„Race to space“: Wettlauf um den Start der ersten deutschen Trägerrakete
„Aktuellen Schätzungen zufolge wird der gesamte globale Raumfahrtmarkt von 360 Milliarden US-Dollar (2018) bis 2040 auf bis zu 2.700 Milliarden Dollar um mehr als das Siebenfache wachsen“, beschrieb der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im August 2020 die Perspektive in seinem Konzept für einen deutschen Microlauncher-Startplatz.
Für Raketenbauer ist vor allem diese Zahl wichtig: Bis 2028 sollen pro Jahr weltweit etwa 1.000 Satelliten ins All geschossen werden. 86 Prozent davon sollen Kleinsatelliten sein. Tendenz steigend.
„Man muss abwarten, welche von den vielen jetzt angedachten Satelliten-Konstellationen wirklich in die Tat umgesetzt werden. Es ist wie bei den meisten Boomphasen – da gibt es zunächst eine Welle mit vielen, vielen Ideen. Einige werden sich durchsetzen, aber nicht alle“, gibt der Chef des Bremer Raumfahrtkonzerns OHB, Marco Fuchs, zu bedenken. Aber auch OHB hat das Potenzial längst erkannt.
RFA rechnet mit Starttermin 2022
Die zu dem Konzern gehörende Rocket Factory Augsburg (RFA) ist eine der Firmen, die in Deutschland mit Hochdruck an einem eigenen Trägersystem arbeiten. „Das Allerwichtigste und Allerschwierigste zugleich bei einer Rakete sind die Antriebe. Die ersten Triebwerktests finden in den kommenden Monaten in Kiruna (Schweden) statt. Es gilt: Sorgfalt vor Geschwindigkeit“, sagte der für Entwicklung und Produktion zuständige RFA-Vorstand Stefan Brieschenk. „Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann können wir einen Starttermin Ende 2022 erreichen.“
Der 25 Meter lange RFA 1 verfügt über drei Stufen und soll eine Nutzlast von 1,3 Tonnen befördern können. Angestrebt wird eine serielle Fertigung wie in der Autoindustrie. Die Frachteinheiten – Satelliten fürs Internet, zur Navigation, Erdbeobachtung oder Forschungszwecken – können auf unterschiedlichen Orbit-Höhen abgesetzt werden. „Man kann sich das wie ein Taxi in der Stadt vorstellen, das die Fracht exakt dort hinbringt und abliefert, wo der Kunde es will. Stichwort: Last-mile-delivery.“
Die Spectrum-Rakete des Konkurrenten Isar Aerospace ist 27 Meter lang und hat eine Nutzlast von einer Tonne. Das 2018 gegründete Startup zählt inzwischen 125 Mitarbeiter und hat seine Finanzierung bis zum Erststart bereits gesichert. „Der erste Teststart ist für Ende 2021 oder Anfang 2022 geplant. Es kann natürlich immer sein, dass wir bei Tests feststellen, dass ein System noch nicht zu 100 Prozent passt und es zu Verzögerungen kommt. Aber es schaut momentan gut aus. Wir sind im Plan“, sagte Geschäftsführer Daniel Metzler.
Ende Dezember sammelte Isar Aerospace bei Investoren 75 Millionen Euro ein. Zuvor waren bereits einmal 15 Millionen Euro Kapital von Investoren zusammengekommen. Es lägen bereits Kundenanfragen im Volumen von einer halben Milliarde Dollar vor, hatte das Unternehmen Ende 2020 mitgeteilt.
Konkurrenz ist hoch
Auch das Startup Hyimpulse in Baden-Württemberg ist mit den Anspruch angetreten, „den Zugang zum Weltraum zu revolutioniere“. Hyimpulse entwickelt eine Rakete mit einer Nutzlast von 350 Kilogramm für den Suborbitalbereich von rund 200 Kilometern Höhe für Schwerkraft-Experimente und Atmosphärenforschung sowie einen Microlauncher mit 500 Kilogramm Nutzlast für den Low-Earth-Orbit (LEO), der von 200 bis 2.000 Kilometern Höhe reicht.
„Alle drei Bewerber liegen im Moment Kopf an Kopf auf ihrem Weg zum Ziel und haben uns mit ihren Vorschlägen in technischer, wirtschaftlicher und operationeller Hinsicht überzeugt“, bilanzierte der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek im Sommer vorigen Jahres. Alle drei Unternehmen kamen damals beim Mikrolauncher-Wettbewerb des DLR Raumfahrtmanagements eine Runde weiter. Es geht um eine Förderung von insgesamt 25 Millionen Euro. In der ersten Hauptrunde werden elf Millionen Euro vergeben. Die Entscheidung fällt Ende April. dpa