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Interview

Georgien statt Bali: Warum du Tiflis als digitaler Nomade auf dem Schirm haben solltest

Denkt man an digitale Nomaden, assoziiert man das oft mit Bali, Thailand oder Süd- und Mittelamerika, manchmal noch Portugal. Doch Tiflis in Georgien? Fehlanzeige!

Von Robert Enskat
13 Min.
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(Grafik: t3n)

Bis jetzt, denn Tbilisi, wie die Stadt in Landessprache heißt, mausert sich mehr und mehr zum neuen Mekka für digitale Nomaden in Europa. Zu recht? Wir haben mit Folker Wrage darüber gesprochen, einem der meistausgezeichneten Werber in Deutschland, Juror beim ADC, den Cannes Lions und aktuell CEO bei Leavingstone in Tiflis – und irgendwie schon viel länger digitaler Nomade, als man meinen könnte.

(Foto: Folker Wrage)

t3n: Lange ist es her, etwa 20 Jahre, als wir uns in Frankfurt bei Ogilvy kennengelernt haben. Mich hat es danach hierhin und dorthin gezogen. Du bist aber auch gut herumgekommen, oder? Ur-Nomade?

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Folker Wrage: Scheint so. Manchen liegt es halt im Blut. Schon Mitte der 90er wollte ich gern für Ogilvy in anderen Ländern arbeiten. Tatsächlich umsetzen konnte ich es aber erst über zehn Jahre später, als ich in die Schweiz ging. Nomadentum war das sicher noch nicht, aber es entwickelte sich unweigerlich in die Richtung. Ich merkte, dass es mir gefiel, mich in einer völlig ungewohnten Umgebung an knifflige Aufgaben zu setzen. Aufbau, Umbau, Turnaround von Agenturen. Eben nicht nur in die Kultur eintauchen und Laternenmasten gegen Palmen auszutauschen, sondern auch etwas tun zu können, das mich beruflich herausfordert und wachsen lässt. Istanbul war schon krass – diese gigantische Stadt, die völlig andere Kultur und Lebensweise, eine Agentur am Rande des Abgrunds, Arbeit an der digitalen Transformation, und dann noch die Gezi-Park-Proteste. Eine wilde Mischung. Und jetzt fast noch extremer. Das war auch so nicht geplant, es passierte einfach. Freunde brauchten meine Hilfe, und als ich dann mal da war, merkten wir, dass es passt – und ich, dass Tiflis nicht nur schön und spannend ist, sondern auch ein überraschend guter Standort für digitale Nomaden.

t3n: Mal ganz im Ernst, ich hätte von dir einiges erwartet, CEO in New York, London, Paris oder Kapstadt, aber warum Tiflis? Last Exit Career?

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Ja ja, hau mir ruhig die Klischees um den Kopf. Bestimmt habe ich das auch mal so gedacht, so vor zehn oder 20 Jahren. Aber ganz im Ernst – hätte ich mich tatsächlich in diese Richtung bewegt, wäre der CEO in New York oder London der Exit gewesen, schon vor vielen Jahren. Ich habe mich nicht in der Branche gehalten, weil ich mich hochgeschleimt habe, sondern weil ich immer einen Weg gesucht habe, meinen Horizont zu erweitern – sowohl inhaltlich als auch geografisch. Werbung, Dialogmarketing, Shopper-Marketing und mit den Jahren immer mehr digitales Know-how – das steckt heute alles zusammen mit dem was ich in den USA, in der Türkei, der Schweiz und Georgien gelernt habe. Zusammen mit dem, was man als Deutscher so mitbringt, ist das keine schlechte Mixtur. Das hält mich im Geschäft. Der Weg des geringsten Widerstands führt direkt in die Nutzlosigkeit.

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t3n: Dass Osteuropa auf der Landkarte von vielen gerne übersehen wird, okay, kann ich nachvollziehen, klingt nicht sexy. Kaum aber einer weiß ja, dass es in Rumänien das schnellste und beste Internet in Europa gibt. Digitalexperten sind sich dessen aber bewusst, oder?

