Influencer und Werbung: Warum es vor Gericht auf den Einzelfall ankommt
Wenn man mit Anwälten spricht, ist vieles kompliziert, „kommt drauf an“ ist eine der gerne verwendeten Formulierungen. Wenn es um die Einschätzung geht, wie Influencer in Zukunft ihre Beiträge korrekt kennzeichnen müssen, dann gibt es da – nicht zuletzt durch das heute veröffentlichte Urteil im Fall Cathy Hummels – mehr Unsicherheit denn je. Wir haben mit Rechtsanwalt Christian Solmecke von der auf Medienrecht spezialisierten Kanzlei WBS Law gesprochen und ihn gefragt, was Influencer jetzt wissen müssen und wie sie sich rechtskonform verhalten können.
Allgemein, so erklärt Solmecke, sollte man einen Beitrag immer als Werbung kennzeichnen, wenn man für einen Beitrag über ein Produkt oder eine Dienstleistung eine Gegenleistung erhalten hat oder wenn man ein Produkt oder eine Dienstleistung kostenlos erhalten hat und das mit Bedingungen verknüpft war. Aufgrund der strengen Rechtsprechung sollte man besser auch kennzeichnen, wenn das Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass dies an Bedingungen geknüpft war.
Hinzu kommt: Auch wenn man ein Produkt zu positiv darstellt, es etwa im Mittelpunkt steht, eine werbende Sprache verwendet wird und/oder Bildmaterial, Produkt- oder Markenslogans übernommen werden, riecht das nach Werbung und der daraus resultierenden Verpflichtung zur Kennzeichnung. Als Gegenleistung oder Gewinn kann auch der Erhalt von Affiliate-Geldern gezählt werden – also am Besten auch bei werblichen Links und beim Vergeben von Rabattcodes entsprechen kenntlich machen.
Urteile widersprechen sich
Resultierend aus den diversen Fällen rund um Nahrungsergänzungsprodukte, die von einigen Gaming-Influencern mehr als nur nebenbei über den grünen Klee gelobt wurden, kann außerdem gelten: Berichtet man über eigene Produkte beziehungsweise Dienstleistungen oder verlinkt auf diese, muss man nur dann nicht kennzeichnen, wenn man die eigene Unternehmerschaft deutlich macht. Preist man aber das eigene Angebot zu deutlich an, muss auch dann gekennzeichnet werden, wenn man deutlich auf die eigene Unternehmereigenschaft hinweist.
„Die Frage, ob man einen Post als Werbung kennzeichnen muss, obwohl man dafür keine Gegenleistung erhalten hat, ist mit dem Urteil des LG München I leider ungeklärter denn je“, sagt Christian Solmecke. „Inzwischen gibt es einige sich völlig widersprechende Urteile. Folgt man der Ansicht der Landgerichte (LG) Berlin (nicht rechtskräftig), Osnabrück oder Karlsruhe, so wäre es für Influencer empfehlenswert, jede Erwähnung oder Verlinkung von Markennamen, Unternehmen, Produkten, anderen Influencern oder Orten grundsätzlich immer als Werbung zu kennzeichnen.“
Damit verliere der Werbebegriff aber letztlich seine Wirkung auf die Follower. Folgt man nun der Ansicht des LG München I (also dem heutigen Urteil), so kann man als sehr populärer Influencer zumindest dann auf eine Kennzeichnung verzichten, wenn man für den Beitrag keine Gegenleistung erhalten hat. Folgt man dagegen dem Kammergericht Berlin, so muss man sich über jeden einzelnen Post Gedanken machen und prüfen, ob die Erwähnung beziehungsweise Verlinkung etwa eines Unternehmens nun in einem redaktionellen Zusammenhang mit dem Inhalt des Postings stehen oder nicht.
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Nicht alle Influencer werden gleich behandelt – aus gutem Grund
Für Influencer aller Art hat das die Sache nicht einfacher gemacht, denn die Rechtsauffassungen weichen sehr stark voneinander ab. „Will man ganz auf Nummer sicher gehen, so muss man sich weiterhin an die strengste Rechtsprechung halten. Danach gilt: Man sollte weiterhin kennzeichnen, wenn man das Produkt selbst erworben hat, in keinerlei geschäftlicher Beziehung mit dem Herstellerunternehmen steht, aber auf dieses Unternehmen verlinkt“, fasst der Jurist zusammen.
Gilt also für Cathy Hummels etwas anderes als für Otto Normal-Influencer? „Tatsächlich haben alle Gerichte bislang aus dem einen oder dem anderen Grund auf die Popularität und Reichweite des Influencers abgestellt. Allerdings mit unterschiedlichen Begründungen“, erklärt Christian Solmecke. Das LG Berlin etwa schloss aus einer hohen Anzahl von Followern per se auf die Gewerblichkeit des Accounts und damit auch der Postings mit Verlinkungen. Auch aus der Abmahn-Praxis war erkennbar, dass man zumindest eine gewisse Anzahl an Followern haben musste, um ins Visier der Abmahnverbände zu kommen.
„Das LG München I hat auch in diesem Fall auf die Reichweite der Influencerin abgestellt. Das Gericht unterstrich, dass die Erkennbarkeit des gewerblichen Handelns in jedem Einzelfall geprüft werden müsse. Die Entscheidung dürfe daher nicht generell mit Blick auf andere Blogger oder Influencer verallgemeinert werden.“ Es kommt also wohl tatsächlich darauf an, ob man ein Prominenter ist oder ein „normaler“ Influencer, der außerhalb der Filterbubble nicht allgemein bekannt ist. „Letztlich soll es wohl darauf ankommen, wie offensichtlich kommerziell der Account ist.“ Ausschlaggebend im Hummels-Fall sei unter anderem die Anzahl der Follower gewesen. Dass Frau Hummels nicht mit 465.000 Menschen auf der Welt befreundet sein könne, sei ziemlich klar. Außerdem sei der Umstand relevant gewesen, dass es sich bei Hummels um ein öffentliches, verifiziertes und mit einem blauen Haken versehenes Profil handele.
Influencer: Der BGH könnte Klarheit schaffen
Letzten Endes wird hier in nächster Zeit der Gesetzgeber Klarheit schaffen müssen, auch wenn die bisherigen Vorstöße wenig konkret geblieben sind. Bei einem Runden Tisch unter Digitalstaatsministerin Dorothee Bär wurde zwar mit 25 Influencern über die korrekte Kennzeichnung für Werbung in Influencer-Posts gesprochen, passiert ist bisher aber noch nichts Nennenswertes. Rechtsanwalt Solmecke geht dabei eher nicht davon aus, dass es zu einem klar gefassten Gesetz kommt, das speziell diesen Fall abdeckt, sondern eher, dass ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt. Damit wäre dann Rechtssicherheit für die Zukunft geschaffen – und auch die Gerichte, bei denen dann noch entsprechende Verfahren anhängig sind, würden sich nach einem solchen Urteil richten. „Wenn einmal die Rechtslage klargestellt ist, ist es zudem ratsam, alte Postings entsprechend zu überarbeiten, weil man deswegen noch abgemahnt werden könnte“, gibt der Jurist zu bedenken.
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