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Kommentar

#DieseJungeDame-Skandal um Baerbock: „Hört endlich auf mit Boys don’t cry!”

Ein Journalist bezeichnet die Außenministerin im Morgenmagazin als „junge Dame“ und kommentiert, dass die Front ja offensichtlich nicht „ihre Welt“ sei. Dabei könnte er sich von ihr eine Scheibe in punkto emotionaler Intelligenz und Führungskompetenz abschneiden.

Von Insa Schniedermeier
3 Min.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) informiert sich im verlassenen Ort Schyrokyne an der Frontlinie zwischen der ukrainischen Armee und den von Russland unterstützten Separatisten über die Lage im Konfliktgebiet Donbass. (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka)

Mit ihrem Besuch in der Ukraine hat Außenministerin Annalena Baerbock zu einer Twitter-Diskussion beigetragen. Ausschlaggebend war ein Kommentar des Tagesspiegel-Journalisten Christoph von Marschall über ein Bild von ihr im Krisengebiet. „Entlarvend“ sei es, sagt er im Morgenmagazin darüber, man würde ja deutlich sehen, dass die Front einfach nicht „ihre Welt“ sei. Deswegen würde sie sich nicht wohlfühlen. Noch schlimmer: Er nennt sie „diese junge Dame“, was ihr Führungskompetenz abspricht. Dabei beweist sie mit ihrem Auftritt genau das Gegenteil: Menschlichkeit, Empathie und ein neues Verständnis von Führung.

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Was war passiert: Diese Woche hat Außenministerin Annalena Baerbock die Front in der Ostukraine besucht. In den Nachrichten sieht man Bilder, in denen sie in einer schwarzen, kugelsicheren Weste und einem Militärhelm umgeben von Soldaten durch das Dorf Schyrokyne an der Kontaktlinie im Donbass schreitet. Die Lage sei „hoch dramatisch“, sagt sie danach, wie die FAZ berichtete. Sie komme mit „sehr bedrückenden Gefühlen“ zurück. „Einstmals ein Ferienort gewesen, [ist Schyrokyne] jetzt ein Zeugnis dessen, dass wir mitten in Europa Krieg haben.“ Von einem Tag auf den anderen haben die Menschen dort alles verloren.

Von Marschall interpretiert ihr Unwohlsein als Schwäche und sagt indirekt, dass jemand anderes besser in „diese Welt“ passen würde. Jemand männlicheres, älteres. Indem er Baerbock als „junge Dame“ bezeichnet, spricht von Marschall ihr berufliche Kompetenz und Führungsqualitäten ab. Moderatorin Dunja Hayali, 47, ließ das überraschenderweise so stehen.

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Für Christoph von Marschall mag Annalena Baerbock tatsächlich eine junge Dame sein. Sie ist 41, er 63. Der Ausdruck ist jedoch degradierend und wertend. Keine Frau über 20 sollte so genannt werden, insbesondere nicht im beruflichen Kontext. Und am wenigsten die deutsche Außenministerin. Von Marschall würde es wohl auch nicht gefallen, als „alter Herr“ bezeichnet zu werden. Was nur fair wäre, entspricht seine Wortwahl doch perfekt dem Klischee des alten weißen Mannes.

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Empathische Führung als Stärke

Dabei ist es doch selbstverständlich, dass Baerbock nicht freudestrahlend an der Front entlang läuft. Das wäre schließlich wahnsinnig unpassend, ob der dramatischen Lage und dem Leid der Menschen dort – und wäre ein Negativbeispiel für Führungskompetenz.

In dem Zusammenhang fällt einem der peinliche Auftritt des CDU-Politikers Armin Laschet, 60, ein, der sich letztes Jahr bei einer Rede von Frank-Walter Steinmeier im Flutkatastrophen-Gebiet Erftstadt im Hintergrund köstlich amüsierte.

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Baerbocks Einfühlungsvermögen ist eine Stärke, ihr Gefühl für die Situation ein Zeichen von Führungskompetenz. Kein Mensch sollte sich offensichtlich wohlfühlen bei dem Besuch eines Krisengebiets. Schon gar keine Führungspersönlichkeit, denn Führungspersönlichkeiten besitzen immer auch eine Vorbildfunktion.