Absolut. Mit der Einschränkung, dass wir in Westeuropa auch in dem Punkt mit einigen sehr überholten Klischees arbeiten. Agenturen denken oft, dass sie die tollen Ideen haben und sich dann für einen lachhaften Preis ein paar Programmierer im Kosovo oder der Ukraine holen. Da wird die Güte der eigenen Idee oft horrend überschätzt und das große kreative Potenzial in Osteuropa gar nicht wahrgenommen. Was meine Webdeveloper drauf haben, liegt weit über dem Durchschnitt dessen, was in Westeuropa angeboten wird. Es ist ja nicht nur in Rumänien so, das immer ein wenig als Vorbild genannt wird. Auch in Georgien gibt es eine sehr gut entwickelte digitale Infrastruktur, es gibt eine höchst lebendige und gut geschulte Szene, sehr viel unternehmerische Energie, man ist extrem gut vernetzt und bei Bedarf auch in der Lage, dieses Netz gemeinsam wirken zu lassen. Die digitale Durchdringung der Gesellschaft ist in den Generationen, die das Business voranbringen, extrem viel tiefer als bei uns. Mal provokant formuliert – bei uns nennt man sich ab einem bestimmten Geburtsjahr automatisch Digital Native, selbst wenn man bei Java noch an Inseln denkt. In Georgien ist man es, weil der Alltag digital ist. Natürlich nicht wie in China, aber weit mehr als bei uns. Wenn ich in Basel über die Grenze nach Deutschland fahre, ist erst einmal Schluss mit Daten. Das passiert dir in Georgien nicht mal, wenn du in die Berge fährst.

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t3n: Subjektiv-objektiv betrachtet: Ich genieße gerade das Klima, das Wetter, die Natur und so in Südostasien. Denke ich an Tiflis, kommen bei mir Bilder von tristen post-kommunistischen Betonstädten, Armut, miesem Wetter, Menschen in grauen Mänteln und depressiver Allgemeinstimmung auf. Ja, böses Klischee, ich weiß. Ich liege wohl vollkommen falsch, oder?

Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass ich bei meinem ersten Trip nach Tiflis ähnliches erwartet habe – auch wenn mir die Recherchen schon längst etwas anderes angekündigt hatten. Tatsächlich ist das aber eine prima Ausgangsstimmung – denn wenn du ankommst und dort etwas Zeit verbringst, ist die Realität eine geradezu sensationelle Überraschung. Fakt ist, dass Tiflis eine richtig schöne Stadt ist. Fast die gesamte, wirklich weitläufige Innenstadt ist voll mit wunderbaren Jahrhundertwende-Altbauten im europäischen Stil. Natürlich gibt es auch Betonklötze und viele hässliche Wohngegenden – aber das Verhältnis ist nicht anders als beispielsweise in Berlin. Überhaupt ist Berlin ein ziemlich guter Vergleich. Die Stimmung ist ähnlich, das kulturelle Leben vergleichbar. Tiflis ist sehr jung, man geht sehr viel aus, es gibt sehr viele gute Bars, Clubs und Restaurants, eine quicklebendige Szene und viele junge Unternehmer, die wirklich erstaunliche Projekte hochziehen. Was da aus alten, verfallenen Fabriken so alles entsteht, ist beeindruckend. Dazu muss man auch wissen, dass man in Georgien wirklich rein gar nichts von dem findet, was wir so gern als post-sowjetisch bezeichnen. Die Georgier haben sich nie wirklich in die damalige Sowjetunion integriert. Sie haben ihre eigene Sprache und ihr eigenes Alphabet behalten, sie waren immer diejenigen, die großartige Weine und Spirituosen geliefert haben, die mit Abstand die beste Küche hatten. Und spätestens seit dem Krieg mit den Russen haben sie die Distanz zu allem, was von da kommt, maximal erhöht. Man spricht nicht Russisch, sondern Englisch. Man schaut nicht nach Moskau, sondern nach Europa.

t3n: Wie sieht es mit der Digital-Nomad-Szene in Tiflis aus? Sind dort viele anzutreffen? Und wenn ja, wo?

