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Interview

Cyber Monday: Warum wir immer wieder auf diese Verkaufstricks hereinfallen

Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Kenning kennt die Strategien, mit denen Verbraucher:innen zum Kauf gebracht werden. Im Interview erklärt er, wie und warum sie funktionieren.

8 Min.
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Angebote im Internet locken Nutzer:innen: Warum funktionieren manche Strategien immer wieder? (Foto: ImageFlow / Shutterstock)

Rabatttage wie Cyber Monday, Singles Day oder Black Friday sorgen für ein hohes Suchvolumen im Internet. Und Unternehmen nutzen die Chance, um den Absatz anzukurbeln.

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Dabei verwenden sie verschiedene Strategien, die Kund:innen zum Kauf bringen sollen. Warum die immer wieder funktionieren, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Peter Kenning. Er ist Professor an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und unter anderem auf Consumer Neuroscience spezialisiert.

t3n: In der vergangenen Woche fand der Black Friday statt. Hat dieser Rabatttag durch Billig-Online-Anbieter wie Temu an Relevanz verloren? Verbraucher:innen sind günstige Angebote ja ganzjährig gewohnt.

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Peter Kenning: Ich denke, viele Kundinnen und Kunden haben sich zwar mittlerweile an solche Rabatttage gewöhnt, der Black Friday ist aber trotzdem ein besonderes Ereignis. Er ist in den Medien und den Köpfen der Kunden sehr präsent. Er hat fast schon einen eigenen Markenstatus – und dies, obwohl er ja noch recht neu ist. Die mit diesem Tag verbundene Aufmerksamkeit ist im Marketing jedenfalls eine notwendige Voraussetzung für ein im Sinne der Anbieter positives Kaufverhalten. Es verwundert daher nicht, dass an diesem Tag nach wie vor sehr hohe Umsätze erzielt werden, die alleine in Deutschland in die Milliarden gehen.

t3n: Allerdings ist fraglich, ob Produkte an diesen Tagen wirklich günstiger sind. Immer wieder gibt es Berichte, dass Waren vor solchen Aktionstagen teurer werden, damit der Preis dann gesenkt werden kann. Warum werden Kund:innen, trotz der kritischen Berichte, davon angezogen?

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Um dies zu erklären, kann man die sogenannte Self-Determination-Theory verwenden. Dieser Theorie zufolge lassen sich Menschen durch drei Faktoren zu einer Handlung motivieren. Der erste Faktor ist die Kompetenz: Menschen möchten gern etwas besonders gut können. Das kann etwa Fußball spielen oder Angeln sein oder eben das Schnäppchen jagen. Der zweite Faktor ist die soziale Anerkennung. Als soziale Wesen möchten Menschen von ihrem Umfeld angenommen werden und Anerkennung erfahren.

t3n: Und der dritte Faktor?

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Das ist die Autonomie. Viele Menschen mögen es gar nicht, bevormundet zu werden. Sie möchten eigene Entscheidungen treffen. Beginnen die Unternehmen nun, in bestimmten Situationen die Produkte zu verknappen, etwa indem die attraktiven Angebote nur kurze Zeit gelten, nehmen viele Menschen dies als Eingriff in ihre Autonomie wahr. Das motiviert sie umso dann mehr, diese vermeintlich besonders knappen Angebote zu kaufen. Die Self-Determination-Theory lässt sich zudem gut mit einer zweiten Theorie verbinden, mit der wir eine Kaufentscheidung erklären können.

t3n: Welche ist das?

Die Dual-Process-Theory. Diese basiert auf der empirisch bestätigten Annahme, dass eine Kaufentscheidung das Ergebnis einer Wechselwirkung aus einerseits emotional unbewussten, affektiven, reflexiven Prozesselementen und andererseits kognitiv bewussten, reflektiven Prozesselementen ist. Die Angst, den Zeitpunkt zu verpassen, an dem das Produkt preiswert ist, ist ein emotionaler Faktor. Er kann die Kaufentscheidung somit emotional beeinflussen. Die Menschen kaufen dann einfach etwas, nur weil sie Angst haben, ein gutes Angebot zu verpassen.

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t3n: Das heißt, wenn Konsumenten Verknappungsangebote sehen, werden sie damit emotional getriggert und zum Kauf angetrieben?

Genau, aber es gibt eine erhebliche interpersonelle Varianz. Manche Menschen lassen sich davon kaum beeinflussen, sie wissen möglicherweise gar nicht, was der Black Friday ist. Andere lassen sich hingegen durch die Angst, etwas zu verpassen – wir bezeichnen diese Angst auch als Fear of missing out – stark beeinflussen.

t3n: Springt eigentlich die Mehrheit der Deutschen auf solche Rabattangebote an?

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Tatsächlich gibt es große Unterschiede. Und diese basieren nicht nur auf der soeben genannten Fear of Missing out. Persönlichkeitsmerkmale, Eigenschaften wie zum Beispiel das Preiswissen der Kunden sowie Stimmungen können ebenfalls als mögliche Gründe für Verhaltensunterschiede genannt werden. Auch das Einkommen spielt eine Rolle. Um diese Unterschiede zu erklären, kann man erneut verschiedene Theorien verwenden.

t3n: Welche sind dafür passend?

