Ikea lässt das klassische Möbelhaus sterben und wird radikal anders
Ikea nimmt zukünftig gebrauchte Möbel nicht mehr zurück, sondern nur noch Neuware. Anscheinend ist das schwedische Möbelhaus zum Hoflieferanten für egozentrische Vermieter von möblierten Wohnungen geworden, die ihre Mietobjekte auf Kosten der Allgemeinheit bei Ikea erneuert haben. Neben dieser Meldung, die aktuell die ganze deutsche Presse beschäftigt, hat der neue Ikea-Deutschlandchef Dennis Baslev aber in der Welt etwas wesentlich Interessanteres angekündigt: Ikea wird komplett umgekrempelt. Der Möbelkonzern baut nur noch das letzte Möbelhaus in Karlsruhe fertig, dann ist Schluss. Die Zukunft gehört dem E-Commerce, zentralen Verteilzentren für eine schnelle Lieferung und kleinen, gut erreichbaren Innenstadtfilialen.
Ikeas Kampf gegen die Zeichen der Zeit
Lange Zeit galt Ikea als Online-Muffel, ja als Digitalverhinderer. Der eigentlich geniale Konzernvater Ingvar Kamprad erwies sich lange Jahre als Bremser erster Klasse. Das ist mit seinem Ausstieg und nach seinem Tod Geschichte. Schon 2017 waren erste Anzeichen für eine radikale Kehrtwende zu erkennen: Gegenüber t3n erklärte damals Christian Möhring, Web- und Digitalmanager bei Ikea Deutschland, dass Ikea schon bald seine Produkte auf Plattformen wie Amazon oder Alibaba verkaufen wolle. Und dabei sollte es nicht bleiben: „In unserer Strategie ist auch klar festgehalten, dass wir mit neuen digitalen Möglichkeiten experimentieren und diese für das Unternehmen nutzbar machen wollen“, sagte der Ikea-Manager damals.
An den Tod von Kamprads Ideal wollte damals offiziell niemand glauben. Das Ideal des Möbelhauses, das den Kunden mit perfekt inszenierten Welten verführt, wenn nicht zum kompletten neuen Wohnzimmer, dann doch wenigstens zum Accessoire und Ramschkauf in der Markthalle, war nach außen hin immer noch unerschütterliches Dogma.
Dabei zeigten interne Erhebungen deutlich, dass die Besucherzahlen überwiegend rückläufig waren, wie Baslev der Welt gegenüber erwähnt: „Gerade in den großen Städten sind die Gästezahlen dagegen schon seit Jahren rückläufig.“ Dass die Besucherzahlen noch konstant waren, lag am Flächenzuwachs, nicht am ungebrochenen Interesse. Das wusste der Möbelkonzern und hat deshalb den Umbruch zum Tech-Konzern stark forciert.
Ikea lässt das Möbelhaus sterben
Baslev ist kein neuer Besen, er arbeitet seit 1979 bei Ikea, aber er kehrt gut. Und er hat die Schnauze anscheinend voll von großen Möbelhäusern. Zwischen den Zeilen lässt sich in der Welt herauslesen, dass er am liebsten noch den Bau des aktuell letzten großen Möbelhauses auf der grünen Wiese gestoppt hätte. Aber der Bau in Karlsruhe war schon zu weit fortgeschritten. Also darf dort zähneknirschend das voraussichtlich letzte Möbelhaus in alter Ikea-Tradition entstehen.
Zukünftig setzt Baslev auf verschiedene Ladenkonzepte, vor allem in Innenstadtlagen, ähnlich wie in Hamburg-Altona, aber doch völlig anders. Denn in Altona steht kein kleiner Ikea-Laden, sondern wieder ein normales Möbelhaus. Eben nur in die Innenstadt verpflanzt. Das sieht Baslev heute als Fehler an und will das nicht wiederholen. Kleiner, schlanker, bedarfsgerechter sollen die neuen Läden werden. Daran arbeitet der Konzern schon weltweit mit verschiedenen Versuchsprojekten.
Irgendwann werden vermutlich die Möbelhäuser ganz verschwinden, je weiter die Besucherzahlen sinken, desto unrentabler werden die Paläste. Damit dürfte das Sterben des Möbelhauses offiziell eingeläutet worden sein.
Ikea macht die komplette Kehrtwende: Alles schlanker, digitaler und moderner
Denn alles wird online: Baslev will von rund sechs Prozent Online-Umsatz schnellstmöglich auf 25 bis 30 Prozent Umsatzanteil kommen. Dafür schöpft Ikea in Deutschland aus den Vollen: Website und App werden überarbeitet und auf mobiles Shopping getrimmt.
Über 400 Millionen Euro pumpt der Manager in den Ausbau der Logistik in Deutschland, gerade in Metropolregionen sollen neue Logistikzentren entstehen. In Großstädten und Ballungsgebieten will Ikea gar Lieferungen innerhalb von zwei bis drei Stunden anbieten. Die Macht, mit der Baslev jetzt in den Markt drängt, wird die noch immer junge Online-Möbelbranche durcheinanderwirbeln. Und den Verkaufsanteil von Großmöbeln erhöhen, denn immer noch wird überwiegend Kleinkram online gekauft, auch wenn die Anteile sich langsam verändern.
