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Analyse

Local Commerce: Warum sich die lokale Fußgängerzone im Internet rechnen kann

Eine lokale E-Commerce-Plattform, die den Handel in der Stadt beleben soll? Funktioniert hervorragend – aber nicht so, wie sich die Geschäftsleute Local Commerce vorstellen.

4 Min.
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(Grafik: baza178/Shutterstock.com)

Vergangene Woche ging „Wir in Günzburg“ an den Start, eine E-Commerce-Plattform, die den Geschäften in der bayerischen 20.000-Einwohner-Stadt die lokalen Kunden (zurück-)bringen soll. Diejenigen, die alle bei Amazon, Zalando und Co. kaufen und vermeintlich dafür verantwortlich sind, dass es dem Handel vor Ort so geht, wie es ihm geht.

Es ist nicht die erste Initiative dieser Art – mehr als 50 ähnliche Zusammenschlüsse lokaler Händler sind bereits am Start: Von Attendorn und Albstadt, bis Wuppertal und Zürich ist alles dabei. Teilweise handelt es sich um einfache Online-Schaufenster, teilweise um vollständige Plattformen mit Shop-Funktionalität oder zumindest Reservierungsfunktion. Bringt alles nichts, wie der Kollege Jochen Fuchs ausgeführt hat? Doch! Es bringt dem Kunden zumindest die Alternativen vor Ort – und auf die zu setzen ist alles andere als eine Mitleidsnummer oder ein Samariter-Komplex, sondern Abwägen zwischen Verfügbarkeit vor Ort, wo man sie braucht, und Fokussieren auf den Preis, wo man den lokalen Handel nicht braucht.

Local Commerce löst nicht alle Probleme – aber einige

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Die Frage ist nur, ob die Händler mit den richtigen Erwartungen an die lokalen Rettungsringe herangehen: Wenn man die aktuelle Meldung zum Günzburger Modell bei Bild.de liest, muss man davon ausgehen, dass da entweder falsche Versprechungen gemacht werden oder die Macher mit wenig Realitätssinn ausgestattet sind: „Günzburg hat jetzt dem Internet-Riesen Amazon den Krieg erklärt“ ist da zu lesen – das ist natürlich Unsinn. Die beschauliche Stadt nahe Augsburg, die überregional allenfalls durchs deutsche Legoland bekannt ist, zeigt den Konsumenten in ihrem Einzugsbereich höchstens auf, was sie am lokalen Handel haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Waren kommen – grandioser „Trick“ – noch am gleichen Tag mit dem Taxi ins Haus, wenn man sie bis 16.30 Uhr bestellt.

Ein Schluck aus der Pulle: Mit Local-Commerce-Initiativen können regionale Geschäfte ihre Kunden adressieren. Für den eigentlichen Commerce taugt das aber nicht. (Foto: Wir in Günzburg)

Und der zitierte Weinhändler, der Amazons Gebühren als Wettbewerbsnachteil gegenüber dem lokalen Shopping-Portal nennt, sollte sich ebenfalls überlegen, ob der bundesweite E-Commerce, wie ihn Amazon, Real und Co. bieten, für ihn die richtige Nische ist. Er kann so viel mehr bieten: ein Einkaufserlebnis, das den Kunden dann im Laden empfängt, wenn er die Zeit dafür hat – und ihm umgekehrt dann die Flaschen in ein paar Stunden ins Haus bringt, wenn er eben gerade keine Zeit hat, weil er spontan Besuch bekommt. Er muss es nur kommunizieren – und das ist der Nutzen, den Local-Commerce-Portale leisten können, wenn die Macher fürs richtige Online- und Social-Marketing sorgen und sich vor Ort darum bemühen, dass Otto Normalverbraucher die Initiative kennen und sich im entscheidenden Moment fragen „gibt’s da nicht auch was …?“.

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Local Commerce: Eher Marketing-Tool als Commerce-Portal

Deswegen dürfte, darauf würde ich in der Tat ein paar Flaschen Wein verwetten, die Zahl der über das Portal abgewickelten Käufe verschwindend klein bleiben – insbesondere zu klein, um für die Händler den Aufwand der jeweiligen Warenhaltung in der Datenbank zu rechtfertigen. Was aber viel wichtiger ist: Es bringt die Händler ins Gespräch, wenn auch mehr auf einer Marketing-Ebene. Denn auch wenn es bequem ist, ein Buch binnen 24 Stunden per Amazon im Briefkasten zu haben, ist doch vielen Kunden bewusst, dass sie damit den Händlern vor Ort keinen Gefallen tun.

