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Hatespeech auf Linkedin: Was ist los im Berufs-Netzwerk?

Das Karriere-Netzwerk Linkedin verzeichnet nicht nur steigende Nutzerzahlen, auch Postings, die Hassbotschaften enthalten, nehmen zu. Unternimmt die Plattform genug dagegen – und wie kann die Community gegen Hass vorgehen?

6 Min. Lesezeit
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Hatespeech ist auf Linkedin keine Seltenheit mehr. (Foto: Worawee Meepian/ Shutterstock)

Es ist November 2021, als Johannes Ceh beschließt, Linkedin den Rücken zu kehren. Auf Twitter verkündet der 44-Jährige, seinen Account im Berufsnetzwerk „auf Eis zu legen“, Rückkehr nicht absehbar. Er will ein Zeichen setzen.

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Der Hintergrund: Ceh empfindet den Umgang der Plattform mit Hassrede und Fake News als vollkommen unzureichend. „Linkedin ist was die Security angeht leider sehr in den Kinderschuhen. Bei Facebook wird ja im Vergleich seit vielen Jahren an dem Thema gearbeitet. Auf Linkedin sind diese Herausforderungen recht jung“.

Mittlerweile ist Ceh zurück auf der Plattform, die Problematik, gegen die er dort kämpfen will, besteht allerdings weiter. Es geht um Morddrohungen, Antisemitismus, Verschwörungstheorien; Inhalte, die Plattformen wie Facebook und Twitter schon längst als traurige Realität bekannt sind.

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Business-Netzwerk Linkedin: Kein Platz für „hasserfüllte, belästigende oder rassistische Inhalte“?

Formal gibt es dabei einen Unterschied zwischen Linkedin und anderen Social-Media-Anbietern. Linkedin fällt als reine Business-Plattform rechtlich nicht unter das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Betreiber unter anderem dazu verpflichtet, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu entfernen. In der Realität wirke sich diese Unterscheidung allerdings nicht großartig aus, so der Eindruck von Leonhardt Träumer, Gründer der Hatespeech-Meldestelle Hassmelden – weil das NetzDG auch von darunterfallenden Betreibern nur unzureichend umgesetzt würde.

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In seinen Community-Richtlinien beschreibt Linkedin ausführlich, welche Beiträge im Netzwerk nicht erwünscht sind. Die Plattform soll keinen Platz für „hasserfüllte, belästigende oder rassistische Inhalte“ bieten, heißt es vom Unternehmen dementsprechend auch auf Nachfrage von t3n. Gerade weil man ein professionelles Karrierenetzwerk sei, hätten die Nutzer:innen besonders hohe Ansprüche „was konstruktive und respektvolle Inhalte anbelangt“. „Deshalb konzentrieren wir uns weiterhin darauf, wie wir unsere Mitglieder und unsere Plattform bestmöglich schützen können“. Hinter dieser Aufgabe stünden beispielsweise das Trust & Safety Team, der Kundensupport und die Redaktion von Linkedin.

Wie gut die Umsetzung dieser Vorsätze allerdings funktioniert, daran scheiden sich die Geister nun.

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Linkedin: Hass und Missinformation auf der Plattform nehmen zu

Ceh selbst ist 2019 das erste Mal auf Content gestoßen, der so gar nicht in ein Karrierenetzwerk zu passen scheint. „Ich bin reingestolpert in dieses Thema, unangenehmerweise. Weil mich so ein Antisemit angepitched hat.“

Bei einem Vernetzungstreffen habe damals ein junger Mann antisemitische Theorien aufgebracht, von einer „New World Order“ gesprochen. Weil er nicht nur krude Ansätze verfolgte, sondern damit auch sehr aufdringlich wurde, hätten ihn die ersten Beteiligten gemeldet, blockiert, sogar angezeigt. „Das hat dann dazu geführt, dass der aufgedreht ist“. Es folgt, so Ceh, „die absolute Hardcore-Tour“. Massive Drohungen mit explizitem Wortlaut, die von verschiedenen Konten über Wochen verschickt werden, der junge Mann sei auch abseits der Plattform in der Realität auf Konfrontationskurs gegangen.

Im Zuge der Ereignisse folgt natürlich auch ein Austausch mit den Plattformbetreibern, als Betroffener fühlt sich Ceh dort allerdings nicht gehört. „Du bist der Vollidiot, wenn’s dich erwischt“. Das Unternehmen sage bis heute, die Bedrohungen „hätten nicht stattgefunden, sie könnten es in ihren Daten nicht nachvollziehen“, so Ceh. Linkedin antwortet auf Anfrage von t3n, dass ein konkretes Statement zum Fall aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei.

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Dass bei Linkedin allerdings allgemein nicht nur die Userzahlen, sondern auch die problematischen Inhalte zunehmen, zeigt beispielsweise der Transparency-Report des Unternehmens. Angaben, wie viele Beiträge tatsächlich gemeldet wurden, gibt es im Bericht zwar nicht, er stellt aber halbjährlich die Zahl und Art der von Linkedin entfernten Beiträge dar.

Ein Beispiel: Während Linkedin von Juli bis Dezember 2019 nach eigenen Angaben 15.635 Beiträge entfernt hat, die unter „Belästigung“ fielen, waren es im gleichen Zeitraum ein Jahr später 157.108. Die Messskala des zugehörigen Diagramms zählte im Jahr 2019 noch in 4.000er-Schritten, mittlerweile sind es 50.000er-Schritte. Und während Desinformation 2019 noch nicht einmal im Ranking vorkam, belegten entsprechende Postings in den beiden Halbjahren des ersten Corona-Jahres die obersten Plätze.

