist ein Online-Netzwerk, das aus den Vorläufern StudiVZ und meinVZ hervorgeht. Es wurde erst im April 2020 gegründet.