Klaus Eck über Content-Distribution: „Der Überraschungseffekt reicht nicht mehr“

t3n.de: Ich dachte mir, ich setze einen Studenten dran, ein paar Inhalte ins Netz zu seeden. Was sag ich dem denn jetzt?
Klaus Eck: Leider ist das Content-Seeding nicht so einfach, dass man es Studenten überlassen kann. Oftmals werden Studenten in Agenturen dazu missbraucht, einfaches Content-Management zu betreiben. Das nennen einige dann Content-Seeding. Doch so funktioniert es nicht, weil das einer Content-Strategie bedarf. Inhalte ins Netz zustellen ist keine Strategie.
Ich muss mir überlegen, auf welchen Plattformen ich das machen kann – und ich brauche Kontakte. Das müssen nicht unbedingt Influencer sein. Aber ich brauche Kontakte, die mir dabei helfen, Inhalte bekannt zu machen. Ich muss sie in die Geschichte einbetten, sie also zum Teil meiner Geschichte machen. Dafür braucht es ein Storytelling, das auf einer Plattform funktioniert und in dem ich Dritte vorkommen lassen kann.
t3n.de: Wie mache ich das?
Sag nicht: „Hier ist mein Inhalt, mach da was mit.“ Lass sie von Beginn an Teil des Storytellings sein. Schreib über Influencer. Das kann ich nur machen, wenn ich ein gutes Netzwerk habe. Social Seeding setzt voraus, das eigene Content-Marketing strategisch zu durchdenken und sich zu überlegen: Auf welcher Plattform sind meine Zielgruppen überhaupt unterwegs? Und wie schaffe ich es, die Content-Distribution durch kleine Maßnahmen anzufeuern?
t3n.de: Kleine Maßnahmen?
Schon der Inhalt sollte einzigartig sein, zumindest ein bisschen. Vielleicht habe ich noch ein Video, das zu meinem Inhalt passt. Oder ein Bild, das sich von anderen abhebt. Und dann brauche ich die richtigen Kontakte, die diese Inhalte sehen. Dafür brauche ich also einen gewissen Vorlauf, die Kontakte muss ich erst einmal haben.
t3n.de: Das klingt nach etwas Neuem. Seeding – den eigenen Content geschickt ins Netz zu streuen und darauf zu warten, dass er keimt – war mal ein ziemlich großes Ding. Was ist aus diesem Konzept geworden?
Einfach mal irgendwo Inhalt hinzustellen und darauf warten, dass etwas passiert – auch mit Überraschungseffekt – das reicht heute nicht mehr.
Social Seeding lebt vom Überraschungseffekt: Mystery-Marketing, Guerilla-Marketing sind so Begriffe. Es kann nach wie vor gut funktionieren, wenn ich Inhalte und Ideen habe und sie nach und nach offenbare. Doch wir werden heute in jeder Sekunde in unseren Newsfeeds überrascht. Da muss schon sehr viel passieren, damit wir wirklich darauf anspringen.
Der Inhalt ist das entscheidende – aber es gibt so wahnsinnig viele Inhalte. Wir sind, was Content angeht, ziemlich gesättigt, wir nennen das Content-Schock. Einfach mal irgendwo Inhalt hinzustellen und darauf warten, dass etwas passiert – auch mit Überraschungseffekt – das reicht heute nicht mehr.
t3n.de: Sondern?
Content-Distribution ist ein ehrlicherer Begriff. Seeding heißt, ich kann den Content loslassen und das läuft dann schon. Content-Distribution bedeutet, ich muss ständig daran arbeiten, damit dieser Inhalt seine Performance auch hinlegt.
t3n.de: Wer macht’s denn gerade richtig gut?
Das Maggi-Kochstudio hat gerade einen neuen Bot aufgesetzt. Da reicht es, wenn der Head of Digital Communication & Brand PR von Nestlé Wagner, Benedikt Schaumann, das in seinem Linkedin-Profil als langen Beitrag veröffentlicht. Er hat das Konzept ganz sachlich erklärt, ich habe es auf anderen Plattformen aufgegriffen und relativ viel Resonanz bekommen.
Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie man mit wenig Aufregung einfach an sein Projekt glaubt und es von selbst funktionieren lassen kann. In dem man erklärt, was man vorhat, die Strategie darlegt und Dritten die Chance gibt, darauf zu reagieren. Manchmal reicht es, seine Hausaufgaben zu machen. In diesem Fall: Ein gutes Netzwerk zu haben, das kann auch in einem anderen Netzwerk sein. Postet man es dann, wird es von den Menschen, die sich für meine Themen interessieren, aufgegriffen und weitergespielt.
Unternehmen benötigen vor allem solche Markenbotschafter. Gar nicht unbedingt Influencer. Aber diese Markenbotschafter sollten mit einer gewissen Glaubwürdigkeit an ein Thema herangehen und ihren eigenen Zugang dazu darstellen.
t3n.de: Wie geht es eigentlich Facebook?
