Klimawandel verändert die Düfte in der Luft: Forscher prüfen die Folgen für unser Wohlergehen
Ob wir auf einer Blumenwiese liegen, nach einem Regenguss im Wald spazieren gehen oder durch eine Pinienlandschaft am Meer wandern: Die Natur liefert Düfte frei Haus, die unsere psychische und körperliche Gesundheit verbessern können. Belege dafür hat kürzlich ein internationales Forschungsteam im Fachblatt Science Advances zusammengetragen. Und die Autoren warnen. Denn vielerorts droht offenbar ein Schwund dieser Gratis-Dienstleistung – durch den Klimawandel, die Zerstörung natürlicher Lebensräume und durch die Umweltverschmutzung mit Industriechemikalien, Abgasen und Pestiziden.
Der Schaden kann zum einen dadurch entstehen, dass menschgemachte Emissionen den natürlichen Cocktail flüchtiger Substanzen in der Luft direkt verändern. Der Stickoxidausstoß von Autos etwa führt zu höheren Konzentrationen von gesundheitsgefährdendem, bodennahem Ozon. Andere Faktoren wirken sich eher indirekt aus. „Zum Beispiel, wenn wir dazu beitragen, dass die Artenvielfalt kleiner wird“, sagt Thomas Hummel, Geruchsforscher an der Technischen Universität Dresden und einer der Autoren. Schließlich nutzen Tiere und Pflanzen eine bunte Palette an Duftstoffen zur Kommunikation und zur Abwehr von Fressfeinden. Mit dem aktuellen Biodiversitätsschwund schrumpfe auch die Vielfalt der Gerüche und das wiederum wirke sich wahrscheinlich negativ auf das menschliche Wohlbefinden aus.
Die Autorinnen und Autoren der Science-Publikation, die aus den Natur-, Sozial und Gesundheitswissenschaften kommen, haben fast 300 Studien zum Thema durchforstet. Ihnen ist unter anderem zu entnehmen, dass natürliche Düfte – ob sie nun bewusst oder unbewusst wahrgenommen werden – unter anderem dafür verantwortlich sind, wie wir Emotionen regulieren, wie aufnahmefähig wir sind, was wir essen und wie wir uns erinnern. Manche Gerüche können außerdem gegen Depressionen und Entzündungen wirken.
„Für manche Gerüche sind wir sensibler als Ratten und Hunde“
Viele Zusammenhänge sind allerdings noch nicht im Detail verstanden und erfordern weitere Forschung. Einige gemeinsame Projekte und Doktorarbeiten dazu habe man schon auf den Weg gebracht, berichtet Thomas Hummel. „In einer Studie untersuchen wir zum Beispiel gerade das Wohlbefinden von Menschen in 20 Ländern weltweit. Wir nutzen dazu Armbänder, an denen flüchtige Substanzen adsorbieren. Dann können wir über einen bestimmten Zeitraum sagen, welchen Gerüchen die Menschen ausgesetzt waren, und über Befragungen herausbekommen, wie sie sich dabei fühlten.“
Das Autorenteam wünscht sich außerdem, dass das Thema Geruchswahrnehmung insgesamt gesellschaftlich einen höheren Stellenwert bekommt. Besonders in den Industrieländern werde die Bedeutung der Geruchswahrnehmung oft sehr unterschätzt. Eine Umfrage in den USA ergab beispielsweise, dass Jugendliche lieber auf den Geruchssinn verzichten würden als auf ihr Handy oder ihre Haare. Dabei ist unsere Nase besser als viele glauben. „Menschen haben exzellente olfaktorische Eigenschaften. Wir können eine außergewöhnlich große Bandbreite an Gerüche wahrnehmen und unterscheiden. Für manche Gerüche sind wir sensibler als Ratten und Hunde“, berichtet John P. McGann von der Rutgers University im Fachblatt Science. Die wesentlich für die Geruchswahrnehmung zuständige Gehirnregion Bulbus olfactorius bestehe zudem aus ähnlich vielen Neuronen wie bei anderen Säugetieren.
Die Autoren der Science-Publikation fordern, dass der Wert natürlicher Gerüche für das Wohlbefinden bei politischen Entscheidungen eine größere Priorität bekommt. Die Co-Autorin und Umweltforscherin Gretchen Daily errechnet mit ihrem Team schon seit Jahren Preise für Dienstleistungen von Flora und Fauna, um etwa die Wirtschaftlichkeit von Naturschutzprojekten beurteilen zu können. Auch in Deutschland wird dieser Ansatz verfolgt. Wie sehr dabei der Preis für die Naturdienstleistung „Produktion von Wohlfühldüften“ künftig zu Buche schlagen wird, bleibt abzuwarten.