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Interview

Arbeit in Marketing-Agenturen: Was macht eigentlich ein Gen-Z-Lead?

Was macht eigentlich ein Gen-Z-Lead? In dem neuen Jobtitel steckt der Fokus auf die junge Zielgruppe direkt mit drin. Maurice van gen Hassend gehört selbst dazu – allerdings sieht er das Generationen-Modell kritisch. Für ihn kommt bei zielgruppengerechtem Marketing auf etwas anderes an.

7 Min.
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Junge Menschen sind für Unternehmen eine beliebte Zielgruppe: In der Regel wird zu GenZ gezählt, wer zwischen 1995 und 2010 geboren worden ist. (Foto: CarlosBarquero / Shutterstock)

Er ist jung, also kann er mit jungen Leuten? So einfach ist es nicht. Maurice van gen Hassend arbeitet als Gen-Z-Lead für die Social-Media-Marketing-Agentur Intermate. Er verantwortet ein eigenes Team und ist gleichzeitig Ansprechpartner für andere Personen dieser Altersgruppe bei der Agentur – sein Expertenwissen teilte er auch bei der OMR 2024. Allerdings spielt das Alter für ihn eigentlich gar keine Rolle: Die klassische Definition über das Geburtstagsjahr sieht er kritisch. Im Interview spricht er darüber, worauf es für ihn stattdessen ankommt und warum Unternehmen noch immer Schwierigkeiten haben, junge Menschen zu erreichen.

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t3n: Über die Gen Z wird viel gesprochen – es gibt allerdings auch unterschiedliche Definitionen. Was ist aus eurer Sicht die Gen Z?

Maurice van gen Hassend: Im Grunde nutzen wir die allgemeine wissenschaftliche Definition, wonach die Gen Z zwischen 1995 und 2010 geboren wurde. Schnell fällt jedoch auf: Die Angehörigen dieser Generation sind sich gar nicht so ähnlich. Allein der Altersunterschied liegt aktuell zwischen 14 und 29 Jahren, manche gehen noch zur Schule, während andere vielleicht ihren ersten Job haben. Sie befinden sich also in unterschiedlichen Lebensabschnitten und haben natürlich auch nicht alle die gleichen Interessen. Wir haben also entschieden, gar nicht mehr über das „Generationen-Ding“ zu gehen, sondern müssen viel differenzierter darauf schauen.

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t3n: Was bedeutet „differenzierter“ darauf schauen?

Wenn wir nur auf Tiktok gucken, dann schaut dieser Content-Graph – der Algorithmus von Tiktok– gar nicht nach demographischen Daten. Stattdessen wird geschaut: „Welche User:innen interessieren sich für das Tiktok?“ Das wird basierend auf Engagement-Metriken bewertet. Also beispielsweise wer schaut ein Video wie lange und inwiefern wird es gelikt, kommentiert, geshared oder gesaved. Basierend darauf werden dann „lookalike Audiences“, also ähnliche Zielgruppen gebildet, die sich wahrscheinlich auf für den Inhalt interessieren. Denen wird das Video dann ausgespielt. Demographische Daten – wie Geschlecht und Alter – sind da gar nicht mehr so wichtig, sondern es geht vor allem darum, welche Inhalte wir kommunizieren. Wir müssen herausfinden, welche Inhalte für unsere Community relevant sind. Durch Algorithmen wird dann unsere Zielgruppe gefunden, das ist eine neue Art des Targetings. Deshalb sagen wir auch zum Start jeder Kunden-Beratung, dass es nicht die eine Gen Z gibt. Wenn jemand sagt, er will die Gen Z erreichen, ist unsere erste Frage: „Ja, welche Community aus der Gen Z überhaupt?”

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Maurice van gen Hassend arbeitet als Gen-Z-Lead für die Agentur Intermate. (Foto: Intermate)

t3n: Ihr seht also bei Kunden die Nachfrage für dieses Thema. Wie habt ihr auf diesen Bedarf reagiert? Ihr habt ja unter anderem ein Gen-Z-Team gegründet, dessen Lead du bist.

Der erste Schritt waren Gen-Z-Sessions. Da haben wir Kunden in einer Stunde die Basics vermittelt und das Mindset gezeigt, mit dem an das Thema herangegangen werden sollte. Das hat gut funktioniert, Kunden haben sich danach auch mehr auf Tiktok oder Instagram getraut. Außerdem haben wir inhouse Studien zur Werbewirkung in der Gen Z gemacht. Das Gen-Z-Team bietet das an, was wir insgesamt als Agentur abbilden. Vier der sechs Creatives, die aktuell bei uns arbeiten, sind auch selbst Creator. Das zeichnet uns aus: Wir machen auch selbst Content und verstehen dadurch die Mechaniken dahinter, wie Trends entstehen und wie sie kommuniziert und aufgegriffen werden müssen. Insgesamt liefern wir mit unserer Unit Konzeption, Produktion und die Auslieferung auf den Accounts sowie das Social-Media- und Community-Management.

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t3n: Ihr seid zwölf Mitarbeiter in der Unit, welche Voraussetzungen mussten die Teammitglieder mitbringen?

