Google will langfristig Tracking-Cookies im Chrome-Browser blockieren. Das soll dem Schutz der Privatsphäre dienen. Gleichzeitig hat der Internet-Werbegigant aber natürlich ein gesundes Interesse daran, auch weiterhin zielgerichtete Werbung auszuspielen. Um beides unter einen Hut zu bringen, hat Google unter der Bezeichnung Privacy Sandbox eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt. Die wiederum kamen bei Datenschützern nicht gut an. Google reagierte und stampfte einen der Vorschläge ein und ersetzte ihn durch einen neuen – aber auch der wird kritisiert.
Der neue Vorschlag nennt sich Turtledove (Two Uncorrelated Requests, Then Locally-Executed Decision On Victory) und soll Pigin (Private Interest Groups, Including Noise) ersetzen. Letzterer wurde laut des für den Vorschlag zuständigen Chrome-Entwicklers, Michael Kleber, nach Kritik durch die Advertising Business Group und die Privacy Interest Group in der Web-Standard-Organisation W3C zurückgezogen. Turtledove und Pigin basieren jedoch auf demselben Prinzip: Unternehmen können Internet-Nutzer in verschiedene Zielgruppen einteilen, diese Daten werden jedoch im Browser gespeichert.
Der Turtledove-Vorschlag sieht vor, dass Werbenetzwerke zu der im Browser gespeicherten Zielgruppe passende Anzeigen ausspielen, ohne weitere Informationen über den Empfänger zu erhalten. Dazu werden die Zielgruppendaten sowie Informationen zum Seitenkontext an das Werbenetzwerk gesendet. Ob am Ende dann eine kontextabhängige oder zielgerichtete Anzeige gezeigt wird, entscheidet wiederum möglicherweise ein Bidding-Skript, das ebenfalls im Browser ausgeführt wird.
Googles Turtledove-Vorschlag: Marketer und Browser-Entwickler üben Kritik
Das wiederum hält Myles Younger, der Marketingchef des Medienberatungsunternehmen Mightyhive, für fragwürdig. „Wie viel Speicherplatz und CPU-Zyklen würde all dies erfordern?“, fragt Younger auf Twitter und fügt hinzu: „Stell dir vor, die gesammelte Maschinerie der Werbetechnik zu nehmen und sie auf deinen eigenen Rechner zu packen. Das bedeutet, dass du (der Benutzer) jetzt deinen Speicherplatz und deine CPU-Zyklen nutzt, um der Werbeindustrie zu helfen.“
Kleber verteidigt die Ausführung der Skripte im Browser auf Twitter und weißt darauf hin, dass Werbeskripte ja auch heute schon im Browser ausgeführt werden. Der Turtledove-Vorschlag stelle jedoch eine Verbesserung dar. „Das JavaScript, das an der Auswahl der Anzeige auf dem Gerät beteiligt ist, darf die umgebende Seite oder das Netzwerk nicht berühren, es kann nur den Angebotspreis für die mitgelieferte Anzeige festlegen. Das ist viel besser, als alle Daten an einen Server zu senden“, so Kleber. Außerdem würde der Browser bei Turtledove endlich genau wissen, welche Skripte und Daten von Anzeigen stammen und welche nicht. Und das sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Peter Snyder, Datenschutzexperte beim Brave-Browser, hält den Turtledove-Vorschlag grundsätzlich für interessant. Aber auch er sieht einige Probleme. Die Ausführung von JavaScript durch den Werbetreibenden im Browser könnte verschiedene Probleme mit sich bringen. Außerdem ist er nicht überzeugt, dass der Google-Vorschlag wirklich sicherstellen kann, dass eine eindeutige Identifikation vermieden wird.
John Wilander, der bei Apples Safari-Browser für den Tracking-Schutz zuständig ist, sieht Googles Vorschlag ebenfalls skeptisch. Er glaubt, dass Nutzerinnen und Nutzer selbst festlegen sollten, welche Interessen sie haben. „Das Problem ist, dass dieselbe Technologie Blasen für Impfgegner, Frauenhasser, Extremisten, Verschwörungstheorien, gefälschte Nachrichten und so weiter produziert. Wenn wir erlauben, oder noch schlimmer: es standardisieren, dass Werbetechnik beliebige Zeichenfolgen in die Browser der Leute schieben und dann das gezielte Ansprechen dieser Zeichenfolgen über die Website hinweg erlauben, sind wir wieder da, wo wir angefangen haben.“