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Es wäre übertrieben, wenn ich sagen würde, dass sich das Nomadentum schon tief in die georgische Szene integriert hätte. Aber es hat sich in den letzten Jahren wirklich irrsinnig schnell entwickelt. Es gibt ein wirklich großes und exzellent ausgestattetes Impact-Hub, das ein Teil der „Fabrika“ ist – eine ehemalige Textilfabrik, in der es auch ein großes gutes Hostel gibt, einige wirklich gute Restaurants, die besten Hamburger der Stadt und ein paar Shops für das, was man so braucht – Skateboards und Schallplatten zum Beispiel. Georgier sind obendrein geradezu manisch gastfreundlich, die digitale Szene höchst kontaktfreudig. Es gibt zum Beispiel eine Initiative mit dem Namen workfromgeorgia.com – wer sich dort anmeldet, bekommt in einer der Agenturen in der Stadt kostenlos einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Nicht selten ergeben sich dadurch nicht nur neue Kontakte, sondern auch Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Die teilnehmenden Unternehmen tun alles, damit die digitalen Nomaden, die sich zu ihnen gesellen, es wirklich gut haben und ihre Zeit dort produktiv und bereichernd ist. Besser geht’s nicht. Eins ist aber auch klar – wer das digitale Nomadentum so versteht, dass man primär seinen gebräunten Körper an Laptop und unter Palme auf Instagram zu präsentieren, wird in Tiflis nicht wirklich glücklich. Wobei … zum Snowboarden im Kaukasus ist es nicht viel mehr als ein Katzensprung, und auch das Schwarze Meer ist nicht weit weg. Im Zug dahin hat man sogar sehr zuverlässiges Internet.

t3n: Also sagst du, dass Tiflis ein guter Ort ist für digitale Nomaden?

Definitiv – wenn man es tatsächlich ernst meint damit. Wer für wenig Geld und wenig Arbeit viel Sonne und viel Palme will, fliegt besser wo anders hin. Tiflis ist nichts für Leute, die den Freizeitanteil maximieren wollen. Für echte Nomaden zählen doch ganz andere Faktoren. Zum Beispiel die bürokratischen Aspekte. In Georgien können EU-Bürger ein ganzes Jahr visafrei im Land bleiben. Das ist de facto ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Für die Eröffnung eines Kontos braucht man nichts weiter als einen gültigen Reisepass, und man kann mehrere Währungskonten führen. Wer sein Unternehmen in Tiflis anmelden will, kann das jederzeit problemlos tun – die Steuern liegen bei oder unter 20 Prozent. Pauschal und ohne den ganzen bürokratischen Irrsinn, den wir in Deutschland für normal halten. Bargeld wird so gut wie nie verwendet. Wer sich ein paar Tomaten an der Ecke kauft, zahlt kontaktlos mit Karte oder mit Apple Pay. Jedes Mal, wenn ich beim Mittagessen bar bezahle, schauen mich meine Kollegen fast mitleidig an. Die Stadt ist sicherer als manch westeuropäische Metropole und die Lebenshaltungskosten sind sehr niedrig – vergleichbar mit denen in Bulgarien oder Serbien. Die Flüge sind meist recht erschwinglich, und wer über den kleineren Flughafen in Kutaisi ins Land kommt, kann sogar für Minimalbeträge anreisen. Solch eine Konstellation findet man als digitaler Nomade wirklich nur selten.

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t3n: Arbeitet ihr bei Leavingstone mit digitalen Nomaden? Und wie findet ihr die beziehungsweise finden die euch?

Leavingstone unterstützt wie viele andere Kollegen das Workfromgeorgia-Projekt. Wir haben schon mehrfach digitale Nomaden bei uns untergebracht. Wie es sich gehört, kümmern wir uns dann auch um sie. Nicht immer ergibt sich daraus eine konkrete Zusammenarbeit, aber auch das hat es schon gegeben. Eine Kollegin, die bei uns Zeit verbrachte, hat sich zu unserem Design-Team gesetzt und mit ihnen zusammengearbeitet. Im Moment versuchen wir, uns mit digitalen Nomaden zu vernetzen, die im Bereich Webdevelopment unterwegs sind – leider macht die Coronakrise das grad nicht eben leicht. Im Impact-Hub ist natürlich immer etwas los, schon weil im riesigen Innenhof der Fabrika jeden Freitag quasi die gesamte digitale Szene versammelt ist. Wer da keinen Anschluss findet, sollte lieber auf Eremit umschulen.

t3n: Wie sind so deine Erfahrungen mit digitalen Nomaden bisher? Eher gut oder durchwachsen? Hat sich in den letzten Jahren da etwas verändert?

