Gründer Stephan Aarstol: „Wir alle arbeiten nur drei Stunden ernsthaft“
Der Feierabend bei Tower Paddle Board beginnt um 13 Uhr. Wenn andere Angestellte gerade in die Mittagspause gehen, haben die Mitarbeiter des US-Startups bereits frei. Vor einem Jahr startete Stephan Aarstol, der Gründer des Unternehmens, das Projekt Fünf-Stunden-Tag. Eigentlich sollte es nur eine dreimonatige Testphase geben. Inzwischen ist die Ausnahme zur Regel geworden.
Obwohl die Mitarbeiter heute weniger arbeiten als früher, erhalten sie mehr Geld. Tower Paddle Board beteiligt seine Angestellten an fünf Prozent des Gewinns. Wer glaubt, dass diese Strategie dem Unternehmen schadet, der irrt. Im Gegenteil: Das Startup wächst weiter fleißig. Über seine Erfahrungen hat Aarstol mittlerweile ein Buch geschrieben. Wir haben mit dem Gründer darüber gesprochen, wie er den Wandel vorgelebt hat und warum auch drei Stunden Arbeitszeit ausreichen.
Stephan Aarstol: „Wenn einer nicht den Fünf-Stunden-Tag lebt, wird er gefeuert“
t3n.de: Stephan, statt acht Stunden arbeiten in deinem Startup alle nur fünf Stunden. Wie reagieren Menschen, wenn du ihnen das erzählst?
Stephan Aarstol: Viele Menschen lehnen die Idee ab. Das hängt mit der protestantischen Arbeitsmoral zusammen. Sie beschreibt eine Theorie, in der unter anderem harte Arbeit angepriesen wird. Aber der Sinn des Lebens ist nicht arbeiten, sondern leben. Die Menschen halten aber immer noch an der protestantischen Theorie fest. Wir beweisen das Gegenteil.
t3n.de: Gab es auch unter deinen Mitarbeitern Skeptiker?
Stephan Aarstol: Ja. Als ich die Idee in meinem Unternehmen vorstellte, sagten meine Mitarbeiter: „Aber wenn wir nur noch halb so viel arbeiten, dann schaffen wir auch nur noch halb so viel.“ Und ich sagte: „Aber von zwölf Stunden arbeitet ihr sowieso nur zwei effektiv.“
t3n.de: Warum hast du dich ausgerechnet für den Fünf-Stunden-Tag entschieden und nicht für sechs Stunden oder vier oder drei?
Stephan Aarstol: Weil es mir wichtig war, dass wir auf das Mittagessen verzichten. In den meisten Unternehmen ist es so, dass einige Mitarbeiter nie zu Mittag essen, andere gehen jeden Tag eine Stunde raus, wieder andere essen am Platz. Das ist nicht fair. Und die Zeit, die in die Planung fließt! Wann gehe ich, wo gehe ich hin, mit wem. Nach dem Essen fällt man außerdem in ein Essenskoma. Das führte dazu, dass wir das Mittagessen streichen wollten. Und fünf Stunden kommt ein Mensch ohne Essen aus, danach wird es schwierig. Aber klar, es kann sein, dass es nicht die richtige Stundenzahl ist und dass es auch anders geht.
t3n.de: Kürzer wäre es nicht gegangen?
Stephan Aarstol: Doch. Richtig organisierte Menschen bekommen auch einen Drei-Stunden-Tag hin. Wenn man mal ehrlich ist, arbeiten wir alle nur zwei bis drei Stunden am Tag ernsthaft. Ich auch. Wenn Leute sagen, dass die Fünf-Stunden-Regel für mich als Chef ja wahrscheinlich nicht funktioniere, dann sage ich immer: „Doch, es funktioniert, ich arbeite sogar noch weniger.“
t3n.de: Wie hast du den Wandel bei euch eingeführt?
Stephan Aarstol: Ich habe ihn vorgelebt. Als wir am 1. Juni 2015 den Fünf-Stunden-Tag verkündeten, haben wir ihn erst einmal als Test ausgerollt. Ich habe gesagt, dass wir ab morgen nur noch fünf Stunden pro Tag arbeiten. Wenn das einer nicht kann, wird er gefeuert. Und dann habe ich jeden Tag um ein Uhr meinen Schreibtisch geräumt, habe meine Tür abgeschlossen und bin gegangen. In vielen Unternehmen ist der Chef der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht. Und die Mitarbeiter machen ihm das nach. Deswegen wollte ich ein Zeichen setzen und zeigen, dass niemand schief angeguckt wird, wenn er pünktlich geht.
„Das Konzept funktioniert nicht für jeden.“
t3n.de: Du hast gerade gesagt, dass du die Leute feuern wolltest, die nicht fünf Stunden am Tag arbeiten wollten. Hast du die Drohung wahr gemacht?
Stephan Aarstol: Ich habe sie nicht gefeuert, aber wir haben ein paar zum Gehen bewegt. Das Konzept funktioniert nicht für jeden. Und du kannst nicht über Nacht einfach einen Schalter umlegen. Manche Leute arbeiteten einfach weiter wie vorher, und das ging nicht. Du musst dir überlegen, wie viel Zeit für was draufgeht und wie du die Arbeit schneller hinbekommst. Ich gehe beispielsweise nicht ans Telefon, weil das zu viel Zeit frisst.
t3n.de: Aber nicht jede Tätigkeit kann man so einfach aus dem Alltag streichen.
Stephan Aarstol: Das sehe ich nicht so. Meine Mitarbeiter haben anfangs gedacht, dass die Kunden nicht gut auf die Umstellung reagieren würden. Ich war auch besorgt deswegen. Denn alle anderen Unternehmen sind ja von neun bis 17 Uhr erreichbar, wir hingegen nur noch von acht bis 13 Uhr. Wir haben es trotzdem versucht. Und was ist passiert? Nichts. Die Menschen lesen deine Website und rufen einfach zu den Zeiten an, die du angibst. Wenn du denkst, dass es nicht anders geht: Es geht immer anders.
t3n.de: Stephan, vielen Dank für das Gespräch.
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Tolle Geschichte und wenn wir mal etwas ehrlicher zu uns selbst wären würde glaube ich jeder zugeben, dass selbst bei den 12h Tagen produktiv nicht mehr als 5h rauskommen, der Rest sind Meetings, und manchmal auch sinnlose Aufgaben, so konzentriert man sich auf das wesentliche ich sehe das als tolles Experiment an und würde mir wünschen das es Schule macht.
Sehr gut. Leider verstehen das viele nicht. Die zeitliche Einschränkung lässt einen wieder effektiver werden. Für wiederkehrende Fehler/Aufgaben werden endlich Lösungen gefunden. Meetings an denen man nicht unbedingt teilnehmen muss, lehnt man ab. Meetings werden kürzer. Kommunikationswege besser (so wenig wie möglich Unterbrechung durch Telefon, Mails zu 2-3 bestimmten Zeitpunkten am Tag bearbeiten, sämtliche Benachrichtigungen des Betriebssystems abschalten (bei Notfällen gibt es das Telefon). Die Liste ist lang.
Ein wirklich großartiges Konzept, von einem scheinbar einzigartigen Menschen, der sich traut anders zu sein. Und das wahrhaftig mit Erfolg.