
(Foto: Rachel Flores)
Ein Karrieremensch zu sein, ist für mich durchweg negativ besetzt. Ich verbinde damit eine:n Einzelkämpfer:in, der oder die vor allem danach strebt, die Karriereleiter nach oben zu klettern und Kontakte und Netzwerke zu diesem Zweck instrumentalisiert. Ohne Rücksicht auf Verluste und ohne seine oder ihre Arbeit besser zu machen als andere, die nicht so laut brüllen. Dass das oft klappt, ist kein Wunder, wenn es wirklich stimmt, dass es nur zu zehn Prozent auf Können und zu bis zu 90 Prozent auf Selbstmarketing und Netzwerke ankommt.
Dass meine Freundin darauf keine Lust mehr hat, kann ich verstehen. Meine eigene Ablehnung beschränkt sich allerdings nicht auf karrieregeile Unsympath:innen. Bin ich fair, reicht unsympathisch sein allein ja nicht. Wer Karriere machen will, muss sich schon auch anstrengen. Karriere-Ratgeber heben oft hervor, wie wichtig es ist, dranzubleiben, sich durchzubeißen, immer wieder die Extrameile zu gehen, Überstunden zu machen, Begeisterung zu zeigen (oder sie zu heucheln), einen Fünf-Jahres-Plan zu haben, dies und das. Und bevor sich jetzt irgendwer beleidigt fühlt: Natürlich sind nicht alle unsympathisch, die bereit sind, für die Karriere Opfer zu bringen.
Meine Prioritäten sind andere
Ich habe nur, um es ganz stumpf zu sagen, überhaupt keine Lust auf Karriere. Ich will nicht mein ganzes Erwachsenenleben einem imaginären Konzept von Erfolg unterordnen. Meine Prioritäten sind einfach andere. Ich hatte noch nie einen Fünf-Jahres-Plan. Ich will einen Job, der mir Spaß macht, im Idealfall auch sinnvoll ist, lieber mehr als weniger Freizeit und ein Gehalt, von dem ich ohne Geldsorgen leben kann. Ob ich damit reich und berühmt werde, ist mir herzlich egal.
Das soll nicht heißen, dass ich mich nicht mit meinem Job identifiziere oder ihn nicht gerne mache. Ich will mich anstrengen, coole Sachen machen, Neues lernen, mich weiterentwickeln, was erreichen. Aber die Rahmenbedingungen – Arbeitsbedingungen, Work-Life-Balance und all das – müssen stimmen. Tun sie das nicht, werde ich mich sicher nicht aus Sorge um meine Karriere damit abfinden. Beruflicher Erfolg definiert mich nicht als Person. Der Jobtitel, den ich in meinem Linkedin-Profil angebe, wirkt sich nicht auf meinen Selbstwert aus. Passt ein Job nicht mehr zu mir und meinem Leben, sehe ich überhaupt kein Problem darin, einfach zu kündigen – notfalls auch ohne Plan B. Das mag man ambitionslos finden – oder es als das sehen, was es für mich ist: Ein gesunder Umgang mit dem Thema Karriere.
Damit bin ich nicht allein
Alleine bin ich damit nicht. Berichten zufolge sind es vor allem jüngere Millenials und bereits berufstätige Angehörige der Gen Z, die ähnlich denken wie ich. Jobsuchende werden wählerischer. Auch jene, die momentan einen Job haben, überdenken ihre Möglichkeiten. Sie sind nicht länger bereit, zu leben, um zu arbeiten. Sie sind nicht länger bereit, für beruflichen Erfolg ihr Privatleben dauerhaft hinten anzustellen. In einer Umfrage gaben 55 Prozent der Teilnehmenden an, binnen des nächsten Jahres eine neue Anstellung finden zu wollen. Trotz Millionen Arbeitsuchender stieg die Zahl der offenen Stellen auf dem US-Arbeitsmarkt Ende Juni auf ein Allzeithoch.
Was man mir als Ambitionslosigkeit auslegen könnte, spiegelt sich in meinem Lebenslauf wider, der alles andere als gradlinig ist. In einem Bewerbungsgespräch wurde ich einmal darauf angesprochen. Planlos wirke das. Außerdem so, als würde ich spätestens in zwei Jahren wieder etwas komplett anderes machen wollen. Meine Antwort war damals: „Gut möglich, das kann man nie wissen.“ Den Job habe ich trotzdem bekommen.
Es wirkt noch immer „planlos“ – auch als Artikel.
