Die publik gewordenen Hausbesuche bei erkrankten Tesla-Mitarbeitern hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen stark bewegt. Die einen sind empört über das Verhalten des Managements, das den Team-Mitgliedern hinterherspioniert. Andere empfinden das Verhalten legitim, weil der Krankenstand bei dem E-Autobauer wohl zuletzt besonders hoch war und der Eindruck entsteht, da feiern Beschäftigte krank.
Sind Hausbesuche bei Krankheit rechtmäßig?
Abgesehen von der Frage des Stils, ist jedoch die arbeitsrechtliche diesbezüglich relevanter. Dürfen Arbeitgeber erkrankte Mitarbeiter in ihren heimischen vier Wänden überhaupt aufsuchen, um sich ihrer Erkrankung zu vergewissern? Die überraschende Antwort lautet: ja! Alisa Nentwig ist Associate für Internationales Arbeitsrecht bei der Kanzlei Bird & Bird und klärt im t3n Gespräch über die Rechtmäßigkeit des Falles auf.
„Grundsätzlich darf der Arbeitgeber Hausbesuche durchführen, wenn er Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeit hat. Der Arbeitnehmer kann allerdings nicht zur Kooperation gezwungen werden, muss die Türe nicht öffnen und erst recht nicht den Arbeitgeber in die Wohnung lassen“, so die Juristin. Heißt also konkret: Wenn ein Mitarbeiter sich in der Wohnung stumm stellt, war der Kontrollbesuch ergebnislos.
Daraus könne ein Arbeitgeber nicht schließen, dass der Arbeitnehmer lediglich vorgibt, krank zu sein. Alternativ kann er bei Zweifeln den Medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten, der ebenfalls den Arbeitnehmer zu Hause besuchen kann, um die Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen. Jedoch passiert das in der Regel erst nach einem längeren Fernbleiben vom Arbeitsplatz und nur selten ohne eine Vorankündigung.
Darf der Arbeitgeber die Diagnose erfragen?
So wie um die Rechtmäßigkeit von Hausbesuchen gibt es weitere Fragen rundum die Krankmeldung und zu den Rechten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dazu zählt auch, ob Ersterer die Diagnose der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) erfragen kann. Alisa Nentwig verneint das gegenüber t3n. „Der Arbeitgeber darf Diagnosen nicht erfragen. Tut er das trotzdem, muss der Arbeitnehmer nicht antworten.“
Angesichts dessen schreibt der behandelnde Arzt auch keine Diagnosen auf die AU. „Der Arbeitnehmer ist nur dann zur Information des Arbeitgebers verpflichtet, wenn die Erkrankung etwa infektiös ist und andere Arbeitnehmer gefährdet sein könnten. Auch wenn die Arbeitsbedingungen zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben, muss der Arbeitnehmer dies mitteilen, damit der Arbeitgeber die Gründe beseitigen kann.“
Dürfen Arbeitgeber das Gehalt bei Krankheit kürzen?
Und wie steht es um Gehaltskürzungen während der Erkrankung? „Während der ersten sechs Wochen einer Erkrankung hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Zu einer Kürzung des Gehalts ist der Arbeitgeber dann grundsätzlich nicht berechtigt. Nach sechs Wochen entfällt dieser Anspruch und der Arbeitnehmer erhält Krankengeld von der Krankenkasse“, erklärt Alisa Nentwig auf Anfrage von t3n.
Für das Szenario gibt es jedoch auch Ausnahmen, die eventuelle Gehaltskürzungen rechtfertigen: „Wenn eine Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt oder sogar nur vorgetäuscht wurde, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Sondervergütungen, wie Gratifikationen oder Boni, können auch in engen Grenzen aufgrund von Krankheit anteilig gekürzt werden.“
Krankenstand: Zwei Wochen gelten als normal
Die Rechtslage zeigt: Der Arbeitnehmerschutz steht in Deutschland an oberster Stelle. Dennoch kann auch der Arbeitgeber auf gewisse Rechte zurückgreifen, sobald er sich von einem Beschäftigten getäuscht fühlt. In Deutschland lag 2023 der durchschnittliche Krankenstand laut Destatis bei 15,1 Tagen. Auch in den Jahren davor variierte der Krankenstand nur um wenige Tage. Ausfälle gelten in dem Rahmen als vollkommen normal.
Ganz ehrlich: wenn ich so stark erkältet bin, dass ich mich lieber ein paar Tage auskurieren will (also ohne Arztbesuch), dann hätte ich überhaupt kein Problem damit, dass mein Arbeitgeber sich persönlich davon überzeugt. Mir fällt kein Grund ein, das vor meinem Abreitgeber zu verheimlichen, indem ich mich zu Hause stumm stelle, sollte er per Telefon oder per Hausbesuch anfragen.