Forscher zeigen, wie wichtig Empathie am Arbeitsplatz ist – so kannst du davon profitieren
Mal ordentlich auf den Tisch hauen und seinen Willen durchsetzen – in den Karrierebibeln alter Schule wimmelt es nur so vor der Aufforderung zu Dominanz und Kaltherzigkeit. Nur so soll man mit dem Unternehmen vorankommen können. Mittlerweile zeigen immer mehr Studien, dass die Tyrannen alter Tage abgeschafft werden müssen. Empathie hält das Team zusammen und sorgt für ein produktives Arbeitsklima.
Nun legt eine Studie der McGill-Universität nahe, wie du bei dir Empathie fördern kannst. In der Studie mit dem komplizierten Namen „From memory to motivation: Probing the relationship between episodic simulation, empathy, and helping intentions“ untersuchen die Forschenden, wie Empathie entsteht. Bisher hatte die Forschung im Bereich der Empathie weitgehend den Fokus auf der Vorstellung, einer anderen Person zu helfen, um Mitgefühl zu fördern.
Laut der Psychologin und Co-Autorin Signy Sheldon ist das aber nicht die Lösung: „Unsere Experimente haben gezeigt, dass Menschen, die belastende Szenarien anderer Personen simulierten, viel mehr persönliche Belastung empfanden, als wenn diese Szenarien nicht simuliert wurden.“ Bedeutet: Wer sich in die belastende Situation anderer hineinversetzt, kann mehr Empathie empfinden. Dadurch verstärke sich, so die Studie, auch der Wille, anderen Personen zu helfen.
Was bedeutet das für den Office-Alltag?
Aus einer beruflichen Perspektive ist es klar, warum Mitgefühl und Empathie im Unternehmen unerlässlich sind: Geht es im Büro untereinander empathisch und einfühlsam zu, profitiert das Arbeitsklima. So können Unternehmen letztendlich sogar ganze Teams zusammenhalten.
Laut einer EY-Studie ist nämlich genau das Arbeitsklima einer der häufigsten Gründe für einen Jobwechsel von Menschen bis 40. Verständlich, denn letztendlich arbeitet es sich einfach viel besser, wenn man von Menschen umgeben ist, die einen verstehen und für einen einstehen. So kann Empathie zum echten Gamechanger im Office werden.
Kolleg:innen verhalten sich untereinander solidarischer. Wer empathisch ist, steht füreinander ein. Das belegt auch eine Studie der Organisation Catalyst. Emphatische Arbeitsplätze sind inklusiver und schaffen so positive Arbeitserfahrung. Auch die Produktivität steigt dadurch.
Auch zunächst opportunistische Beziehungen im Office können persönlicher und einfühlsamer werden, sodass sich die Menschen mehr geschätzt und gewürdigt fühlen. Neben Führungskräften können so ganze Teams und Abteilungen besser zusammenarbeiten.
Dadurch wird Empathie am Arbeitsplatz zu einer Aufgabe des gesamten Unternehmens. Es reicht nicht, dass Einzelne versuchen, mitfühlend zu handeln, wenn dieses Verhalten nicht gefördert wird. Über die Unternehmenskultur kann Empathie auf allen Ebenen gefördert werden. Dennoch ist es auch als Einzelperson wichtig, empathisch am Arbeitsplatz zu handeln.
So kannst du empathischer werden
Die McGill-Studie beweist, wie wichtig es ist, sich in andere hineinversetzen zu können, um mitfühlend zu handeln. Die Wunderwaffe der Forscher:innen: Vorstellungskraft. Schafft man es, sich bildlich in der Situation von anderen vorzustellen, soll das die Empathie fördern. Wer wissen möchte, wie sich das Gegenüber fühlt, muss dafür aber auch den Hintergrund der Person kennen.
Damit ist nicht einfach der Name gemeint, sondern auch ein bisschen ihr Lebenshintergrund. Das hilft dir dabei, die Ansichten der anderen Person zu erkennen, und bekommst langsam ein Gefühl dafür, wie dein Gegenüber die Welt sieht, was ihn oder sie begeistert, antreibt oder vielleicht auch verletzen könnte. Dafür musst du der Person aber auch aktiv zuhören.
Natürlich ist das Ganze nicht immer so einfach umzusetzen. Viel zu schnell springen wir im hektischen Arbeitsalltag von einer Erzählung zu einer Lösung, wo gar keine Lösung gesucht war. Versuche deswegen nicht, deinem Gegenüber sofort Vorschläge zu machen. Versuche viel eher, anzuerkennen, dass die Gefühle der anderen Person berechtigt sind.
Ein Problem noch
Und noch etwas steht dem emphatischen Handeln im Weg: das Bild von Arbeit in unseren Köpfen. So fanden beispielsweise die Wirtschaftspsychologin Nora Schütte und ihr Team heraus, dass Personen mit einer hohen affektiven Empathie schlechtere Arbeitsbeurteilungen bekommen. Ein überdurchschnittliches Ausmaß an Kaltherzigkeit sorgt für die besten Beurteilungen durch die Kolleg:innen – doch das nur bis zu einem gewissen Punkt. Pure Kaltherzigkeit wird wiederum sehr negativ wahrgenommen.
Der eiskalte Businessmann ist also doch noch nicht komplett aus unseren Teams verschwunden. Dennoch kämen Unternehmen ohne ihn besser aus. Denn in einer emphatischen Unternehmenskultur macht es mehr Spaß, zu arbeiten, und das Team ist produktiver. Um das zu erreichen, müssen wir auch den kaltherzigen Geschäftsmann in unserem Kopf entlassen.