Vom Tintenfisch inspiriert: Diese Hafttechnologie meistert selbst widrigste Oberflächen

Eine neue Hafttechnologie hat sich eine der stärksten Saugvorrichtungen der Natur zum Vorbild genommen: die Saugnäpfe an den Tentakeln von Tintenfischen. Forscher von der Polytechnic Institute and State University (Virginia Tech) haben den starken Griff und das kontrollierte Loslassen eines Kraken nachgeahmt, um ein Werkzeug zu schaffen, mit dem sich eine Vielzahl von Objekten handhaben lässt. Dadurch ließen sich etwa Konstruktionen unter Wasser aufbauen oder Hilfshandschuhe besser nutzen.
Warum ein Saugnapf vom Tintenfisch so gut haftet
An einem Krakenarm weist jeder Saugnapf eine trichterförmige, biegsame Gewebeformation namens Infundibulum auf. Durch die einzigartige, weiche Krümmung haftet der Saugnapf schnell an einer Vielzahl von Oberflächen, darunter an gekrümmten, rauen und sogar Unterwasser-Objekten. Doch das ist noch nicht alles: Er löst sich auch genauso leicht wieder ab.
Wie die Wissenschaftler um Michael Bartlett im Fachjournal Advanced Science schreiben, kombinierten sie zum Nachbilden dieser Fähigkeiten einen gekrümmten Gummistiel mit einer haftfähigen Membran auf Silikonbasis, die durch Erhöhen oder Verringern des Gasdrucks im Inneren des Stiels gesteuert wird. Ließen sie Luft aus dem Stiel ab, saugte sich die Membran an Objekten fest und ermöglichte so, sie anzuheben. Ließen sie wieder kontrolliert Luft in den Stiel, gab dieses „Einatmen“ die Objekte wieder frei.

Die Konstruktion mit Gummistiel und Silikonbasis als Haftmembran. (Foto: Bartlett et al.)
Stein unter Wasser stapeln: Aufgabe mit der neuen Konstruktion
„Mit dem gebogenen Stiel können wir Kontakt mit schwierigen Oberflächen herstellen, und mit der Membran, mit der wir die Saugkraft ein- und ausschalten, eine Vielzahl von Objekten manipulieren“, sagt Bartlett. Mit seinen Kollegen testete er den Sog der Konstruktion unter Wasser an rauen, komplexen Objekten wie Muscheln und Felsen und errichtete aus ihnen Steintürme, so genannte Cairns. Diese Aufgabe lässt sich bisher oft nur von Hand erledigen. Bei den Experimenten wurde auch ein Felsstück eine Woche lang in der Schwebe gehalten, bevor er gezielt losgelassen wurde, um die Stabilität der Saugvorrichtung zu testen. „Diese Tests erforderten eine hohe Ablösepräzision, und die Fähigkeit, dies immer wieder zu tun, war das, was wir wollten“, sagt Bartlett.
„Schaltbare Haftstoffe sind der heilige Gral der Adhäsionstechnologien“, sagt Andrew Croll, von der North Dakota State University, der sich als Physiker auf Polymerphysik spezialisiert hat. Es gibt zwar Klebstoffe, die unter Wasser halten, aber ohne die gleiche direkte Kontrolle. Klebefolien müssen zum Beispiel manuell aufgeklebt und wieder abgezogen werden. Andere Werkzeuge bieten den gleichen „Festhalten und Loslassen“-Ansatz wie der neue Sauger, funktionieren aber nur auf glatten, flachen Oberflächen.
Wo die Hafttechnologie nützlich sein könnte
Bartletts Team glaubt, dass ihr Projekt besonders in Meeresumgebungen nützlich sein wird. Ein Unterwasserschweißer könnte die Saugtechnik nutzen, um zu verhindern, dass er bei der Reparatur eines Schiffes wegtreibt. Aber das Werkzeug ist auch außerhalb des Wassers nützlich. Ein Arzt könnte den Sauger verwenden, um während einer Operation vorübergehend Gewebe an seinem Platz zu halten. Oder es könnte in Hilfsmittel eingebaut werden, sodass jemand fast jeden Haushaltsgegenstand manipulieren kann, ohne sich Gedanken über Feuchtigkeit oder die Form des Gegenstands machen zu müssen.
„Wir sind sehr gespannt auf die Zukunft, wie es den Menschen helfen könnte, vor allem wenn sie Unterstützung bei verschiedenen alltäglichen Aufgaben benötigen“, sagt Bartlett. Die Saugtechnik des Teams ist noch nicht ganz alltagstauglich. Laut Croll wäre sie wahrscheinlich nützlicher, wenn sie schlanker und haltbarer wäre. Aber mit einem verbesserten Design könnte die neue Hafttechnik durchaus zu einem neuen Alltagswerkzeug in der Haushaltsschublade werden.