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Analyse

Griechisches Vorbild: Wäre eine 6‑Tage-Woche in Deutschland möglich? Das sagt ein Experte

In Griechenland gibt es statt fünf oder vier Arbeitstagen pro Woche nun die 6‑Tage-Woche. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist von der Idee angetan. Aber ist das Modell in Deutschland überhaupt umsetzbar?

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Markus Söder wünscht sich ein Modell wie in Griechenland: acht Stunden pro Tag arbeiten, sechs Tage pro Woche. Ist das überhaupt legal? (Foto: fizkes/Shutterstock)

Während in vielen Ländern die 4‑Tage-Woche besprochen wird, reagiert die griechische Regierung mit sechs Arbeitstagen pro Woche. So soll es jetzt ohne große Hürden für Arbeitnehmer:innen möglich sein, auch sechs Tage pro Woche zu arbeiten. Dafür gibt es sogar Extrageld. Samstags erhalten Arbeitnehmer:innen 40 Prozent mehr Lohn – an Sonn- und Feiertagen sogar 115 Prozent mehr. Wer Vollzeit arbeitet, darf zusätzlich auch einen Nebenjob mit maximal fünf Arbeitsstunden pro Tag annehmen. Damit will das Land auf den Fachkräftemangel reagieren.

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Während in Griechenland Gewerkschaften die 6‑Tage-Woche kritisieren, hält Markus Söder die Idee für ein passendes Modell auch für Deutschland. „In Griechenland gibt es jetzt zum Beispiel eine 6‑Tage-Woche, bei uns wird über eine 4‑Tage-Woche diskutiert. So werden wir den Rückstand nicht aufholen. Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber mehr Arbeit muss sich dann auch lohnen“, sagt der bayerische Ministerpräsident der Bild am Sonntag. Doch wäre eine 6‑Tage-Woche realistisch? Und ist Söders Aussage überhaupt korrekt?

Das sagt das Gesetz

Die Überraschung: Laut Rechtsanwalt Martin Nebeling wäre eine 6‑Tage-Woche auch in Deutschland rechtlich zumindest möglich. Doch ganz so wie in Griechenland wäre die Situation nicht: So dürfte beispielsweise nicht an einem Sonntag gearbeitet werden. Auch die Maximalarbeitszeit von zehn Stunden pro Tag kann nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Und die Ruhezeiten von elf Stunden müssen bei einer 6‑Tage-Woche eingehalten werden.

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Dennoch ist das Modell für Deutschland nicht völlig realistisch. Denn besonders die Tarifverträge stehen laut Nebeling der 6‑Tage-Woche im Weg.

So darf laut dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst die Arbeitszeit im Regelfall auf fünf Tage je Woche verteilt werden. Eine 6‑Tage-Woche ist nur aus „notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen“ möglich.

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Würde eine CDU/CSU-Regierung die Regelarbeitszeit auf sechs Tage ändern, könnten Tarifvertragsregelungen, die von einer 5‑Tage-Woche ausgehen, unwirksam werden. Das wäre jedoch nur der Fall, wenn die Tarifparteien von dieser Regelung nicht abweichen dürften. Doch auch in dem Fall würden die Tarifverträge nicht insgesamt unwirksam werden, so der Anwalt.

Auch laut EU-Gesetzen ist das Modell in Griechenland vollkommen legal. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie steht einer 6‑Tage-Woche nicht entgegen. Hier darf lediglich pro Siebentagezeitraum die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten – also nicht mehr als acht Stunden pro Tag. Die 48 Stunden dürften jedoch auf sechs Tage pro Woche verteilt werden. Gegenüber der FAZ betont das griechische Arbeitsministerium, dass das EU-Gesetz durch die 6‑Tage-Woche eingehalten wird.

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Ergibt eine 6‑Tage-Woche Sinn?

Söder suggeriert, die 6‑Tage-Woche würde Deutschland wirtschaftlich helfen: „Unser Land braucht jetzt einen wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag.“ Aber stimmt das? Schon 2022 lag Griechenland im EU-Vergleich auf dem ersten Platz bei der durchschnittlichen Arbeitszeit. Durchschnittlich 42,8 Stunden arbeiten griechische Vollzeitbeschäftigte. Deutschland liegt mit durchschnittlich 40,5 Stunden genau im EU-Durchschnitt. Erst in der Gesamtrechnung sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit durch die vielen Menschen, die in Deutschland nur Teilzeit beschäftigt sind.

Und die Mehrarbeit scheint zu helfen. Das Magazin The Economist kürte Griechenland 2022 und 2023 zur besten Wirtschaft des Jahres. Trotzdem hat das Land immer noch mit den Folgen der Finanzkrise vor über zehn Jahren zu kämpfen. Und viel wichtiger: Nur wer mehr arbeitet, muss nicht gleich mehr leisten. So zeigt ein weiterer EU-Vergleich, dass Griechenland mit einem Wert von 70,1 eines der unproduktivsten Länder der EU ist. Berechnet wird die Zahl, indem der BIP auf eine einzelne Arbeitskraft heruntergerechnet wird. Deutschland liegt mit 101,6 leicht über dem EU-Durchschnitt, der bei genau 100 liegt. Arbeitszeit allein ist also kein direkter Indikator für wirtschaftlichen Erfolg. Dennoch beeinflussen sich die beiden Faktoren gegenseitig – und zwar nicht so, wie Markus Söder es gern hätte.

Eine niederländische Studie hat beispielsweise die Produktivität von Menschen in Callcentern je nach Stundenzahl untersucht. Das Ergebnis: Bei einer Erhöhung der effektiven Arbeitszeit um 1 Prozent steigt der Output um 0,9 Prozent. Den nicht gleichbleibende Anstieg führen die Forscher:innen auf Ermüdung zurück. Doch die Ermüdung setzt schon früh ein: In der Stichprobe arbeiten die Menschen in Callcentern durchschnittlich 4,6 Stunden pro Tag. Die Studie lässt vermuten, dass die Produktivität sinkt, wenn sich Menschen überarbeiten. Dadurch wäre das griechische Modell sogar schädlich.

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Und auch die vorhandenen Studien zur 4‑Tage-Woche beschäftigen sich mit der Produktivität. Bei einem Versuch in Großbritannien blieb die Produktivität trotz verkürzter Arbeitszeit gleich. Und auch in Island lautete das Ergebnis: „Die Produktivität und das Dienstleistungsangebot blieben in den meisten Versuchsbetrieben gleich oder verbesserten sich.“

Auch in Deutschland testen momentan 50 Unternehmen die 4‑Tage-Woche. Die Ergebnisse sollen im Oktober vorliegen.

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