Karriere ohne Führungsrolle: Diese Alternative gibt es

Karrieretechnisch voll durchstarten ohne Personalverantwortung – das wünschen sich immer mehr Menschen. Aber welche Alternative zum hierarchischen Aufstieg gibt es? Und wie gut kann eine Reputation ohne Führungsposition gewährleistet werden? Immer mehr Unternehmen stellen sich diese Fragen. Eine Lösung kann die Expertenkarriere sein. Der Handelskonzern Otto ging 2017 mit einem eigenen Modell für die Expertenkarriere in die Pilotphase, mittlerweile läuft das Projekt in der dritten Kohorte. Wir haben nachgefragt, wie das Modell Expertenkarriere aufgebaut ist, welche Vorteile es bietet und wer von diesem Karriereweg profitieren kann.
Wie ist die Expertenkarriere aufgebaut?
„One Size fits all“ – das war einmal. In agilen Unternehmensstrukturen müssen auch Rollen neu strukturiert werden. Otto hat im Expertenmodell drei Karrierestufen eingeführt, gerechtfertigt durch die strategische Relevanz für den Konzern. Susanne Heinrichs ist Bereichsleiterin Recruitment, Performence-Management und HR-Controlling bei Otto. Sie erklärt den Aufbau des Modells so: „Wir haben drei Level geschaffen. Stufe eins ist der Professional Expert, der noch stark im jeweiligen Fachbereich verankert liegt. Die nächste Stufe ist der Senior Expert und dann kommt der Principal. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eines dieser Level einzustufen, nutzen wir ein Stellenbewertungssystem und versuchen so, möglichst fair und objektiv zu bleiben.“
Wer wird zum Experten?
„Zum Experten werden kann man entweder klassisch durch eine Beförderung, aber auch eine Umfirmierung ist denkbar“, erklärt Susanne Heinrichs. „Sollte zum Beispiel eine Führungskraft sagen, sie habe die Nase voll von Führung und wolle lieber in den Expertenstatus wechseln, dann ist das absolut möglich. Die Wege sind da durchlässig. Uns war es wichtig, die Expertenlevel nicht auf eine Stufe mit den Führungsleveln zu stellen, sonst hätten wir schließlich wieder eine hierarchische Struktur.“ Dass ein Principal vorher mal Direktor war, ist also genauso möglich, wie vom Bereichsleiter zum Principal zu werden.
Sichtbarkeit ist das Entscheidende
Doch wenn die Grenzen fließend sind, auf welche Weise erfahren die Experten dann Anerkennung und Reputation im Unternehmen? Der wichtigste Aspekt: Sichtbarkeit! „Wir begegnen mit der Expertenkarriere nicht nur dem Druck, dass weniger Menschen in Führung gehen wollen, wir sehen natürlich auch, dass sich Experten in der immer komplexer werdenden Arbeitswelt mehr Anerkennung wünschen“, sagt Otto-Bereichsleiterin Heinrichs. Darum werden die Experten je nach Expertise in verschiedene Verteiler aufgenommen, in unterschiedlichen Gremien zurate gezogen und zu Veranstaltungen eingeladen. Außerdem beraten die Experten den Vorstand oder Bereichsvorstand. „Die Experten arbeiten bei uns an crossfunktionalen Themenstellungen – auf Augenhöhe mit den Führungskräften. Also: Jeder, der die Expertise mitbringt, kann Einfluss auf wichtige Themen nehmen“, sagt Heinrichs. Die Wertschätzung der Experten zeigt sich allerdings nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch im Gehalt. Bei Otto ist die Gehaltsstruktur der Expertenkarriere jener der Führungskarriere ebenbürtig. Sichergestellt wird das über das Stellenbewertungssystem. Susanne Heinrichs erklärt: „Es gibt Gehaltsbänder, die mit der Wertigkeit der Position in Verbindung stehen. Der Titel dahinter spielt dann gar keine Rolle.“
Vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen sollen sich von der Expertenkarriere angesprochen fühlen und auch der Mittelbau des Unternehmens profitiert von der Alternativkarriere. Für ältere Kollegen, die ihre Führung abgeben wollen, plant der Konzern ein Advisor-Modell. Konzeptionell fertig sei das allerdings noch nicht.
„Die Expertenkarriere darf nicht zum Bahnhof werden.“
Seit es die Expertenkarriere gibt, wird das Modell von den Angestellten gut angenommen. Skepsis gab es anfänglich natürlich trotzdem. Vor allem die noch recht starke Reglementierung des Systems gefällt nicht allen. Dem Handelskonzern ist es allerdings wichtig, die Expertenkarriere möglichst strukturiert zu etablieren. „Will man eine Alternative zur Führungskarriere schaffen, besteht die Gefahr, dass diese Expertenposten inflationär verteilt werden an jene, die vielleicht lieber in Führung gehen würden, zu denen die Rolle aber nicht passt. Wir wollen aber keine 1b-Karriere schaffen, in die die Angestellten reindefiniert werden und die dann von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Bahnhof wahrgenommen wird. Darum limitieren wir die Expertenposten lieber und schauen, wie sich das System im Laufe der Zeit entwickelt“, berichtet Susanne Heinrichs. Denn eines sei ganz klar: Einen neuen Karriereweg zu etablieren, geht nicht von heute auf morgen. „Das ist ein Prozess. Aber man darf eben nicht müde werden, kulturell gewachsene Routinen aufzubrechen.“
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