Im Jahr 79 unserer Zeitrechnung wurde beim Ausbruch des Vesuv auch eine Bibliothek in der römischen Stadt Herculaneum zerstört. Erst nach knapp 1.700 Jahren wurden die etwa 20 Meter tief im Schlamm vergrabenen und seitdem praktisch versteinerten Überreste der 800 Papyrusrollen gefunden.
Papyrusrollen: Lesen ohne aufzurollen
Seitdem versuchen Forscher:innen dahinterzukommen, was in den Schriftrollen aufgezeichnet worden sein mag. Die besondere Herausforderung: Die Papyrusrollen dürfen nicht aufgerollt werden, weil sie anderenfalls zu Staub zerfallen würden.
Entsprechend umfangreich ist das Preisgeld, das im Rahmen der sogenannten „Vesuvius Challenge“ ausgeschrieben worden ist. Insgesamt stehen eine Million US-Dollar zur Ausschüttung bereit. Jetzt ist einem US-Studenten der University of Nebraska-Lincoln mit der Unterstützung von KI gelungen, zumindest einmal ein Wort zu entziffern.
Wort entziffert: Student gewinnt 40.000 Dollar
Luke Farritor gewann damit den sogenannten „First Letters Prize“, für den mindestens zehn Buchstaben auf einer höchstens vier Quadratzentimeter großen Fläche entziffert werden mussten. Dafür erhielt er 40.000 Dollar.
Nur kurze Zeit später entdeckte der Student Youssef Nader von der FU Berlin unabhängig davon dasselbe Wort im selben Bereich – und staubte noch 10.000 Dollar ab. Zudem soll er an anderer Stelle noch vier Spaltenreihen mit jeweils über sechs Zeilen ausmachen können, wie heise.de schreibt. Auch Farritor hat wohl schon weitere Zeichen aufgespürt.
Zuvor hatte Casey Handmer – mithilfe eines selbst entwickelten maschinellen Lernalgorithmus – schon nachgewiesen, dass sich in den Papyrusrollen Tinte befindet. Dafür gab es ebenfalls 10.000 Dollar.
3D-Scans der Rollen als Vorlage
Farritor und Nader ließen sich von der Vorarbeit von Handmer inspirieren und konnten auf hochauflösende 3D-Aufnahmen zurückgreifen, die schon 2019 an der University of Kentucky entstanden sind. Dafür hatten Forscher:innen die ungeöffneten Schriftrollen von einem Teilchenbeschleuniger durchleuchten lassen.
Wie die beiden Studenten bei der Entschlüsselung im Einzelnen vorgegangen sind, hat das Fachmagazin Nature in einem Artikel beschrieben.
Bis zum 31. Dezember 2023 haben interessierte Forscher:innen jetzt noch Zeit, den 700.000 Dollar schweren Hauptpreis zu erhalten. Das sei angesichts der aktuellen Entdeckungen „absolut erreichbar“, wie es auf der Vesuvius-Challenge-Seite heißt.
Der Preis geht an das Team, das als erstes vier Textpassagen aus dem Inneren einer der beiden zu untersuchenden Schriftrollen lesen kann.
Dieses Wort ist 40.000 Dollar wert
Aber welches Wort ist denn jetzt entdeckt worden? In Farritors Entdeckung ist das Wort „ΠΟΡΦΥΡΑϹ“ (Porphyras) zu lesen, was „lila“ entspricht. Aus Mangel an weiterem Kontext sind sich Papyrolog:innen aber noch nicht ganz sicher, ob es sich dabei um ein Substantiv oder ein Adjektiv handelt.
In Naders Entschlüsselung sind sogar noch weitere Buchstaben zu sehen. Diese könnten zwei weitere Wörter zeigen, nämlich: „ανυοντα“ (anyonta) was „erreichen“ bedeutet, sowie: „ομοιων“ (omoiωn). Das würde dann „ähnlich“ heißen.
Mal schauen, ob und wann es gelingt, weitere Wörter zu entschlüsseln.