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Lieferando-Chef geht Aktivisten auf den Leim und teilt gegen Betriebsräte aus

Dem Künstlerkollektiv Peng gegenüber hat Lieferando-Chef Jörg Gerbig Klartext geredet. Es ging um sein Geschäftsmodell und was er von Betriebsräten hält. Ganz freiwillig tat er das aber wohl nicht.

3 Min.
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(Foto: Shutterstock/Cineberg)

Aus den Städten in Europa und den USA sind sie kaum mehr wegzudenken: die Fahrerinnen und Fahrer der Essenslieferdienste. Sie waren mal in vielen verschiedenen Farben gekleidet – je nach Lieferdienst grau-türkis, knallpink oder grün. Seit gut zwei Jahren sieht man auf deutschen Straßen aber vor allem das Lieferando-Orange. Dessen Chef Jörg Gerbig hat jetzt in einem 43 Minuten langen Telefongespräch mit den Aktivisten von Peng Collective ungewöhnlich offen und unzensiert gesprochen – weil er davon ausging, die Bundesregierung am Hörer zu haben.

Lieferando-Chef ist kein Fan von Betriebsräten

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Peng arrangierte das Telefonat mit einer Mitarbeiterin des erfundenen Bundesamtes für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe, geführt wurde das Gespräch dann am 10. Juli. Heute veröffentlichten die Aktivistinnen und Aktivisten dann ein Video sowie das Gesprächsprotokoll. Gerbig äußert sich darin mehrfach kritisch in Bezug auf Betriebsräte, weil diese seiner Meinung nach in der Lage seien „den Betriebsablauf substantiell [zu] gefährden.“ Probleme sieht er auch im Mitspracherecht eines Betriebsrats beispielsweise in Bezug auf die Schichtplanung und befürchtet, dieser könnte seinen Einfluss dort nutzen, um andere Interessen durchzusetzen: „Das heißt, jeder der lokalen Betriebsräte kann potentiell, aus welchem Grund auch immer, unseren Schichtplan jede Woche blockieren, um irgendeine andere Sache durchzusetzen.“

Im Hinblick auf die Coronakrise sieht Gerbig Lieferando aufseiten der Profiteure, Unterstützung vom Staat wünscht er sich aber trotzdem. Die Krise zeige außerdem womöglich einen beschleunigten Strukturwandel auf. Er wünscht sich in diesem Zusammenhang von der Regierung, „dass man weiterhin Rahmenbedingungen schafft, um die Firmen vielleicht auch zu stärken, die in diesem Strukturwandel gut funktionieren können.“ Auf Nachfrage beantwortet Gerbig nicht sofort, wofür er staatliche Unterstützungsgelder einsetzen würde. Er verweist stattdessen darauf, dass Lieferando international operiere und man sich überlegen müsse, wo man Hauptstandorte – und damit Arbeitsplätze – ansiedle. Staatliche Unterstützung könne hier Anreize schaffen, sich mehr auf Deutschland zu fokussieren und beispielsweise Callcenter aufzubauen.

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Die sogenannte Gig-Economy gerät immer wieder in die Kritik; insbesondere wird angeführt, dass sich das Risiko, beispielsweise im Krankheitsfall oder nach einem Unfall, komplett auf die Seite der Gig-Worker verlagere, die dann auf keinerlei Lohnfortzahlung hoffen können. Lieferando selbst gibt an, gerade keine Gig-Economy zu betreiben: Alle Fahrerinnen und Fahrer seien fest und sozialversicherungspflichtig angestellt und erhielten demnach auch Urlaubstage sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die junge Frau, die im Video mit dem Peng Collective spricht und harte Kritik an Lieferando äußert, sei dem Unternehmen nicht bekannt. Es handle sich entweder um eine Schauspielerin oder eine Fahrerin, die nicht direkt bei Lieferando, sondern über ein Restaurant angestellt ist. In diesem Fall sei es theoretisch möglich, dass sie für ihre Arbeitsausrüstung bezahlen musste – das sei dann jedoch durch das Restaurant bedingt und nicht so von Lieferando vorgegeben oder vorgesehen. Den Vorwurf, Trinkgeld käme nur bei den Lieferanten an, wenn Kunden es direkt gäben, weist Lieferando ebenfalls von sich. Festangestellte Fahrerinnen und Fahrer erhielten ihr Trinkgeld zu 100 Prozent und steuerfrei mit dem monatlichen Gehalt. Auch halte man Restaurants, die ihre Lieferungen selbst organisieren, immer an, Trinkgelder weiterzugeben an die, für die sie gedacht sind.

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Auf eine Konfrontation mit den Aussagen und das Gesprächsprotokoll durch Peng hat Lieferando bislang nicht reagiert.

Wer steckt hinter Peng?

Hinter dem eingetragenen Verein Peng mit Sitz in Berlin steckt ein Kollektiv aus Künstlerinnen und Künstlern, Aktivisten, Handwerkern und Wissenschaftlern. Ziel der subversiven Aktionskunst ist es, die Zivilgesellschaft aufzurütteln und zu mehr Mut zu bewegen. 2018 wurde das Kollektiv mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Das Gespräch mit Lieferando-Chef Gerbig erfolgte im Rahmen einer Aktion namens Klingelstreich beim Kapitalismus. Als fiktives Bundesamt für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe hat Peng mit CEO und Führungskräften von insgesamt zehn deutschen Unternehmen, darunter vier Dax-Konzernen, gesprochen. Auch diese Gesprächsprotokolle hat das Kollektiv veröffentlicht.

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Update vom 18. November 2020, 11 Uhr: t3n hat von Lieferando inzwischen eine Stellungnahme erhalten. Die Statements haben wir in der Meldung ergänzt.

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Klaus

„So müssten Fahrerinnen und Fahrer etwa ihre gesamte Arbeitsausrüstung selbst kaufen und auch ihre privaten Smartphones nutzen. “ – Sicher? Oder bietet Lieferando vielleicht auch die Möglichkeit ein „CompanyBike“ für die Schicht zu nutzen? Und Arbeitsausrüstung – stellt Lieferando nicht T-Shirts, Jacken, Regenschutz und Fahrradhelm, sowie Rucksack. Glaub Pfand wird hinterlegt und das auch nur für den Rucksack, ansonsten Unterschrift und bei Rückgabe gibt’s Pfand zurück.

Und krankheitsbedingte Abwesenheiten werden bezahlt, nur mal so.

Also ich will jetzt nicht Partei für Lieferando ergreifen, aber es muss ja hier nicht übertrieben werden.

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