Erfundene Bücher und Fake-Experten: KI-Debakel bei US-Tageszeitung

KI halluziniert Artikel in US-Tageszeitung. (Symbolbild: Tero Vesalainen/Shutterstock)
Die Chicago Sun-Times gilt als – nach der Tribune – zweitgrößte Tageszeitung der Millionenstadt im US-Bundesstaat Illinois. Und sie muss sich jetzt mit einem handfesten KI-Skandal auseinandersetzen.
Buchempfehlungen mit Fake-Titeln
In der Sonntagsausgabe vom 18. Mai 2025 findet sich ein Spezial mit Empfehlungen zu Sommeraktivitäten, wie Trends und Ausflugstipps sowie eine Liste mit Büchern, die es zu lesen gilt. Das Problem: Zwei Drittel der 15 empfohlenen Bücher existiert überhaupt nicht, wie Gizmodo schreibt.
In der „Summer Reading List“ sind demnach zwar bekannte – und tatsächlich existierende – Autor:innen wie Isabel Allende aufgeführt. Die ihnen zugeordneten Bücher aber haben sie nie geschrieben. Auffällig ist auch, dass die Fake-Bücher mit klingenden Inhaltsbeschreibungen versehen wurden – als würden sie wirklich existieren.
Kein aktuelles Buch in der Liste
Echt sind aber lediglich fünf Bücher auf der Liste, darunter der Science-Fiction-Roman Dandelion Wine von Ray Bradbury. Das Problem hier: Das Buch ist 1957 erstmals erschienen. Die übrigen echten Buchempfehlungen haben im Schnitt schon rund zehn Jahre auf dem Buckel. Keines von ihnen ist aktuell.
Der Verdacht, der via Social Media schnell aufkam: Die Buchliste wurde per ChatGPT erstellt und nicht noch einmal überprüft. Für eine seriöse Tageszeitung mit Redaktion und Lektorat ein peinlicher Fehler.
Zeitung verweigert Verantwortung
Die Sun-Times versuchte entsprechend gegenzusteuern. Man untersuche, wie diese Liste in den Druck gehen konnte. Es handle sich dabei jedenfalls nicht um einen redaktionell erstellten Inhalt, der auch nicht von der Redaktion freigegeben worden sei.
Tatsächlich werden seit Jahren vor allem am Wochenende in vielen Zeitungen sogenannte Fremdbeilagen veröffentlicht. Dort finden sich neben extern produzierten Texten vor allem Anzeigen. Für die Verlage sind solche und ähnliche Sonderbeilagen daher nicht selten eine wichtige Einnahmequelle.
Ob es sich auch in diesem Fall um eine extern produzierte Anzeigenbeilage handelt, ist nicht klar. Laut The Verge trägt der Bereich schlicht den Namen „Your guide to the best of summer“ und wird vom Sun-Times-Logo geziert.
Fake-Experten in Artikeln zitiert
In den Artikeln rund um die Fake-Buchliste der Sun-Times finden sich jedenfalls noch weitere Hinweise darauf, dass beim Schreiben auf KI-Support zurückgegriffen wurde. Denn einige der dort zitierten Expert:innen wie die angeblich an der Cornell University tätige Lebensmittelanthropologin Catherine Furst gibt es gar nicht.
Der Autor einiger der in der betroffenen Sommerausgabe erschienenen Artikel – auch solcher mit Fake-Expert:innen – erklärte gegenüber 404 Media, dass er durchaus hin und wieder KI nutze. Er checke das Material normalerweise immer genau. Dieses Mal aber nicht, wie er zugab. Dafür gebe es keine Ausreden und die Schuld liege zu 100 Prozent bei ihm.
Ob die Redaktion der Sun-Times für den Autoren und die offensichtlich per KI erstellten Artikel der Beilage verantwortlich ist oder nicht – am Ende könnte der KI-Skandal zu einem Vertrauensverlust in die Zeitung allgemein sowie die gesamte Branche beitragen.