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Ganz generell finde ich die Entwicklung sehr positiv. Darüber können auch diese komischen Vögel nicht hinwegtäuschen, die das irgendwie als Lifestyle-Trend verstehen und denken, dass das ein gutes Vehikel ist, um als Influencer seine Dollars zu verdienen. Ich finde es ganz generell sinnvoll, dass sich das Profil des „reisenden Profis“ vom Modell Expat zum Modell Digital Nomad wandelt. Viel zu lange sah man den Weg ins exotische Ausland wie eine Bürde, die mit viel Geld kompensiert wurde. In manchen Branchen wird immer noch so gedacht. Ich vergleiche das manchmal mit der Welt des Fußballs. Mehr und mehr werden die von Land zu Land transferierten Millionäre zu seltsam welt- und lebensfremden Karikaturen, die letztlich keiner Idee folgen und deren soziales Engagement in den meisten Fällen nicht auf Leidenschaft für eine Sache beruht, sondern auf der Empfehlung ihres Image-Beraters. Aber es gibt auch Leute wie Lutz Pfannenstiel, einen Torhüter, der in seiner Karriere schon auf jedem Kontinent als Profi gearbeitet hat und eindeutig andere Ideale hat, andere Prioritäten setzt. Natürlich sind digitale Nomaden keine Weltverbesserer, oft sicher auch keine Idealisten. Aber sie repräsentieren unser Zeitalter weit mehr als jeder Star-Werber, der sich mehr um die Anzahl seiner gewonnenen Preise kümmert als um die Frage, wie er sein persönliches Glück und eine nachhaltige berufliche Entwicklung unter einen Hut bekommt. Tatsächliche Selbstverwirklichung ist nicht durch Eitelkeit getrieben, sondern durch das Streben nach Glück.

t3n: Gilt das generell für digitale Nomaden oder ist das auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt?

Tatsächlich sind fast alle digitalen Nomaden, die wir in unserem Haus erlebt haben, Designer gewesen. Das hat aber auch ein wenig mit unserem Image zu tun. Wir sind zwar wirklich erstklassig im Webdevelopment aufgestellt, aber wegen einiger international erfolgreicher Werbekampagnen ziehen wir eben mehr Leute aus Werbung und Design an. Aber daran arbeiten wir. Letztlich gibt es bei uns eigentlich keine Tätigkeit, die nicht auch von einem Digital Nomad übernommen werden könnte. Das betrifft ja nicht mal die, die bei uns in Tiflis sind – wir suchen durchaus auch den Kontakt zu Talenten, die sich für eine andere Location entschieden haben. Der georgische Markt ist ohnehin viel zu klein, um ein Unternehmen mit rund 100 Leuten ständig mit neuen Talenten zu füttern. Dazu kommt auch eine gewisse Volatilität – nicht mehr nur in Georgien, sondern durchaus auch in Europa und den USA. Du kannst dich nicht mehr darauf verlassen, dass dein Geschäft stabil aus dem nationalen Markt gefüttert wird – also schaust du dich im Ausland um, verringerst das Risiko. Im Webdevelopment arbeiten wir inzwischen zu zwei Dritteln mit ausländischen Kunden. Da verschwimmen die Grenzen inzwischen eh, und das ist gut so. Wenn in Tiflis mehr digitale Nomaden in den für uns relevanten Bereichen auftauchen, ist das ein Segen, weil auch der Freelance-Markt eher winzig und die Palette begrenzt ist. Wer in Tiflis gute Arbeit abliefert, braucht sich um die Finanzierung seines Alltags keine Sorgen zu machen.

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t3n: Mal speziell auf Programmierer und Coder angesprochen: Sind die besser als anderswo? Die sitzen ja auch in Ecuador oder Südafrika oder Cambodia und arbeiten als Digital Nomads?

Man muss sich schon überlegen, womit man sein Geld verdienen will, wenn man sich in Tiflis ins Coworking setzt. Bei einem nationalen Durchschnittslohn von rund 400 Euro pro Monat kann man sich vorstellen, dass in Tiflis die Honorare nicht eben üppig ausfallen. Es kommt darauf an, welchen Anspruch man hat. Natürlich maximiert man die Vorteile, die man in Tiflis hat, wenn man bereits einen Kundenstamm in eher hochpreisigen Ländern hat. Du kannst in Tiflis schon für 2.000 Euro im Monat ein sehr lässiges Leben haben. Das lässt sich definitiv mit lokalem Geschäft generieren – alles darüber hinaus wäre dann eben entweder Luxus oder Sparkonto. Aber zurück zur Frage: Sind die Coder und Programmierer hier besser als anderswo? In einem recht durchdigitalisierten Land wie Georgien ist das Niveau wirklich beachtlich. Und doch würde ich jedem DN hier empfehlen, einen guten Mix aus lokalem und internationalem Geschäft anzustreben. Macht viel mehr Freude.

t3n: Wo siehst du für die nächsten Jahre den größten Bedarf an spezialisierten Leuten? Jetzt nicht nur für eure Agentur, sondern allgemein und global betrachtet?