Ein „boys don’t cry“ Führungsstil ist toxisch

Von Marschalls Kommentar impliziert, dass dieser männliche „boys don’t cry“ Führungsstil, den er offenbar bei Außenministerin vermisst, noch immer als die einzig richtige Art und Weise zu führen gilt. Dabei ist er toxisch und altmodisch und suggeriert, dass Führungskräfte niemals Schwäche zeigen dürfen.

Chefinnen und Chefs sind auch nur Menschen. Und das ist gut so, für die Arbeitskultur sowie für die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen. Auch Top-Headhunter:innen wie Ruppert Bell sagen, dass das entscheidende Skill-Set von Führungskräften in Zukunft soft sein wird.

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Von Marschall antwortet auf die Kritik bei Twitter, die unter dem Hashtag #diesejungedame laut wurde: „Die „junge Dame“ war nicht despektierlich gemeint, sondern eine Beschreibung der Szene. Schutzhelm und kugelsichere Weste sind eine Welt, in der sie sich sichtbar unwohl fühlt. […]“. Er wiederholt quasi das Gesagte. Immerhin entschuldigt er sich am Ende für seine Wortwahl: „Es tut mit Leid, wenn meine Wortwahl Anlass für Missverständnisse gegeben hat. Ich werde mir das zu Herzen nehmen.“ Was an der Bezeichnung „diese junge Dame“ misszuverstehen war, ist fraglich. Gerade als Journalist:in sollte man sich der Bedeutung und Macht seiner Worte bewusst sein.

Am Ende zählt, dass es gut ist, Politiker:innen wie Annalena Baerbock zu haben, die Taktgefühl besitzen und denen das Schicksal von Menschen nicht egal ist. Genau diese Qualitäten sollten Führungspersönlichkeiten in der Wirtschaft mitbringen. Und auch Christoph von Marschall hätte mehr Einfühlungsvermögen gut gestanden.

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Kantenhuber

Naja, die alte Masche der Alten Daddys, die sich darin gefallen, dass sie „junge Frauen“ irgendwie herunter putzen und auf dicken Macker machen.

Frau Baerbock ist in ihrer Rolle angekommen, das hat man in den letzten Wochen sehr gut beobachten können, nachdem das mit der Kanzlerschaft eher etwas abseitig geraten ist. Aber das ist nicht nur ihre Schuld, sondern einfach ein strategischer Fehler der Parteiführung. Baerbock ist jetzt Aussenministerin und sie macht ihre Sache erkennbar gut.

Das passt natürlich so einem einfach gepolten Gemüt, wie das der Herr von Marschall anscheinend ist, nicht sonderlich. Wahrscheinlich wünscht er sich einen der üblichen Poltergeister, die ja viele vor allem männliche Menschen in solchen Positionen gerne hätten. Typen dieser Art haben in der Welt mehr als genug Schaden angerichtet und der derzeitige Konflikt in dieser Region wird vor allem von solchen Menschen befeuert. In Bezug auf das Amt und die politischen Umstände ist eine Frau Baerbock an dieser Stelle weit besser aufgestellt. Definitiv!