Eine aus meiner Sicht besonders praktische Theorie zur Erklärung des Kaufverhaltens ist die Theory of Consumption Value. Laut dieser bestimmt der durch einen Kunden wahrgenommene Konsumwert maßgeblich die Kaufentscheidung. Dieser wahrgenommene Konsumwert setzt sich aus fünf Teilwerten zusammen.

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t3n: Können Sie die einzelnen Werte einmal beschreiben?

Den funktionalen Wert bestimmt etwa das Preis-Leistungs-Verhältnis, der emotionale Wert dreht sich beispielsweise um Design und Marke. Ob das Produkt im Umfeld anerkannt ist, beeinflusst dessen sozialen Wert. Er spielt gerade bei Kindern und Jugendlichen oft eine große Rolle. Der epistemische Wert zeigt, ob das Produkt etwas Neues bieten kann. Und der Conditional Value ist schließlich in Bezug auf bestimmte Situationen wichtig. Mit ihm lässt sich verständlich erklären, warum Menschen gerade jetzt Adventskalender kaufen. Diese fünf Faktoren treiben also den Konsumwert. Senkt ein Unternehmen seine Preise, wird damit der funktionale Wert beeinflusst, der Konsumwert steigt und der Kauf wird wahrscheinlicher.

t3n: Warum haben wir in Deutschland kein gutes Preiswissen?

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Dafür gibt es eine hervorragende Erklärung, allerdings habe ich auch lange gebraucht, um darauf zukommen. Auch meine Studierenden frage ich gern nach Preisen für Produkte: Beim Nutella-Glas gelingt die Einordnung noch, frage ich nach dem Preis für Nudeln, wird es schon schwer. Warum heben Unternehmen also die Preise nicht an, wenn der Großteil sie falsch einschätzt? Tatsächlich wegen der 20 Prozent, die Preiswissen haben. Diese Käufer reagieren nämlich auf die Preisveränderungen, und da gerade im Lebensmitteleinzelhandel die Umsatzrendite eng berechnet ist, spüren die Händler diese Auswirkungen. Viele Kunden brauchen also gar kein Preiswissen, weil es wenige Kunden gibt, die dieses Wissen haben. Und diese wenigen reichen aus, um den Händler in Schach zu halten. Allerdings gibt es diesen Effekt der ökologischen Rationalität beim Onlineshopping nicht. Händler können die Preise personalisieren. Wer kein Preiswissen hat, zahlt möglicherweise mehr.

t3n: Warum reagieren wir eigentlich noch immer auf die Strategie der künstlichen Verknappung, wenn wir doch wissen, dass wir ein permanentes Überangebot haben?

Auch das erklären die Self-Determination-Theory und die Dual-Process-Theory. Die zeitliche Vorgabe schränkt meine Autonomie ein. Dies motiviert mich, das Produkt zu kaufen. Die Angst, etwas zu verpassen, übertrumpft parallel dazu das kognitiv geprägte Wissen darüber, dass es ein permanentes Überangebot gibt.

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t3n: Welche Rolle spielt die derzeit wirtschaftlich schlechte Lage? Macht sie Rabattaktionen am Black Friday noch attraktiver?

Hier ist die spezifische Befundlage nicht immer eindeutig. Meine Vermutung ist, dass Preissenkungen am Black Friday gerade bei den Produkten eine Rolle spielen, die gekauft werden müssen. Benötigt ein Kunde beispielsweise einen neuen Staubsauger, dann wartet er vermutlich bis zum Black Friday, um diesen zu kaufen. Die Anzahl derjenigen, die gerade ein technisches Produkt kaufen möchten und mit dem Kauf so lange warten, bis ein gutes Angebot kommt, dürfte dann, wenn die wirtschaftliche Lage schlecht ist, vergleichsweise hoch sein. Generell spüren wir aktuell eine Kaufzurückhaltung in Deutschland.

t3n: Neben Rabatten gibt es auch „3-für-2“ oder ähnliche Angebote. Damit sollen Menschen dazu gebracht werden, mehr zu kaufen. Druck wie Countdowns löst das ja nicht per se aus. Wie funktioniert also diese Masche?

Die Bündelung sorgt faktisch für eine Preisreduktion der einzelnen Artikel und damit zu einer Verbesserung des wahrgenommenen Preis-Leistungs-Verhältnisses. Der Theory of Consumption Values zufolge erhöht dies den Functional Value und damit den Konsumwert. In der Folge steigt die Kaufwahrscheinlichkeit gegenüber diesen Produktbündeln.

Welche Trends wird es im E-Commerce 2025 geben? Benedikt Sauter, Co-Founder Xentral, gibt einen Ausblick:

t3n: Eine weitere Strategie ist, Kunden durch vermeintlich verfügbare Produkte in den Onlineshop zu locken. Sie machen die gesamte Customer-Journey durch, fügen das Produkt in den Warenkorb hinzu und bekommen schließlich angezeigt, dass es doch nicht verfügbar ist. Welcher Sinn steckt dahinter?