Zum Möbel-Sightseeing geht die Familie zukünftig nicht mehr in das Ikea-Möbelhaus, sondern öffnet Zuhause die Augmented-Reality-App und platziert die gesamte Einrichtung virtuell in die eigenen vier Wände. Und bestellt dann mit einem Klick. Vermutlich zusammen mit rätselhaften Accessoires, die plötzlich auf allen virtuellen Möbeln auftauchen – und einem Hot Dog, eingewickelt in eine alte Seite eines Ikea-Kataloges. Als Reminiszenz an die gute alte Zeit. Ach, halt: Der Katalog bleibt, der Protest der Kunden bei den Abschaffungsversuchen war immer zu groß. Mal schauen, wie lange noch.
„Der eigentlich kongeniale Konzernvater Ingvar Kamprad erwies sich lange Jahre als Bremser erster Klasse. Das ist mit seinem Ausstieg und nach seinem Tod endgültig Geschichte. “
Vielleicht geht es nur mir so, aber das hätte man ggf. etwas pietätvoller und eleganter ausdrücken können. Bin wahrlich kein Freund von ikea, und meinetwegen kann man über Verstorbene nach einer gewissen Zeit (also vielleicht nicht direkt am Todestag) auch kritisch schreiben, aber das hier klingt echt ein wenig sehr plump. Vielleicht nehme ich das aber auch nur so wahr.
Ich gebe dir da vollkommen recht.
Hallo Dan und Markus!
Ich verstehe euch. An diesem Absatz saß ich einige Minuten und habe ihn auch mehrfach umformuliert.
Eine bessere Kombination aus Würdigung und Kritik ist mir nicht eingefallen. Kongenial kontra Bremser.
Es ist schlicht so, dass Kamprad bis zuletzt Einfluss auf die Ikea-Strategie hatte – auch im Ruhestand. Das zu erwähnen halte ich hier für notwendig.
Wenn euch eine schönere Formulierung einfällt, ich bin offen für Vorschläge.
Viele Grüße
Jochen
Wie schon oben erwähnt wird, ist was hier über Ingvars Tod und dessen folgen gesagt wird echt unterste Schublade.
Wenn man nicht die richtigen Worte findet, sollte man einfach auf so einen Satz verzichten.
Ansonsten bin ich eher Vintage eingestellt. Denn ich möchte die Sachen die ich kaufe gerne anprobieren/ausprobieren (fühlen gehört bei mir zum Kaufprozess)
Ich denke grundsätzlich das die Zukunft des Möbelkaufs tatsächlich in der Argumented Reality steckt. Gerade das möblieren der eigenen 4-Wände direkt von der Couch aus ist eine interessante User-Experience.
Was sicherlich noch dagegen spricht ist das Erlebnis Ikea – gerade Familien nutzen oft einen Ikea-Besuch um einfach eine schöne Zeit zu verbringen. Alles mal Probe sitzen, herumstöbern etc. ich denke das die moderne Technik das reale Erlebnis nie ersetzen wird. Außerdem fehlt immer noch einfach das haptische Empfinden. Ich würde nie eine Couch online bestellen, ich will doch sehen wie bequem sie ist und das Material anfassen.
Genau das denke ich mir auch. Auch die Verarbeitung möchte ich mir doch ganz gerne direkt ansehen, statt ein Möbelstück direkt nach dem Auspacken wieder zurückzusenden…
Ich denke eine Kombination aus beidem wäre gut – den Laden Laden sein lassen und ihn vor Ort mit AR verknüpfen, sowie auch für daheim eine angenehme Möglichkeit schaffen.
Es ist bei dem derzeitigen Entwicklungsstand gut möglich, dass wir die physischen Eigenschaften mittels technischer Geräte im eigen Wohnzimmer simulieren können während das Produkt mittels AR gezeigt wird – indem die Stimulation der Nerven (zum Beispiel durch Handschuhe) den Eigenschaften entspricht, das Gehirn biegt sich den Rest zusammen.
Schade ist nur, dass die menschlichen Interaktionen rapide sinken könnten, falls jeder alles von zuhause aus machen kann.
Und wen haben wir das zu verdanken? Wieder irgendwelchen Reichen drecksäcken die noch auf Kosten der Allgemeinheit ihren Schrott erneuert haben. Andere die das System nicht ausnutzen sind immer die Leidtragenden. Das ist immer so. Man sollte den Pranger wieder einführen für solche drecksäcke
Hallo Jochen,
Ich stimme Sebastian hinsichtlich Deiner Formulierung vollkommen zu. Mit Deiner Aufforderung Dir eine bessere Formulierung vorzuschlagen, stellst Du Dir selbst ein Armutszeugnis aus. Wenn Du ohne Hilfe keine pietätvollen Artikel schreiben kannst, oder nicht weißt, welche Sätze man besser nicht schreibt, ist das wohl nicht die richtige Beschäftigung für Dich.
Hallo Michael!