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Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich ein bisschen wie ein Romantiker anhöre – ich denke, dass vor allem Leute gefragt sein werden, die mehr als nur einen Trick können und die vor allem auch viel konzeptionelle Kreativität mitbringen. Leute, die Probleme lösen können, die auch in fernerer Zukunft nicht digital automatisiert werden können. Menschliche Kreativität wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht von künstlicher Intelligenz ersetzt. Wir verstehen ja nicht einmal selbst, wie das mit der Kreativität funktioniert. Kluge, kreative Problemlöser werden es richtig gut haben in der Zukunft. Selbst im Bereich werblicher Kreativität wird es genügend zu tun geben. Wir merken ja schon jetzt, dass blankes programmiertes Effizienzgebolze langfristig der Marke schadet. Mag sich zwar alles etwas schwammig anhören – aber ich sehe das größte Potenzial wirklich in den Bereichen, in denen am meisten Mehrwert geschaffen wird. Vielleicht wird es sogar irgendwann so weit sein, dass Kunden sich für größere und anspruchsvolle Projekte global vernetzte Teams zusammenstellen. Nomaden ziehen nicht nur von A nach B und freuen sich über die Palmen. Sie ziehen immer weiter – von Oase zu Oase, von Projekt zu Projekt.

t3n: Vorletzte Frage: Was würdest du persönlich jemanden raten, der mit dem Gedanken spielt, ein digitaler Nomade zu werden?

Da pflege ich gern einen Freund zu zitieren, Axel Quack, der sich viel mit diesen Themen auseinandersetzt und die Idee der „Nation as a Service“ hatte. Kurz gesagt: Heute ergibt es wenig Sinn, sich in irgendeiner Weise an sein Heimatland gebunden zu fühlen. Im Gegenteil – für jeden Lebensbereich gibt es ein Land, das für eben diesen Bereich sehr gut geeignet ist. Warum soll deine Firma in Deutschland angesiedelt sein, wenn du woanders weniger Steine in den Weg gelegt bekommst? Warum muss dein Konto in Wanne-Eickel liegen, wenn du woanders noch Zinsen dafür bekommen kannst? Warum in München mit 300 anderen um eine Zwei-Zimmer-Wohnung kämpfen, wenn du wo anders für einen Bruchteil des Geldes mit Handkuss ins Landhaus gebeten wirst? Wie gesagt – es geht nicht um Palmenstrände oder um Kolonialisten-Träume. Es ist einfach klug, wenn man sich nicht an eine Nation gebunden fühlt, sondern an den Planeten, wenn man das Spielfeld nicht unnötig verkleinert, sondern der globalisierten Welt auch ein globalisiertes Ich zur Seite stellt. Das bedeutet ja nicht, dass man seine Heimat verliert. Ich bin mir meiner Herkunft heute bewusster als in den Jahren vor dem Nomadentum.

t3n: Letzte Frage: Wo zieht es dich als nächstes hin beziehungsweise wo würdest du gerne als nächstes hingehen, sofern du nicht in Tiflis bleibst?

Tiflis wird sicher noch eine ganze Weile aktuell bleiben. So stark ist meine Wanderlust nicht ausgeprägt, dass ich nach ein, zwei Jahren schon nervös werde. Aber wenn nichts Unerwartetes passiert, habe ich sicher noch gut zehn Jahre voller spannender Projekte vor mir. Ich habe so gar keine Ahnung, wie ich die füllen werde. Ich weiß, dass ich auch in Zukunft meine Erfahrung und meine Kenntnisse einsetzen will, um Unternehmern mit spannenden Visionen dabei zu helfen, die zu realisieren. Das ist eigentlich die einzige Konstante. Allenfalls weite ich noch meine Lehrtätigkeiten aus – ich habe immer schon große Freude daran gehabt, an Universitäten zu arbeiten. Aber wenn ich das mal allein davon abhängig machen würde, wo ich gerne einmal leben würde, dann wäre etwas mit Meer vor der Nase schon sehr schön. Ich bin halt an der Ostsee aufgewachsen. Das mag zwar kein Ozean sein, aber es prägt einen schon. Ansonsten gehe ich dahin, wo man schätzt, was ich einzubringen in der Lage bin.

t3n: Danke für das Gespräch – und bis eventuell bald mal in Georgien, wer weiß? Cheers.

Du hast Lust, mehr über das Leben als digitaler Nomade zu erfahren? Kein Problem, bei Rob’n’Roll around the World liest du mehr!

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