Facebook funktioniert nach wie vor – aber in dem organischen Newsfeed am besten für Menschen und am wenigsten gut für Fanpages. Bei Fanpages brauche ich grandiosen Content, um eine gute organische Reichweite zu erhalten. Wenn ich Geld dafür ausgebe, funktioniert es nach wie vor, weil ich die Beiträge direkt an Zielgruppen spielen kann.
Ich sollte nicht auf Snapchat, Facebook oder Instagram gehen, weil ich glaube, dass die Menschen da sind.
Ich muss mich überzeugen, ob sie tatsächlich dort sind, und überwachen, ob meine Inhalte auch funktionieren. Ich muss also ständig den Mut zum Experimenten haben, damit es auch wirklich klappt. Nutze ich es als Person, hängt der Erfolg von meinem Netzwerk ab. Stelle ich dieselben Inhalte wie vor fünf Jahren ein, bekomme ich nur einen Bruchteil von Reaktionen. Mit persönlichem Zugang klappt es. Aber einfach nur Inhalte einzustellen ist vielleicht ein Hobby, aber nicht wirklich professionell.
t3n.de: Gibt es eine unterschätzte Plattform?
Einige! Pocket, Nuzzel, Refind, Flipboard. Dort kann ich Inhalte, die ich twittere, als Bookmark hinterlegen, aber auch beschreiben. Ich kann also an vielen Stellen gleichzeitig den gleichen Inhalt posten. Außerdem sind sie langfristig für mich nutzbar. Auf Flipboard kann ich eigene Magazine erstellen und darüber mein Personal Branding verbessern. Dann verweise ich nicht mehr auf einen Beitrag, sondern auf viele eigene Ideen. Menschen, die gerade recherchieren, freuen sich darüber – auch auf lange Sicht. Über Refind oder Nuzzel kann ich zudem auch automatisiert Newsletter oder sogar Bots erstellen, die den aggregierten Content verschicken.
Selbst Slideshare funktioniert nach wie vor gut. So kann ich dort auf fünf bis zehn Slides meine Geschichte erzählen. An vielen Stellen sehe ich bislang zu wenig Konzept und zu wenig Experimentierfreude von den Menschen.
t3n.de: Hast du ein schönes „Bitte-nie-wieder“-Beispiel für uns?
Alles, was weit weg von der Marke ist und künstlich versucht, Aufmerksamkeit zu erregen, ist rausgeschmissenes Geld. Auch wenn man Aufmerksamkeit bekommt. Diese Aufmerksamkeit zahlt aber nicht unbedingt im Sinne des Content-Marketings auf die Marke ein.
Das Problem ist eher, dass es so viele langweilige Beispiele gibt. Die nimmt dann aber kein Mensch wahr. Ich versuche auch, sie nicht wahrzunehmen.
t3n.de: Wie verhindere ich das?
Ich bin ein großer Fan des Content-Controlling. In unserem Unternehmen d.Tales überprüfen wir, wie unsere oder einzelne Inhalte unserer Kunden performen, damit wir auch wissen, ob es sich lohnt. Und wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat, dann lohnt es sich, die Inhalte daraufhin zu optimieren. Das heißt auch nicht, dass eine kreative Idee nicht gut gewesen ist. Vielleicht passten die Umstände bei der Content-Distribution bisher nicht. Die ständige Überprüfung und Optimierung definieren das Content-Controlling.
Und: Je mehr ich auf Nischen-Inhalte setze, desto besser funktionieren sie. Das gibt vielleicht nicht immer schnelle Aufmerksamkeit. Aber mittelfristig bin ich damit erfolgreicher, als mit kurzen aufmerksamkeitsstarken Highlights, die zu nichts weiter führen, weil sie nicht wirklich auf die Marke einzahlen.
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Auch der beste Content braucht Distribution, d.h. Media at Scale. Selbst die großen Hollywood Studios – und wer möchte bezweifeln, dass Blockbuster 1A Content sind – verwenden nur bis zu 50% für die Content-Produktion und über 50% für die Promotion. Wer sich auf Seeding-Effekte und Inbound verlässt ist ein Content-Glücksritter (Hope is not a Plan) und fällt unter die Marketing-Kategorie „ganz nett, muss man halt auch machen“, wird aber langfristig keine signifikanten Marketing-Budgets erhalten. Marketing wird immer ROI getrieben sein und was nicht skaliert kann mit anderen Marketing Strategien nicht konkurrieren.
Content funktioniert zweifelsohne besser als klassische Werbung, digital zumal. Aber wenn ich als Marketer einen Werbespot für Millionen oder hunderte Contents für wenige bzw. keine planbare Reichweite erstellen soll, dann ist die Budget-Entscheidung denkbar einfach…
Facebook, Twitter, Outbrain und andere Native-Reichweiten-Kanäle sind Paid Channels ohne die kein Content Marketer mehr auskommt.