Gute Ernährung, schlechte Ernährung: Yazio-Gründer erklärt, warum Kalorien-Tracking so beliebt ist

Passend zur WWDC hat Apple auch in diesem Jahr einige Entwickler ausgewählt, deren Apps dem Unternehmen besonders positiv aufgefallen sind. Aus Deutschland ist unter anderem Yazio dabei. „Der App Store als Plattform ermöglicht es uns, weltweit allen Menschen eine einmalige Funktionsvielfalt zu bieten, um durch die richtige Ernährung und ausreichend Bewegung eine gesunde Lebensweise zu gewährleisten“, freut sich Sebastian Weber, CEO von Yazio, über die Anerkennung. Die App, die in vielen Ländern klarer Marktführer im Bereich „Ernährung“ und breiter gefasst teilweise sogar in „Health and Fitness“ ist, bietet eine Übersicht über alle Nährwerte, einen Schrittzähler sowie in der Pro-Version zahlreiche Ernährungspläne und Rezepte. Eigenen Angaben zufolge haben seit der Gründung 2011 bereits über zehn Millionen Nutzern auf diese Weise erfolgreich ihre Ziele erreicht. Im Gespräch erklärt Geschäftsführer Florian Weißenstein, was das Besondere an Yazio ist und warum die Nutzer keinen Missbrauch ihrer Daten durch Krankenkassen zu befürchten haben.
t3n: Florian, was ist das Besondere, das euch von der Konkurrenz unterscheidet?
Florian Weißenstein: Wir sind der Meinung, dass wir gar nicht so viel besonders machen. Viele App-Entwickler versprechen im Ernährungs- und Fitness-Bereich Dinge, die sie nicht oder nur bedingt halten können – und sowas machen wir einfach nicht. Wir bieten stattdessen ein Produkt, das für viele Menschen funktioniert. Unsere App ist simpel aufgebaut und hat verschiedene Funktionen wie den Kalorientracker, ein Ernährungstagebuch oder die Möglichkeit, Intervallfasten zu betreiben. Dadurch können wir den Menschen dabei helfen, ihre Ziele zu erreichen und ich denke, das ist der ausschlaggebende Grund, durch den unsere Marktführerschaft zustande kommt.
t3n: Konntet ihr während der Coronakrise ein ansteigendes Interesse für das Thema Ernährung verzeichnen?
Spannenderweise mussten wir mit dem Eintreten des Lockdowns sogar ein vermindertes Interesse feststellen. Als Grund dafür vermuten wir, dass die Menschen durch die Maßnahmen aus ihrem Alltag herausgerissen wurden und deshalb erst neue Gewohnheiten etablieren mussten. Es hat zwei bis drei Wochen gedauert, bis wir zurück auf dem gewohnten Nutzungsniveau waren, seitdem ging es aber stetig bergauf. Warum das so ist, können wir natürlich nicht belegen, aber wir vermuten, dass die Menschen derzeit ein gesteigertes Interesse daran haben, ihre Ernährung im Blick zu behalten, weil sie sich generell weniger bewegen. Der Gang ins Büro fehlte lange Zeit oder fehlt teilweise immer noch, Fitnessstudios waren geschlossen und Sportkurse jeglicher Art fielen aus. Viele haben schnell bemerkt, dass sich das in zusätzlichen Kilos auf der Waage niederschlägt.
t3n: Warum herrscht deiner Meinung nach – unabhängig von Corona – so ein Hype um die „Quantified Self“-Bewegung, also der regelmäßigen Messung und Analyse von persönlichen Körperdaten?
Ich glaube, Menschen sind bestrebt, sich immer weiter zu verbessern – in welcher Form auch immer. „Quantified Self“-Apps bieten hier nicht nur die Möglichkeit, die Körperdaten zu tracken, sondern simpel, schnell und automatisch Feedback zu bekommen. Am Beispiel von Yazio kann man sich das so vorstellen: Wenn man sein Ernährungstagebuch führt, erhält man direktes Feedback, welche Lebensmittel vielleicht nicht zu den beschlossenen Vorsätzen passen. Für Menschen, die sich damit vorher nie beschäftigt haben, ist das wirklich augenöffnend. Ich denke, in diesem direkten Feedback liegt die Quintessenz, warum das Thema so interessant ist.
t3n: Kooperiert ihr auch mit Krankenkassen beziehungsweise besteht für eure Nutzer die Möglichkeit, sich die Kosten für die Pro-Version von Yazio erstatten zu lassen?