Die genannten ähnlich denkenden Personengruppen hängen zum Großteil noch im Studium oder sind gerade fertig geworden und werden Ihre Meinung noch an der Realität zu wetzen wissen.
Die Belege finde ich persönlich sehr dünn. Was interessiert mich der US-Arbeitsmarkt?
Auch ich habe in keinster Weise einen geradlinigen Lebenslauf aber am Ende doch einen Job gefunden der mich ausfüllt und für den ich gerne privat kürzer trete. Um diesen zu finden waren viele Jahre der Suche nötig, denn uns sind heutzutage sehr viele Möglichkeiten bei der Jobsuche gegeben und es dauert nun mal eine Weile da den geeigneten herauszufiltern. Auf meinem Weg lagen zahllose Praktika, angefangene Studiengänge und auch eine abgebrochene Ausbildung. Am Ende war es das vollkommen wert und wenn ich danach gefragt werde sage ich eben einfach, dass ich mir nach langer Suche nun meiner Sache sicher bin.
Auch, wenn ich manche Überlegungen gut nachvollziehen kann, bin ich mir nicht sicher, was die Autorin überhaupt unter dem Begriff „Karriere“ versteht. Wenn es um das Sammeln von Jobtiteln geht, stimme ich da absolut zu.
Aber „ein Job, der mir Spaß macht, im Idealfall auch sinnvoll ist, lieber mehr als weniger Freizeit und ein Gehalt, von dem ich ohne Geldsorgen leben kann“ ist eben für viele keine Einstiegsposition. Klar, es kann natürlich sein, dass man als Straßenbahnfahrer seine Erfüllung findet und 2.800 Euro brutto im Monat als üppig erachtet. Wer an seinen Beruf – sowohl in Bezug auf die Art der Tätigkeit als auch in Bezug auf das Gehalt – andere Ansprüche hat, muss manchmal eben die „Karriereleiter“ erklimmen.
„Karriere zu machen“ (was auch immer man darunter verstehen will) oder auch keine zu machen, steht jedem frei. Und wer seine Erfüllung und sein Lebensglück gefunden hat, wäre verrückt, hieran etwas ändern zu wollen. Aber manche müssen „Karriere machen“, um in ihrer Wunschposition anzukommen. Und ich habe im Übrigen volles Verständnis für Menschen, die beispielsweise nach Führungsverantwortung und hohem Gehalt streben.
Ich stimme dir zu bei der Aussage, dass „Wer an seinen Beruf – sowohl in Bezug auf die Art der Tätigkeit als auch in Bezug auf das Gehalt – andere Ansprüche hat, muss manchmal eben die „Karriereleiter“ erklimmen.“
Ich hatte sehr lange die gleiche Einstellung wie die Autorin, aber nach gut 10 Jahren im Beruf ändert es sich. Warum? Wenn ich der Spezialist bin, der seinen Job liebt und daher tut, was ihm liegt, komme ich an den Punkt, an dem ich merke, wie wenig Einfluss ich auf Entscheidungen habe. Als Spezialist „berate“ ich oft nur die Leitungsfunktionen, die dann entscheiden. Ironischerweise sind die mit der Leitung dann die „karrieregeilen“ Personen. Meine Aufgaben werden von diesen bestimmt und der Spaß an meinem Job leidet darunter, weil Menschen „mit dem Streben nach Macht und ohne Ahnung“ dann mir das Leben schwer machen…und nebenher mehr Geld verdienen.
Traurig aber wahr, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich für die Karriere nicht verbiegen möchte, aber auch gleichzeitig kein Idealist bleibe und manchmal doch dafür etwas tue…zum Beispiel mehr Gehalt zu fordern.
(Anmerkung: Wer zu wenig Geld bekommt, ist in den Augen vieler auch nicht mehr wert! Daher immer schön verhandeln)
Ich frage mich, wie es die Autorin schafft, „ohne Geldsorgen“ zu leben, ohne nicht ein bisschen Karriere zu machen. Was auch immer das heißt. Ich bin eher immer wieder schockiert, wie viel Geld es kostet, in einer Großstadt zu leben und ein einigermaßen aktives Freizeitleben zu haben, sich mal was gönnen, essen gehen… Mit Familie sieht es da ja noch mal ganz anders aus. Dass man sich in den Jahren davor darauf vorbereitet, um es dann etwas komfortabler zu haben ist doch eine nachvollziehbare Position. Finde den Artikel etwas eindimensional und unnötig wertend geschrieben. Kann doch jeder machen wie er oder sie will.
Hoffentlich ist es nicht so, wie in der Fabel mit dem Fuchs und den höher hängenden Trauben !? …