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Schattenwebsites: Lieferando gräbt Restaurants das Wasser ab

Schwierige Entscheidung für Restaurants: Mit Lieferando arbeiten oder auf Umsatz möglicherweise verzichten? (Foto: Shutterstock/Cineberg)
Der Essenslieferdienst Lieferando profitiert von den geschlossenen Restaurants in großem Umfang – einerseits durch die höhere Nachfrage der Kunden, die derzeit nicht zum Essen ins Restaurant gehen können, teilweise aber auch von den gestiegenen Umsätzen der Restaurants, die Essen zustellen lassen. Im letzten Jahr stieg Lieferandos Umsatz um 50 Prozent.
Für die Restaurantbesitzer ist das Fluch und Segen zugleich: Denn viele von ihnen bieten auch Selbstabholung an und sind ansonsten über die Dienste von Lieferando ganz froh, auch wenn diese mit einer Provision von in der Regel 13 Prozent behaftet sind, selbst wenn die Auslieferung über eigene Fahrer erfolgt und nur das Geschäft über Lieferando zustande kam. Fährt einer der Lieferando-Radler das Essen aus, sind es in der Regel sogar 30 Prozent, die das Restaurant an den Dienst zahlt. In einem Marktsegment, das auch außerhalb des Lockdowns schon eher an den Getränken als am Essen verdient, ist das ein echtes Problem.
Doch noch größer wird das Problem durch Zehntausende Schattenwebseiten europaweit, die laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks vom niederländischen Konzern „Just Eat Takeaway“, zu dem auch Lieferando gehört, registriert wurden. Rund 120.000 Domains sollen es europaweit sein, 50.000 davon immerhin in Deutschland – das IT-Sicherheitsunternehmen Domaintools hat entsprechende Daten für die Auswertung zur Verfügung gestellt. Sind diese – und das kommt nicht selten vor – besser SEO-optimiert als die eigentliche Website des Restaurants, erscheinen sie sogar weiter oben in den Google-Suchergebnissen. Und nicht wenige Kunden buchen so über Lieferando, ohne dies zu wollen oder die Alternative der direkten Bestellung beim Restaurant ohne Zwischenhändler zu sehen, da diese Microsites aufgrund ihrer Gestaltung nicht für jeden Nutzer auf den ersten Blick als System-Websites zu erkennen sind. Hinzu kommt eine Bestellmöglichkeit innerhalb der Google-Ergebnisseiten, die ebenfalls via Lieferando abgewickelt wird.
Im Falle des Beispiel eines vietnamesischen Restaurantbesitzers aus München, den der BR als Beispiel anführt, hat sich dieser nur noch die Domain https://www.jackglockenbach.live sichern können – geht man auf die (höher gerankte) Domain https://www.jackglockenbach.de, landet man hingegen auf einer Restaurantseite, über die man Essen via Lieferando bestellen kann. Inzwischen wurde diese (im konkreten Fall) offenbar auf Wunsch des Inhabers durch eine generische Vorschaltseite von Lieferando ersetzt, über die man auf die Lieferando-Startseite kommt. Beworben wird das Ganze zusätzlich mit Google-Ads.
Lieferando selbst erklärt, diese Websites seien ein Bestandteil des Vertrags und ein Service für die Restaurants, den insbesondere kleinere Anbieter schätzen würden. „Unsere Mini-Sites helfen insbesondere unseren kleinen Restaurantpartnern im Wettbewerb und verschaffen ihnen zusätzliche Umsätze. Die meisten Gastronomen freuen sich über diesen inbegriffenen Zusatzservice“, erklärt ein Lieferando-Sprecher. „Wir erstellen Mini-Sites ausschließlich für unsere Restaurantpartner, und diese können die Erstellung ihrer Mini-Site ablehnen oder auch später bereits erstellte Mini-Sites offline nehmen lassen.“ Auch die Google-Werbung spare dem Restaurant ja Mediabudget.
Offenbar ist diese Opt-out-Möglichkeit aber nicht jedem der Gastronomen klar. Spricht man mit Betrieben über dieses Vorgehen, ist das Bild tatsächlich gespalten: Ein Restaurantbesitzer, der seinen Namen in dem Zusammenhang nicht öffentlich lesen will, erklärt, Lieferando sei aufgrund seiner Größe gerade in der Pandemie ein wichtiger Absatzkanal, doch der Preis dafür sei hoch und die erfolgreiche Werbung im Netz eine echte Herausforderung.
Für die Gastronomiebetriebe schafft diese Zusammenarbeit eine hohe Abhängigkeit, die inzwischen so weit reicht, dass Unternehmen die Wahl haben, ob sie sich auf die „nahezu monopolistischen Strukturen“ (so der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) über das Unternehmen) einlassen oder auf den zusätzlichen, in der Krise besonders dringend benötigten Umsatz verzichten. Erdrückend und unbefriedigend ist die Situation für die Wirte in beiden Fällen. Die Fälle zeigen aber auch, wie wichtig es für Unternehmen jedweder Branche ist, sich zum einen möglichst bald vor oder nach Eröffnung nicht nur die naheliegende Domain zu sichern, sondern auch einige weitere Domains mit dem Unternehmensnamen in verschiedenen Kombinationen – und diese nicht zuletzt durch den entsprechenden Google-My-Business-Eintrag zu optimieren.
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