Manipulation von Neuroschaltkreisen: Wissenschaftler steuern Fruchtfliegen fern
Die Vermischung von biologischen Organismen und Maschinen – bisher kannte man das als sogenannte Cyborgs aus Science-Fiction- und Horrorgeschichten. Wissenschaftler:innen der Rice Universität im US-amerikanischen Texas ist es jetzt gelungen, etwas Derartiges in die Realität umzusetzen: im Körper von Fruchtfliegen, die durch genetische und technologische Manipulation per Knopfdruck dazu gebracht werden können, ihre Flügel auszubreiten. Die Reaktionszeit beträgt dabei weniger als eine Sekunde.
Ferngesteuerte Fruchtfliegen: Genveränderung und Nanopartikel
Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Forschungsgruppe die Fliegenhirne genetisch so verändert, dass bestimmte Ionenkanäle auf Hitze reagieren. Die wiederum sitzen in den Neuronen, die für das Flügelspreizen verantwortlich sind – eine Handlung, die von den Fliegen bei der Paarung vorgenommen wird. Anschließend hat man in diese biologisch geschaffenen Hitzerezeptoren Nanopartikel von Eisenoxid injiziert.
Die Fliegen befinden sich bei der Versuchsanordnung in einem geschlossenen Behälter oberhalb einer Magnetspule. Wenn die Magnetspule per Knopfdruck aktiviert wird, erhitzen sich die Nanopartikel und geben das Signal an die Neuronen weiter – und die Fliegen spreizen ihre Flügel. Dass das funktioniert, hat die Rice Universität auf Video festgehalten:
Gehackte Fliegenhirne – Fortschritt für Medizin
Obwohl dieses Experiment zunächst klingt, als stamme es direkt aus Frankensteins Labor, verfolgt die Forschung durchaus einen vernünftigen Zweck. Jacob Robinson, ein Mitautor der Studie, meinte dazu gegenüber dem Technologie- und Wissenschaftsportal New Atlas: „Um das Gehirn zu erforschen oder neurologische Krankheiten zu behandeln, ist die Wissenschaft auf der Suche nach Möglichkeiten, die unglaublich präzise sind, aber gleichzeitig auch minimal invasiv.“ Die Fernsteuerung von Neuroschaltkreisen sei dabei eine Art „heiliger Gral“.
Letztendlich soll die neuartige Technologie nämlich dazu dienen, beispielsweise Patient:innen mit Sehbeeinträchtigungen zu helfen. Wenn man in der Lage ist, den visuellen Cortex im Gehirn direkt zu stimulieren, könnte man beispielsweise Augen umgehen, die aus irgendwelchen Gründen keine oder nur fehlerhaft Bilder ans Hirn senden können. Ähnliches gilt für Menschen, die unter Bewegungseinschränkungen leiden – sofern deren Ursache im Gehirn sitzt.
Auch Verteidigungsministerium ist interessiert
Finanziert wird die Studie von Darpa (Defense Advanced Research Projects Agency), einer Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums. Dort hegt man auf lange Sicht andere, leicht grusligere Pläne: Mit Headsets soll Neuronenaktivität von einem Menschen auf den anderen transferiert werden; nichts anderes als Gedankenübertragung also.
Vorerst wird das aber noch Zukunftsmusik bleiben. Zwischen dem Gehirn der Fruchtfliege und dem eines Homo Sapiens dürften noch ein paar Forschungsschritte liegen.