Wissenschaftlich erklären wir damit, dass Menschen in den verschiedenen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses unterschiedliche Ziele verfolgen und demzufolge auch Informationen unterschiedlich bedeutsam sind. Wir brauchen oft lange, um eine Entscheidung zu treffen. Haben wir sie aber einmal getroffen, verengt sich unser Wahrnehmungsbereich. Es geht dann nur noch darum, das Ziel zu erreichen. Wir wollen dann etwas kaufen. Bekommen wir das gewünschte Produkt nicht mehr, wollen wir unser Ziel aber trotzdem erreichen und kaufen dann wenigstens etwas Anderes.

t3n: Wir haben jetzt über verschiedene Strategien beim Onlineshopping gesprochen. Was ist aus Ihrer Sicht noch wichtig?

Ergänzend zum Thema künstliche Verknappung spielen sogenannte Dark Patterns eine bedeutsame Rolle im Onlineshopping. Hierbei handelt es sich um die manipulative Gestaltung von Websites seitens der Anbieter, unter anderem um Kunden zum Kauf zu verleiten. Ein Beispiel ist das Dark Pattern „Sneak-into-basket“.

t3n: Erklären Sie doch bitte einmal, was dieses Dark Pattern ist.

Dabei werden dem Produktpreis, dem Ankerpreis, im Kaufprozess für den Kunden kaum erkennbar, weitere kostenpflichtige Ergänzungen hinzugefügt. Wir bezeichnen das auch als Drip-Pricing: Bis der gesamte Preis entsteht, tropfen immer verschiedene Teilpreise zum Ankerpreis. Häufig zu beobachten ist das beim Kauf von Flugtickets oder bei den Versandkosten im Onlineshopping. Ein Angebot wirkt dabei auf den ersten Blick günstiger, als es letztlich ist.

Wie kreatives Marketing aussehen kann, siehst du hier: 

Kreative Beispiele für Guerilla-Marketing Quelle: (Bild: stockwerk-fotodesign / Shutterstock)

t3n: Dark Patterns sind teilweise verboten, „Sneak-into-basket“ darf beispielsweise nur über eine Frage wie „Möchtest du etwas hinzufügen?“ und nicht automatisch eingebunden werden. Wie verbreitet sind die Dark Patterns, trotz partiellem Verbot, und wird die Nutzung in Zukunft weniger werden?

Das ist zunächst einmal eine rechtliche Frage, die auch die Rechtsdurchsetzung betrifft. Auf der EU-Ebene wird das Thema aktuell im Rahmen des Digital-Fairness-Fitness-Check in den Blick genommen. Die derzeit geltenden Normen werden überprüft und angepasst. Aber auch aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive kann man den Einsatz von Dark Patterns kritisieren. Unternehmen, die diese Techniken nutzen, laufen Gefahr, dass die Kunden, die dies bemerken, abwandern. Diese Kundenabwanderung kann dann den Unternehmenswert negativ beeinflussen.

t3n: Zum Thema Kundenbindung: Als wichtig für das zukünftige Marketing gilt das Erlebnismarketing. Wird das, auch unter psychologischen Gesichtspunkten, in Zukunft an Bedeutung gewinnen?

Ja, das ist ein sehr wichtiges Thema. Lange Zeit hat man Marketing in den Kategorien „Produkte“ und „Dienstleistung“ gedacht, also Dingen, die vermarktet werden sollten. Nach und nach wurde aber deutlich, dass die Menschen diese Dinge aber eigentlich nur deswegen kaufen, weil sie damit Probleme lösen möchten.

t3n: Haben sie dafür ein Beispiel?

Sie kaufen zum Beispiel einen Hammer nur deswegen, weil sie das Problem lösen möchten, ein Bild in ihrer Wohnung an die Wand zu hängen. Dies führte dazu, dass man im Marketing in Problemlösungen gedacht hat. Heute sieht man allerdings, dass die Kunden eigentlich das Bild nur deswegen an die Wand hängen möchten, weil sie sich dann in ihrer Wohnung wohler fühlen, diese schöner empfinden und vielleicht sogar soziale Anerkennung bekommen, etwa wenn ein Gast das Bild ebenfalls schön findet. Das Bild dient also zur Vermittlung positiver Erlebnisse. Das Erlebnismarketing ist dementsprechend darauf ausgelegt, dem Kunden möglichst viele, möglichst positive Emotionen und Gefühle zu vermitteln.

t3n: Warum ist das Erlebnismarketing für Unternehmen auch in Zukunft wichtig?

Unternehmen differenzieren sich mit diesen Emotionen vom Wettbewerb. Und diese Differenzierung führt zu einer Reduktion der Vergleichbarkeit und damit zu preispolitischen Spielräumen. Erlebnisorientierung ist daher das aktuelle und wohl auch künftige Paradigma des betrieblichen Marketings.

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