Eine gute Entschuldigung kommt von Herzen, so sagt man. Doch schauen wir uns an, wie wir die Kunst der Entschuldigung lernen, dann ist das Herz da eher raus. Kleine Kinder verstecken sich, wenn sie Mist gebaut haben. Dann folgen ungefähr zehn Jahre lasch-feuchten Händedrückens. Später lernen wir, die Reue geschickter vorzutäuschen, und sind, je nach Sozialisierung und häufig abhängig vom Geschlecht, schneller dabei, uns zu entschuldigen.
Für andere folgt die lange Nacht des Karrierehabitus: Es wird Verantwortung übernommen, ohne sich zu entschuldigen. Denn eine Entschuldigung wäre Schwäche, Verantwortung ist Härte. Man soll für etwas Geradestehen – buckeln will niemand.
Natürlich fällt die Entschuldigung von Herzen schwer. Denn das Herz ist gebrochen, auch das eigene. Im Kleinen, im Großen, versteckt oder offensichtlich, emotional, professionell oder emotional und professionell. Der Fehler fühlt sich bedrohlich an.
Doch eine gute Entschuldigung ist ein Karrierefaktor. Wie sie vorgebracht wird, unterlag bislang Trends und Gendernormen. Das muss sich ändern.
So stärkt eine Entschuldigung das Team
Wer Mist baut, der schuldet Wiedergutmachung. Eine Entschuldigung zeigt, dass der Mist als das anerkannt wird, was er ist: eben Mist. Und in vielen Fällen reicht das schon. Wer schlecht über andere spricht, kann die eigenen Worte nicht zurücknehmen. Er:sie kann aber Einsicht zeigen. Diese Einsicht ist die Grundlage dafür, das Vertrauen wiederherzustellen.
Vertrauen ist die Grundlage für die Zusammenarbeit, das wissen wir aus der Forschung des Neurowissenschaftlers Paul Zak. Verhalten sich Menschen vertrauenswürdig, dann wird im Körper Oxytocin ausgeschüttet. Es wird meist als Kuschelhormon bezeichnet. Im Arbeitskontext bewirkt das Oxytocin, dass Menschen einander vertrauen. Sie bauen darauf, dass alle das Gleiche wollen und die Kolleginnen und Kollegen ihren Teil dazu beitragen werden. Und durch dieses Vertrauen arbeiten alle noch etwas mehr. Technisch ausgedrückt: Sie investieren, weil sie wissen, dass alle anderen es auch tun. Die Organisation wird erfolgreich.
Und in der Theorie reicht das schon, aber so funktionieren Menschen ja nicht. Menschen bauen Mist. Vertrauen wird angeknackst – oder gebrochen. Und das schadet der Performance des Teams. Eine Entschuldigung ist dann der erste Schritt, um das Vertrauen wiederherzustellen.
So dient eine Entschuldigung der Karriere
Für Führungskräfte ist damit klar: Sind sie in der Lage, sich ehrlich und auf Augenhöhe zu entschuldigen, dann stärken sie damit ihr Team und folglich die eigene Position. Und auch auf gleicher Karrierestufe hilft eine Entschuldigung. Sie beweist Integrität und Empathie: Ich erkenne an, dass ich etwas getan habe, das ich nicht hätte tun dürfen. Und ich erkenne an, dass ich damit unserer Zusammenarbeit geschadet habe.
Eine solche Aussage validiert das Gegenüber. Viel zu viele Menschen haben viel zu oft in ihrem Leben gehört, sie würden sich übertrieben aufregen, sie sollten sich nicht so haben, sie sollten es runterschlucken. Bleibt die Entschuldigung aus, dann werden diese falschen Glaubenssätze reaktiviert. Sie schwächen die Betroffenen und sie belasten das zukünftige Verhältnis mit einem Fragezeichen: Hat diese Person mir unrecht getan? Oder sollte ich mich nicht so haben? Eine Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist das nicht. Dabei haben Psycholog:innen beobachtet, dass Vergebung am Arbeitsplatz dafür sorgt, dass die Menschen seltener krank werden und mehr schaffen.
So gelingt eine gute Entschuldigung
Wie eine Entschuldigung nicht funktioniert: mit Unterstellungen. Dass „Es tut mir leid, dass du so reagierst“ eher keine gute Entschuldigung ist, ist klar. Aber auch der Versuch, Empathie zu zeigen, geht schnell daneben. Ein „Ich habe dich verletzt“ unterstellt Verletzlichkeit, die die andere Person sich selbst vielleicht gar nicht zuschreibt. Eine Entschuldigung kommt von der Person, die Mist gebaut hat. Und dort sollte sie auch bleiben: Ich hätte das nicht tun dürfen. Oder: Ich wünschte, ich hätte das nicht gemacht.
Die eigenen Gründe sind dabei selten das Problem der anderen Person: „Ich habe die Folgen nicht kommen sehen“ ist dabei noch die sanfte Variante von Unfug. Härter wird es mit „Hätte ich gewusst, wie du reagierst, hätte ich das nicht gemacht“. Wer so formuliert, überträgt die Verantwortung für den Konflikt auf die Person, der er:sie selbst geschadet hat. Dann hat man sich selbst ent-schuldigt. Aber ein Vertrauensverhältnis wird so nicht repariert.
Wer die Zusammenarbeit nach einem Fehltritt stärken möchte, muss sich überlegen, wo er:sie Mist gebaut hat. Was ist passiert? Das ist eine Ich-Frage: Was habe ich gemacht? Und warum war das nicht gut? Und dann kann das Gegenüber Raum bekommen, sich selbst auszudrücken.
Cool bleiben? Lieber nicht
Gefühle spielen bei einer Entschuldigung eine Rolle – und wer dazu neigt, Fehler wegzulächeln, sollte dringend trainieren, das zu lassen. Die Psychologinnen Leanne ten Brinke und Gabrielle Adams haben untersucht, wie sich allerkleinste Gesichtsausdrücke während Entschuldigungen auswirken. Dafür schauten sie sich an, wie sich öffentliche Entschuldigungen von Unternehmen auf den Aktienkurs auswirkten.
Sie beobachteten: Passte der Gesichtsausdruck nicht, dann brach der Kurs mit größerer Wahrscheinlichkeit ein. Und dieser Effekt hielt bis zu drei Monate lang an. Insbesondere ein unpassendes Lächeln schadete der Firma. Wird ein Fehler nicht ernst genommen, dann entsteht bei anderen das Gefühl: Das kann jederzeit wieder passieren.
Vernünftige Menschen werden auf diese Sorge mit Ablehnung reagieren. So wird eine schlechte Entschuldigung zum Sargnagel für die Zusammenarbeit. Und eine gute Entschuldigung kann das Arbeitsverhältnis stärken. Was genau passiert ist, tritt vielleicht sogar in den Hintergrund. Wichtig ist: Die Beteiligten haben Größe gezeigt.