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Der Kunde muss das Gefühl haben, dass er unkompliziert so einkaufen kann, wie er das möchte, er wird aber auch das angebotene Einkaufserlebnis beim Wein- oder Teehändler vor Ort zu schätzen wissen. Denn das ist ja bei vielen lokalen Händlern das Problem: Sie zeigen dem Kunden nicht ausreichend auf, dass sie für ihn Problemlöser sein wollen und ihm die gewünschte Ware so unkompliziert wie der E-Commerce zur Verfügung stellen können (das Preisargument ist da für viele Kunden nur noch ein zusätzliches, aber gar nicht mal das alles entscheidende).

Einkaufserlebnis und Kundenkontakt: Händler müssen Kunden zu Influencern werden lassen

In Zukunft werden wir auf zweierlei Art einkaufen: Das alltägliche Einkaufen ist das Pflichtprogramm, das wir möglichst reibungslos und effizient lösen wollen, das genussvolle Konsumieren und Shoppen berührt dagegen die Seele. Für 77 Prozent der Deutschen werden diese realen Erlebnisse umso wichtiger, je mehr Einkauf über digitale Kanäle abläuft (laut QVC-Zukunftsstudie).

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Und in bestimmten Bereichen hat es der stationäre Handel naturgemäß leichter als der unpersönliche Internethändler mit der großen Lagerhalle. Der Tee-, Wein- oder Delikatessenhändler, das Fachgeschäft für Designermöbel oder Geschäfte für Luxusartikel generell – sie alle machen uns seit Jahren vor, wie der Kunde den Kauf als Erlebnis wahrnehmen kann. Als eines, das er heutzutage in sozialen Medien teilt, über das er Familie und Freunden erzählt. Insofern ist ein Einkaufserlebnis, das der Einzelhandel bietet, mehr als nur das Zufriedenstellen dieses einen Kunden – der Kunde wird regelmäßig zum Botschafter und Influencer seiner Umwelt, auch und gerade im lokalen Umfeld.

Dazu sollte der Händler vor Ort aber wieder das schaffen, was ihm dank technischer Innovationen die Onlinehändler abgenommen haben: seine Kunden und ihre Kaufgewohnheiten so gut kennen wie ein zeitgemäßes CRM-System im Online-Handel und ihnen, fernab von Algorithmen das Gefühl geben, mit dem Kauf vor Ort einen Mehrwert zu erzielen, der über reines Showrooming hinausgeht.

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Kommentare (3)

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Marc

Schöner Beitrag und gute Analyse, allerdings geht er nicht auf das Wesen der lokalen Einzelhändler ein. Diese sitzen zum überwiegenden Teil lieber in ihrem stillen Kämmerlein und behaupten auch noch heute, dass sich dieses Internetz nicht durchsetzen wird.
Für Anbieter aus dem digitalen Bereich wird es dann extrem schwierig.

Frank Beckert

Wir haben in der letzten Woche die neue Plattform DIE STEINFURTER mit einer feierlichen Eröffnung im Kino live gehen lassen. Hier sind über 50 Unternehmen dabei und posten über ihre eigene Facebookseite und App automatisch ins Portal: News, Veranstaltungen und Angebote.

Wenn alles einmal eingestellt ist, läuft das fast automatisch mit. Vereine und Initiativen sowie die Stadt und Kreis Steinfurt veröffentlichen ihre Infos ebenfalls dort. Nachhaltigkeit ist gewährleistet, weil das Marketingbüro der Stadt SMarT die Plattform managed und für die eigenen Mitteilungen und Veranstaltungen auch nutzt.

Ein super Beispiel, wie man die Menschen über das Smartphone wieder in die Stadt holt!
http://www.die-steinfurter.de
(auch als App für iPhone und Android in den Stores )

Frankie4.0

Wer zu dem Thema noch mehr erfahren möchte, dem empfehle ich den Vortrag „Stadt 4.0 – Wie sich eine Stadt vernetzt“

https://pushcon.de/programm?eventId=1428644&categoryId=0

Überhaupt ist die PushCon Ende Oktober eine gute Veranstaltung zum Thema Digitalisierung im Münsterland.

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