Linkedin ist bei weitem nicht der größte Platz für Hassbotschaften im Netz: Bei Hassmelden seien im November 2021 beispielsweise insgesamt 40.000 Meldungen von verschiedensten Plattformen eingegangen, schildert Leonhardt Träumer, 1.573 davon beziehen sich auf Linkedin. Ein zunehmendes Problem sind die Inhalte auf der Plattform aber allemal.

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Linkedins Umgang mit Hatespeech und Fake News

„In unserer sich momentan sehr stark wandelnden, Welt sprechen Menschen verstärkt über sensible Themen auf Linkedin und es ist wichtig, dass diese Gespräche konstruktiv und respektvoll bleiben“, heißt es vom Unternehmen.

Johannes Ceh hat mit den Linkedin-Nutzer:innen Bekanntschaft gemacht, deren Beiträge so gar nicht konstruktiv und respektvoll sind. Es gibt dort einen harten Kern an Populisten, Trollen und Hatern, der nur ein einziges Ziel hat: Schaden anzurichten“. Dadurch, dass die Fake News und Hass-Inhalte in einem Businessnetzwerk eingebracht würden, wolle man „Radikale salonfähig“ machen. „Das ist extrem gefährlich“.

Der 44-Jährige kritisiert, Linkedin würde bei der Bearbeitung gemeldeter Beiträge zu wenig auf menschliche Arbeitskräfte setzten, das Unternehmen arbeite mit einem Algorithmus, der vorwiegend auf englischsprachiger Basis trainiert sei. Dadurch würden zwar auch im Deutschen kritische Wörter teilweise gefiltert, „aber er erkennt nicht die Nazisprache, die die ganzen Querdenker […] verwenden“. So würden gemeldete Inhalte teilweise durchs Raster fallen. Ceh beruft sich auf eine interne Quelle, wenn er sagt, Linkedin habe für den deutschsprachigen Bereich kaum menschliche Kapazitäten, die sich tatsächlich mit gemeldeten Inhalten auseinandersetzen würden – und das auch nur dann, wenn Postings besonders auffällig wären, beispielsweise durch Mehrfach-Meldung.

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Die Microsoft-Tochter widerspricht: „Wir haben kontinuierlich wachsende dedizierte regionale Teams – darunter auch deutschsprachige – und starke technische Maßnahmen, um Inhalte zu identifizieren, die gegen unsere Nutzungsbedingungen und unsere Community Richtlinien verstoßen.“ Man investiere fortlaufend in „menschliche Überprüfung und automatisierte Maßnahmen, die sprachliche und kulturelle Nuancen erfassen können“.

Konkrete Zahlen zur Teamstärke werden allerdings nicht öffentlich gemacht.

Hassrede und Falschinformationen im Business-Netzwerk: Das können Betroffene und „digitale Passanten“ tun

Linkedin empfiehlt Nutzer:innen, als „unangemessen“ empfundene Beiträge „direkt über das Drei-Punkte-Menü […] in der oberen rechten Ecke eines Beitrags oder Profils zu melden, damit wir die Inhalte überprüfen und entsprechende Maßnahmen ergreifen können“. Eine Zusammenarbeit mit entsprechenden Anlaufstellen gebe es nicht, man wolle den Nutzer:innen aber durch proaktive Kampagnen zeigen, wie sie ihren Feed und ihre Konversationen kontrollieren können.

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Hassmelden-Gründer Träumer hat zur Bekämpfung von Hass im Netz vor allem eine Strategie, zu der er rät: Anzeige erstatten. Die Meldung von Inhalten an Plattformbetreiber würde häufig eher wenig bewegen, sie mache die Problematik im Zweifel aber zumindest in der Statistik sichtbar. Strafrechtliche Verfolgung, die aktuell aber noch von den Betroffenen angestoßen werden muss, nehme den Täterinnen und Tätern am ehesten das Gefühl, „dass das Internet rechtsfreier Raum ist“.

Er appelliert auch an Beobachter:innen, denen entsprechende Inhalte auffallen, aktiv vorzugehen: „Es liegt auch an den digitalen Passanten.“

Die will auch Johannes Ceh einbeziehen, der sich seit seiner eigenen Erfahrung gemeinsam mit anderen engagiert und Betroffenen hilft, Hass auf der Plattform weiter zu verfolgen. Verläuft das Melden eines Beitrags erfolglos, rät er bezogen auf Linkedin, Linkedin Help zu kontaktieren. Neben Hassmelden führt er außerdem die Beratung von Hateaid als Externe Anlaufstelle an, „die haben mir bei meinem Fall auch sehr viel geholfen“. Die Organisation sei auch bei Dynamiken wie Shitstorms versiert und könne beispielsweise bezüglich Anzeigen oder beruflicher Bedenken weiterhelfen.

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„Diese Beratungen sind absolut Gold wert“, sagt Ceh – doch ihre Kapazitäten seien beschränkt. Dementsprechend appelliert auch er an die Community, Betroffene auf der Plattform anzusprechen, ihnen Telefonseelsorge und Beratungsstellen zu empfehlen und das Gefühl zu vermitteln „Du bist nicht alleine“.

Das Gefühl, dass er nicht alleine ist, hat auch ihn wieder zurück auf die Plattform gebracht. Er habe auf sein Engagement positive Rückmeldungen erhalten, wolle nun auch wieder auf Linkedin vorleben, dass man an Lösungen arbeiten könne. Dabei soll im Laufe des Jahres auch eine Vereinsgründung helfen. Ceh will sein Engagement gemeinsam mit Mitstreiter:innen weiter ausbauen.

Denn: Hassbotschaften im Netz, „das sind nicht nur Posts“.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 16. Februar 2022 aktualisiert. 

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