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Meier Harald

Ja, das mag ja alles stimmen, was Sie da niederschreiben. Doch ist es insgesamt doch eine heuchlerische Inszenierung mit meiner Meinung nach aufgesetzten und deshalb unglaubwürdigen Emotionen, die von B. nach außen getragen werden. Der Krieg mitten in Europa findet ja nicht erst seit letzter Woche statt, sondern wurde bereits 2014 durch einen faschistischen Putsch in Kiev eingeleitet. Gegen Neurussland, also die beiden Volksrepubliken DVR und LVR ganz im Osten der Ukraine, führen die Machthaber aus Kiev einen grausamen Krieg, und das seit mehr als sieben langen Jahren und das Mitten in Europa. „“Die Volksrepublik Lugansk meldete allein am Mittwoch 21 Tote – einen Zivilisten und zwanzig Militärangehörige. „Fast alle Toten und Verwundeten sind das Ergebnis von gezieltem Scharfschützenfeuer ukrainischer bewaffneter Verbände“, sagte der Chef der Lugansker Volksrepublik Michail Pasetschnik. Die offiziellen Schätzungen der UNO zur Anzahl der Opfer des Bürgerkrieges liegen bei 13.000, darunter 5.000 Zivilisten.““ (Quelle: aus dem Artikel “ Krieg im Donbass: Donezker und Lugansker Volksrepubliken melden für 2021 fast einhundert Getötete“ https://de.rt.com/…/129217-krieg-im-donbass-donezker…/ ) Diese Kriegshandlungen sind unverzüglich einzustellen und die beiden Volksrepubliken DVR und LVR sind, um künftige Konflikte zu vermeiden friedlich in russisches Staatsgebiet zu überführen.

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Mark

Ich habe selten so viele Unwahrheiten, nennen wir es was es sind: Lügen gelesen. Sie lügen und ich lassen das hier nicht stehen. Russland überfällt ein Nachbarland, wie so oft. Russland mordet. Russland verstösst gegen internationale Regeln. Und niemand anderes ist Schuld als Putin mit seiner Junta, nur Mörder und Despot Putin.

Bojay Shaffer

Mit Verlaub, dass war ein reiner Propaganda auftritt. Die Frau tritt von einem Fettnämpfchen ist nächste und auch bei diesem Fotoshooting keinen geraden Satz herausbekommen. Die Frau ist nur peinlich und in diesem Amt überfordert.
Zu den Fakten: Der Ort ist seit 2015 aufgrund der „verqueren“ Lage dort verlassen. Und ihr Geschwafel – Zitat – „das man sich jetzt vorstellen kann, jederzeit von einem Scharfschützen getroffen zu werden“ ist an Blödsinn nicht mehr zu überbieten. Wäre Scharfschützen dort, würde ein Helm und eine Splitterschutzweste (!) in der passenden Farbe zu ihrem Outfit nichts nützen.
Der Ort liegt in einem Gebiet, welches nach dem Minsker Abkommen von keiner Seite aus militärisch betreten werden darf. Durch ihr Fotoshooting hat sie den Vertrag verletzt, somit könnten jetzt auch prorussische Einheiten dort rein und könnten auf das Fotoshooting verweisen. Na das ist mal eine außenpolitische Meisterleistung – hat sie mal wieder was verbaerbockt!

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Bojay Shaffer

Nachtrag: Bei dem selben Besuch im Hochwassergebiet gibt es neben dem lachenden Laschet ebenso Video-Aufnahmen vom feixenden Frank-Walter Steinmeiner.

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Mike

Man fragt sich, was dieser, sehr einseitige Bericht in einem t3n-Artikel verloren hat.
Ich hab genug Baerbock-Lobhudelei auf anderen Kanälen. Genau wie Baerbock-Dissing. Dafür brauch ich keine t3n.
Lasst das bitte und werdet nicht noch politischer.

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Ali Levin

Ich finde die Frau B. ebenso sehr deplaziert und DE hat nunmehr nach Herrn Maas wieder (so finde ich) eine Figur hingestellt, dass einfach nicht ersntgenommen werden kann.

Schaut man sich die Außenminister anderer Länder an, so kann man deutlich beobachten, dass hier einfach Autarkes und selbbewusstes Auftreten mit entsprechende authoritäre Ausstrahlung gänzlich bei B. fehlt. Insbesondere wenn Sie fast schon „Meine Damen und Herrren“ von Ihren Notizen lesen braucht :D

Folglich wird Sie nachvollziehbarer Weise eher müde belächelt an der Front. Daher und leider schäme ich mich für unsere letztens beiden Außenminister. So meine persönliche Meinung und subjektive Sicht der Dinge.

PS: Kann mir jedoch gut vorstellen, dass weibliche Kandidaten unter uns hier diese Meinung eher weniger vertreten :D

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