Für mich ist die Formulierung angemessen. Ich reagiere lediglich auf die Kritik und lade zum Diskurs ein, durch den Vorschlag auch eine Formulierung zu besprechen, die ein Kritiker für angemessener hält.
Kritik zu begegnen und anzunehmeb ist für mich selbstverständlich. Aber wer Kritik äußert, darf auch um konkrete Vorschläge gebeten werden, wie es seiner Meinung nach besser wäre.
Wenn du aus einem Gesprächsangebot ein Armutszeugnis konstruierst und mich beleidigst, ist das deine Entscheidung. Konstruktiv ist es jedenfalls nicht.
Viele Grüße
Jochen
Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht in der Wirklichkeit
Verteilungsgeschäfte mit einem riesigen Einkaufs- und einer riesigen Lieferabteilung sind so eine Sache. Was bei kleineren Möbeln sicher noch eine einfache Sache ist, das wird spätestens bei ganzen Küchen ein Problem. Wer sich nämlich schonmal auf den Arbeitsmarkt und in den Medien umgeschaut hat, der wird erfahren, dass Stellen mit Führerschein immer weniger besetzt werden.
Die Leute sind nicht nur fauler beim Kaufen geworden, sondern auch intelligenter, was das Arbeiten betrifft. Immer weniger vorallem junge Menschen haben noch Lust sich dem Straßenverkehr auszusetzen und dann noch schwerer körperlicher Arbeit nachzugehen. Der Vorteil der Umzugsfirmen sind die hohen Preise, also die noch recht gute Bezahlung. Ein Möbeldiscounter kann damit nicht dienen. Die dadurch entstehenden langen Lieferzeiten und das Widerrufsrecht werden den Onlinehandel auch für Ikea schnell entzaubern. Ganz im Gegenteil werden die Personalkosten noch steigen, denn auch der IT-Sektor und die Buchhaltung, ebenfalls teurer als ein normaler schnöder Verkäufer oder Kundendienstleister, drücken die Lohnkosten unweigerlich in die Höhe. Denn bei beiden Berufen, nebst der „Emanzipation“ der Fahrer, lassen sich die Arbeiter nicht mit einem Mindestlohn abspeisen, wie es bisher bei Filialmitarbeitern der Fall ist.
Der Geschäftsführer denkt nicht daran, sondern hat nur die Reduktion des Personals und der Filialmiete in Aussicht. Hätten wir ein richtiges Verteilungssystem in Deutschland würde die Digitalisierung des Verkaufs auch nachziehen, aus praktischen Gründen. So aber versucht man dem Tier vom Kopfe aus das Leder abzuziehen.
Die Kosten allein für eine Reklamation werden in ungeahnte Höhen schnellen. Und wenn Ikea seine Markthohheit behalten will, dann muss es auch weiterhin sehr kulant bei der Rücknahme bei Nichtgefallen der Ware sein, was, ähnlich einer Reklamation, enorme Kosten verursachen wird. Und nicht zu vergessen der ausufernde Rechtsstreit bei Lieferverzügen und Dergleichen.
Ein Vorteil aber hat das Ganze dann, die Kaufhäuser und Krämer- und Ramschgeschäfte werden wieder mehr Zulauf finden. Weil kaum einer lässt sich Ramsch per Spetition oder Post zuschicken.
Ikea muss sich sicherlich digital öffnen, aber die Frage ist ob sie damit gegen die silicon valley riesen bestehen können. Online bestellen kann ich auch bei zig anderen anbietern, die da teilweise viel mehr erfahrung als ikea haben.
das erlebnis Ikea besuch war immer ein großer teil des erfolges. natürlich bedeutet das nicht das das so bleiben muss, aber es kann durchaus sein das ikea zwar online einen markt erschließt, aber langfristig gegen amazon und co den kürzeren zieht.
digitale präsenz ist inzwischen unabdingbar, aber der markt ist inzwischen unglaublich umkämpft. welchen vorsprung hat ikea denn onlie gegenüber anderen?
kamprad hat da sicher gebremst, aber ich kann den einwand schon verstehen, ein gutes original etwas aussterbenden zu sein ist beängstiegend und kann zum ende führen, aber das gleiche kann passieren wenn man eine schlechte kopie des state of the art ist.
Ikea muss sich dennoch digital öffnen, aber sie müssen ganz genau aufpassen wie sie das machen ohne ihren vorsprung auf ihren gebieten zu verlieren. als amazon für arme wird sich ikea gegen silicon valley nicht durchsetzen.
Digital ist toll, aber es werden immer nur die erfolgsgeschichten gezeigt, 90+% aller startups gehen schnell pleite, selbst google ist da mit all ihrem know how grandios an google+ gescheitert.
Daher muss man sich sehr genau überlegen wie und ob man so etwas macht, die gleichung ikea wird digital und modern und die erfolgsgeschichte des 20ten jahrhunderts kann weitergehen ist kein automatismus.
Ikea muss sich damit beschäftigen, aber sie sollten sich sehr genau überlegen ob man das bewährte aufgibt bevor man überhaupt weiß ob das andere klappt.