Derzeit nicht. Wir waren schon öfter mit Krankenkassen im Gespräch, haben aufgrund mangelnden Interesses letztlich aber nie zusammenfinden können, was ich sehr schade finde. Wir bemerken aber auch, dass die Akzeptanz gegenüber digitalen Angeboten stetig wächst. Daran tragen die Bemühungen der Bundesregierung einen wesentlichen Anteil. Nutzern, der mit dieser Frage auf uns zukommen, raten wir deshalb, direkt bei der Krankenkasse nachzufragen. Aus Erfahrung wissen wir, dass einige sehr entgegenkommend sind und den Beitrag dann auch problemlos anteilig erstatten.
t3n: Seht ihr Missbrauchspotenzial der personenbezogenen Daten, die ihr durch eure App erhebt? Könnten Krankenkassen nicht beispielsweise langfristig auf die Idee kommen, die Beitragshöhe daran anzupassen, wie gut oder schlecht sich ein Nutzer ernährt?
Das könnten sie auf jeden Fall, das stimmt. Aber wir würden so etwas auf gar keinen Fall unterstützen. Wir sind, was das betrifft, vollkommen unabhängig, und haben kein Interesse daran, personenbezogene Daten herausgeben. Der Umsatz, den wir erzielen, stammt zu 100 Prozent aus den Nutzerbeiträgen unserer Pro-Version und nicht aus dem Verkauf von Daten – und das wird auch niemals der Fall sein.
t3n: Ein stärkeres Bewusstsein für die eigene Ernährung ist das eine. Aber kann so viel Selbstkontrolle auch negative Auswirkungen haben?
Definitiv, das ist gar keine Frage. Wir sagen immer, dass Yazio als temporäres Produkt konzipiert wurde. Setzt sich ein Nutzer beispielsweise das Ziel, 50 oder 60 Kilo abzunehmen, wird er Yazio mehrere Monate intensiv nutzen müssen, um voranzukommen. Es gibt aber auch andere, die bereits sehr sensibilisiert im Hinblick auf ihre Ernährung sind, aber vielleicht kurzfristig eine Fastenzeit einlegen und diese per Smartphone kontrollieren möchten. Die Ausprägungen sind ganz unterschiedlich, aber bisher haben wir keinerlei negatives Feedback bekommen.
t3n: Empfehlt ihr generell jedem, durch das Zählen von Kalorien etwas für die eigene Gesundheit zu tun? Oder gibt es Ausnahmen?
Wir sehen bei uns drei Anwender- und Nutzergruppen: Das sind einerseits ganz klar diejenigen, deren Ziel darin besteht, abzunehmen oder andererseits Muskulatur aufzubauen. Aber Yazio wird auch von Menschen genutzt, die weder das eine noch das andere konkret anstreben, sondern einfach sensibilisierter mit ihrer Ernährung umgehen wollen. Wir wissen, unser Produkt funktioniert für sehr, sehr viele Menschen, aber sicher nicht für jeden. Was wir jedem empfehlen, der über eine Nutzung unserer App nachdenkt, ist, sich Funktionen erst einmal anzuschauen. Die User müssen selbst entscheiden, ob sie damit ein gutes Gefühl haben. Ob es am Ende das Zählen von Kalorien ist, das jedem weiterhilft, sei dahin gestellt. Es kommt ebenso vor, dass jemand einfach nur unsere Ernährungspläne nutzt und dadurch zu einem bewussteren Lebensmittelkonsum beitragen will.
t3n: Arbeiten bei Yazio nur schlanke und top-durchtrainierte Menschen?
Natürlich nicht [lacht]. Aber ich glaube, dass das Arbeiten bei uns automatisch dazu führt, dass man sich stärker mit seiner eigenen Ernährung auseinandersetzt und zwangsläufig abnimmt. Vor einem knappen Jahr haben wir einen neuen Entwickler in unser Team geholt und er hat mit unserem Produkt bereits zehn, zwölf Kilo abgenommen. Das ist ein gutes Beispiel.
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