Helpling-Chef: „Das ist eine Verhinderungssteuer für legale Arbeit”
Sollten Plattformen Sozialabgaben zahlen? Öffentlichen Kassen wie die Unfallversicherung sprechen sich dafür aus. Sie argumentieren, dass die Plattformen als Auftraggeber auftreten und für die Selbstständigen entsprechende Beiträge abführen sollten. Benedikt Franke betreibt mit Helpling genau so eine Plattform: Sein Unternehmen vermittelt Reinigungskräfte und wäre von einer Abgabe direkt betroffen. Im Interview mit t3n.de erklärt er, warum Abgaben auch nichts ändern würden – und wieso das Sozialsystem Schwarzarbeit fördert.
„Die Selbstständigen sind nur Mittel zum Zweck“
t3n.de: Benedikt, die Unfallversicherung fordert eine Sozialabgabe von Plattformen wie Uber und Myhammer. Sie sollen für die Selbstständigen, die sie vermitteln, in die öffentlichen Kassen einzahlen. Auch Helpling wäre davon betroffen. Eine berechtigte Forderung?
Benedikt Franke: Nein. Interessant ist doch, dass die Forderung nicht von den Selbstständigen kommt, sondern von einer Versicherung. Zuvor hat die Rentenversicherung ähnliche Ansprüche angemeldet. Das Thema wird immer aus Sicht der Beitragssammler gespielt. Und meiner Meinung nach wollen sie mit ihrer Forderung nicht die Situation der Selbstständigen verbessern.
t3n.de: Sondern?
Benedikt Franke: Sie wollen mehr Beiträge kassieren. Ganz einfach. Die Selbstständigen sind dafür nur Mittel zum Zweck.
„Das Preisniveau für die Leistungen ist zu niedrig.“
t3n.de: Bisher ist es so, dass Selbstständige nicht verpflichtet sind, in solche Versicherungen einzutreten. Dadurch sind sie im Ernstfall nicht abgesichert, etwa im Alter. Das ist doch schon ein Problem, oder?
Benedikt Franke: Absolut. Aber die Lösung heißt nicht, dass die Plattformen Sozialabgaben abführen sollten. Das ist zu kurz gedacht. Nehmen wir das Beispiel der Rentenversicherung: Wenn ich als Selbstständiger weniger als 1.800 Euro brutto verdiene, dann läge mein Rentenanspruch unter der gesetzlichen Grundsicherung. Das Preisniveau für die Leistungen ist zu niedrig. Das ändert sich auch nicht durch die Einzahlung in die Rentenversicherung.
t3n.de: Es geht ja nicht nur um die Rentenversicherung, sondern auch um Themen wie die Krankenversicherung. Bisher müssen die Selbstständigen diese Zahlungen selbst abführen und den Arbeitgeberanteil mit übernehmen.
Benedikt Franke: Ja. Und den Krankenversicherungen ist die Problematik auch bewusst. Sie fordern am lautesten, dass die Beiträge für Selbstständige gesenkt werden müssen, weil sie riesige Außenstände haben, die sie wahrscheinlich nie werden eintreiben können. Wie soll auch eine freiberufliche Reinigungskraft, die 1.300 Euro brutto verdient, 500 Euro an Krankenversicherungsbeiträgen im Monat zahlen?
t3n.de: Das könnten doch Plattformen wie Helpling übernehmen. Ihr verdient ja Geld mit der Vermittlung von Dienstleistungen. Warum solltet ihr nicht eine entsprechende Abgabe zahlen wie auch andere Arbeitgeber?
Benedikt Franke: Weil wir kein Arbeitgeber sind. Helpling kann sich keine Arbeitgeberrechte herausnehmen, wir können keine Weisungen abgeben, keine Mindestverfügbarkeit verlangen oder ein Exklusivitätsversprechen einfordern. Jeder, der über unsere Plattform tätig ist, kann parallel auch für eine andere Reinigungsfirma oder einen anderen Dienst arbeiten. Wir stellen lediglich die Plattform zur Verfügung.
t3n.de: Manche argumentieren, dass Plattformen genau dadurch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen umgehen, weil ein freier Mitarbeiter günstiger ist als ein festangestellter. Was antwortest du darauf?
Benedikt Franke: Die Annahme hinter solchen Vorwürfen lautet: Die Personen, die über unsere Plattform Aufträge beziehen, wären festangestellt, wenn es uns nicht gäbe. Jetzt gibt es uns aber noch gar nicht so lange und die Zahl der Soloselbstständigen hat sich trotzdem seit zehn Jahren nicht fundamental erhöht. Wir Plattformen sind also kein Ersatz für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern wir bieten Selbstständigen eine zusätzliche Möglichkeit, mehr Auftraggeber zu finden. Es können sich zwar manche nicht vorstellen, aber viele Menschen suchen sich die Selbstständigkeit bewusst aus.
t3n.de: Wenn es nicht Sozialabgaben der Plattformen sind – was wäre dein Lösungsvorschlag?
Helpling-Chef: „Viele Menschen suchen sich die Selbstständigkeit bewusst aus“
Benedikt Franke: Ein Modell zu finden, das Selbstständige entlastet. Schauen wir mal nach Frankreich: Dort zahlen Selbstständige 23 Prozent für die Kranken- und Rentensicherung, die Umsatzsteuergrenze liegt bei 33.000 Euro. Die Grenzbelastungen sind für Freiberufler, die „Service à la personne“ – also Pflege, Kinderbetreuung, Reinigung – anbieten, deutlich geringer. Zusätzlich können diese Dienstleistungen in Frankreich zu 50 Prozent von der Steuer abgesetzt werden. Der Schwarzmarkt liegt bei unter 40 Prozent. In Deutschland sind es 85 Prozent.
t3n.de: Also fördert das derzeitige Sozialsystem hierzulande die Schwarzarbeit?
Benedikt Franke: Ja, das kann man nicht anders sagen. Ab einem Verdienst von 1.500 Euro brutto müssen Selbstständige 20 Prozent Umsatzsteuer abführen. Ich bezeichne das als „Verhinderungssteuer“ für legale Arbeit. Wer 35 Stunden die Woche hart arbeitet und dann noch 20 Prozent von einem ohnehin schon geringen Gehalt abführen muss, dem bleibt fast nichts. Mögliche Beiträge für die Krankenversicherung oder die Rentenversicherung und die normale Einkommenssteuer sind in dieser Kalkulation noch nicht einmal enthalten. Legal ist Selbstständigkeit nur für Menschen attraktiv, die die Selbstständigkeit im Nebenberuf ausüben oder richtig gut verdienen.
„Eine legale Tätigkeit muss attraktiver sein als Schwarzarbeit!“
t3n.de: Was heißt denn „richtig gut“?
Benedikt Franke: Richtig gut heißt, dass eine legale Tätigkeit attraktiver ist als die Schwarzarbeit. Die Kosten der Teilhabe an sozialer Sicherung muss sich aber auch jemand mit einem Einkommen von 1.800 Euro leisten können. Bei gut verdienenden Selbstständigen wie Ärzten oder Anwälten gibt es berufsständische Versorgungswerke. In der idealen Welt läge das Preisniveau für Reinigungskräfte oder auch Handwerker so hoch, dass sich Selbstständigkeit selbst finanzieren kann.
t3n.de: Benedikt, vielen Dank für das Gespräch.