Künstliche Lebensformen könnten die Zukunft der Medizin sein
Das Stichwort „künstliche Lebensform“ lässt die meisten wohl an Science Fiction denken, doch auch in der echten Wissenschaft sind solche Lebensformen längst ein Thema. Wie eine neue Studie nun andeutet, könnten ihnen sogar die Zukunft der Medizin gehören.
Die Forscher ahmen die Natur nach
Hybride Peptid-DNA-Nanostrukturen nennt sich das erst zehn Jahre alte Forschungsgebiet, in dem kürzlich erhebliche Fortschritte gemacht wurden. Zu verdanken sind diese Chenguang Lou von der Süddänischen Universität und Hanbin Mao von der Kent State Universität, die zusammen die Studie im Fachmagazin Cell Reports Physical Science veröffentlicht haben.
Die beiden arbeiten an einer Kombination von DNA-Nanostrukturen und Peptid-Infrastruktur, um ein neues hybrides Molekül zu erschaffen. Durch die Fähigkeit von DNA, Zellen zu verändern und die chemischen Fähigkeiten von Peptiden – beides Funktionen, wie sie sich die Natur bei der Kreation lebender Organismen längst nutzbar macht – würde dadurch ein Molekül entstehen, das chemisch vielseitig und leicht programmierbar ist.
Das Ziel: Ein künstlicher Feind für Erreger, die keine natürlichen Feinde haben
Kurzum: Die Forscher ahmen die Natur nach und wollen, wie sie es nennen, selbstorganisierende Systeme erschaffen, deren Nutzen die Bekämpfung bestimmter Krankheiten ist. Lou schweben unter anderem künstliche Organismen vor, die Krankheiten identifizieren und vernichten können.
„Die meisten Lebensformen in der Natur haben natürliche Feinde, aber nicht alle“, wird Lou von phys.org zitiert. „Einige krankheitserregenden Viren haben beispielsweise keine natürlichen Feinde. Es wäre also ein logischer Schritt, eine Lebensform zu schaffen, die ein Feind für sie werden könnte.“
Weitere Ideen für derartige künstliche Lebensformen seien virale Impfstoffe und Anwendungen in der Diagnostik oder Medikation. So könnten die Organismen wie Nanoroboter fungieren, mit Arzneimitteln oder Diagnosetools ausgestattet werden und dann in die Körper von Patient:innen geschickt werden.
Künstliche Zellen sind in greifbarer Nähe
Ein Impfstoff, bei dem ein künstlicher Virus anstatt eines natürlich gewonnenen Vakzins die Immunabwehr des Körpers triggert, könne Lou zufolge schon in zehn Jahren fertig sein. Eine künstliche Zelle zu erschaffen sei jedoch ein Projekt für die nächste Generation an Wissenschaftler:innen in 20 bis 30 Jahren, wie er von Courthouse News Service zitiert wird.
„Aber mit dem Wissen, das wir bereits haben, steht der künftigen Erschaffung eines künstlichen, zellularen Organismus prinzipiell nichts im Wege“, zitiert das Magazin aus einer Stellungnahme Lous. Grundlage hierfür ist das hybride Molekül, das Lou und Mao selbst bereits 2022 kreiert haben.
Eine medizinische Revolution?
Die beiden sind indes nicht die einzigen Forscher:innen, die an derartigen Kombinationen der Fähigkeiten von DNA und Peptiden arbeiten.
An der Oxford Universität wurde eine Nanomaschine auf DNA-Basis erschaffen, die durch Zellmembran bohren kann, um Moleküle durchzulassen. Und die Ben-Gurion-Universität des Negev hat hybride Moleküle bereits verwenden, um Medikation für Krebserkrankungen zu Zellen zu transportieren – eine vielversprechende Methode, um Krebszellen gezielt angreifen zu können.
Lou nennt diese Entwicklungen in seiner Studie mit Mao eine „Revolution in der Medizin“. „Ich wäre nicht überrascht, wenn wir in Zukunft nach Belieben Nanomaschinen und sogar künstliche Lebensformen auf dieser Basis erschaffen könnten, die schwer heilbaren Krankheiten den Kampf ansagen.“