Gegen Desinformation: Facebook-Gruppen dürfen „Experten“ zuweisen
Der Social-Media-Marktführer hat am Dienstag gegenüber CNET angekündigt, „Gruppenexperten“ einzuführen, um Gruppenmitgliedern ein „besseres Erlebnis“ zu liefern. Zudem glaubt Facebook, die Maßnahme helfe im Kampf gegen Fake News. Der Status, den ein spezielles Abzeichen neben dem Namen signalisiert, wird von den Gruppen-Admins und -Gründern vergeben. Sie können ihn auch wieder entziehen. Der Konzern will ihnen allerlei Tools an die Hand geben, um „Experten“ zu identifizieren.
Experte auf Einladung
Die Admins und Eigentümer der Gruppen dürfen Mitglieder dazu einladen, als „Experten“ zu fungieren. Wer die Einladung annimmt, erhält das Abzeichen. Zusätzlich taucht es neben dessen Beiträgen, Kommentaren und FAQ-Einträgen auf.
Facebook will den Admins helfen, geeignete Kandidaten zu finden. Zurzeit kursiert etwa eine Umfrage in den Bereichen Fitness und Gaming. Nutzer sollen angeben, mit welchen Titeln und Aktivitäten sie sich besonders gut auskennen. Admins können im nächsten Schritt Themen durchsuchen und erhalten entsprechende Hinweise.
Wachstumstreiber statt Speech-Kontrolle
Beobachter sehen als Hintergrund eher, dass renommierte Nutzer ihre eigenen Follower in die Gruppen ziehen, in denen sie den Experten-Status erhalten. Die Plattform bietet dafür einen gesonderten Weg an. Inwiefern die Auszeichnung gegen Desinformation helfen soll, bleibt unklar. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Admin einer Anti-Impf-Gruppe einen Impfbefürworter, Arzt oder Mediziner zum Experten nominiert. Wann die neue Funktion für alle Nutzer bereitstehen wird, ist noch nicht bekannt.
Facebook plant zudem keine neuen Tools, um Aussagen zu verifizieren. Auf Nachfrage listet ein Konzernsprecher die üblichen Kontrollinstanzen auf: Faktenchecker von Drittanbietern, das Eindämmen von Inhalten, die als irreführend gekennzeichnet wurden, und das Melden durch andere Mitglieder.
Dass diese Funktion im Kampf gegen Desinformation auf der Plattform nicht helfen wird, ist offensichtlich. Mal angenommen, ich sei Verschwörungsideologe und würde eine Gruppe zu kruden Theorien öffnen. Dann würde ich natürlich einen Chef-Ideologen zum Experten machen, der sich so richtig mit Schwurbeln auskennt. Der zieht dann auch noch seine Jünger mit in meine Gruppe – perfekt, die neue Funktion unterstützt die Zusammenrottung effektiv!
Aber darin sehe ich nicht einmal das Hauptproblem. Das liegt meiner Meinung nach in der Sprache – und da kenne ich mich aus. Wer als Betreiber einer Plattform gewählte Mitglieder als „Experten“ tituliert, darf sich am Ende nicht wundern, dass den schrägsten Gestalten plötzlich Kompetenz zugesprochen wird. Ich sehe keinen Sinn in dieser Auszeichnung – meiner Meinung nach liegt das Schadenspotenzial höher als der mit viel Fantasie konstruierte Mehrwert.
Raimund Schesswendter