Wir haben vor allem nach jungen Leuten geschaut, die richtig Bock auf Social Media haben und auch selbst aktiv Creator:innen sind. Gleichzeitig braucht es auch Mut und Selbstbewusstsein, mit Anfang 20 mit Marketing-Direktor:innen in einem Raum zu sitzen, weil da natürlich auch ein gewisser Druck entsteht. Als junger Mensch betritt man den Raum und hat enormen Respekt vor den Entscheider:innen und ihrer Expertise. Da muss man sich erst einmal trauen, selbst seine Stimme und sein Know-how zu nutzen und zu kommunizieren. Wir achten sehr darauf, junge Leute zu ermutigen, dass sie sich genau dann trauen, aus sich herauszukommen. Die meisten Kunden sind offen für Feedback und Ideen von jungen Leuten. Beim Recruiting sind wir auch über die Mitarbeitenden gegangen und haben sie nach Freunden gefragt, die in diesem oder einem ähnlichen Bereich arbeiten. Da hatten wir quasi das Motto „Freunde werben Freunde“. Außerdem haben wir auch Mitarbeiter, die schon vorher bei Intermate waren, mit in die Unit aufgenommen.

t3n: Steht ihr denn bei Intermate für euch oder wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Teams?

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Wir arbeiten nicht autark, sondern haben Unit-übergreifende Kundenteams. Wenn ein Kunde junge Menschen erreichen will, dann ergänzen wir das Team entsprechend mit Personen aus unserer Unit – etwa mit jemandem für das Community-Management oder die Post-Production. Außerdem legen wir Wert darauf, dass sich das jeweilige Talent auch schon so für die Produktwelt und Interessen begeistert, die mit dem Kunden einhergehen. Das schafft am Ende relevantere Kommunikation.

t3n: Wie sehen deine Aufgaben als Gen-Z-Team-Lead aus?

In den vergangenen Wochen ging es für mich vor allem darum, auf Messen zu sprechen und unsere Strategien, Cases und Studien von Intermate zu zeigen. Ich bin immer derjenige, der die Studien organisiert. Außerdem schaue ich, wer noch auf Projekte kommen sollte. Am wichtigsten ist: Ich schaue für alle Gen-Zler im Unternehmen, wie sie sich weiterentwickeln können, und überblicke die langfristigen Aufgaben, die wir als Unit haben. Da bin ich aber nicht der Chef, der das von oben herab macht. Ich zeige immer das Ziel, gebe an, wie wir dahin kommen, und organisiere das dann ein bisschen. Das Ergebnis kommt aber durch Teamwork.

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t3n: Das klingt so, als würdet ihr auf die Weiterentwicklung Wert legen. Allerdings – das wurde auch bei der OMR deutlich – haben Unternehmen gerade bei Content-Creator:innen auch die Sorge, sie aufzubauen, damit sie sich schließlich selbstständig machen. Wie geht ihr damit um?

Menschen verlassen Unternehmen, wenn sie sich dort nicht mehr wohlfühlen – aber wenn man ihnen das Wachstumspotenzial bietet und die Aufgaben für junge Arbeitnehmer:innen nicht Kaffee holen und servieren sind, sorgt das letzten Endes dafür, dass der Job Spaß macht. Wir haben da keine Angst, sondern wollen auch eine Bühne schaffen. Möchte jemand etwas Eigenes machen, dann ist das so, wir freuen uns für die Person und vielleicht entsteht daraus ja auch eine andere Zusammenarbeit. Wir haben auch Expert-Tracks, damit sich Mitarbeitende gezielt weiterentwickeln können.

t3n: Wie reagieren denn eure Kunden auf euch? Sehen euch alteingesessene Marketer:innen als Bedrohung oder als Bereicherung?

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Das kommt immer drauf an. In 99 Prozent der Fälle ist die Reaktion positiv. Manche denken sich natürlich, was da jetzt für junge Hüpfer reinkommen und was von Marketing erzählen wollen – Communitys gab es schließlich auch in den 2000er-Jahren. Das stimmt auch, allerdings ist es heute anders, wie man da herangehen muss. Dementsprechend braucht es eine andere Beratung.

t3n: Gibt es denn Erwartungen, mit denen ihr immer wieder konfrontiert seid – beispielsweise ein Wunsch nach Viralität?

Das ist tatsächlich eine Sache. Was nützt Viralität, wenn gar nicht die richtigen Leute erreicht werden? Dann gibt es einen Peak, aber der ist nicht nachhaltig. Stattdessen kann es sinnvoller sein, die Community langsam, durch gezielte Interaktion, aufzubauen.

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t3n: Wie viel Erklärungsbedarf habt ihr in dem Bereich noch?

Gen Z ist die Basis, die wir immer erklären. Wir erklären aber besonders viel, was eine Community ist, wie man Communitys identifiziert und worauf es bei der Ansprache ankommt. Dabei gehen wir derzeit besonders auf Instagram und Tiktok ein, zeigen aber auch, welche anderen Plattformen sich vielleicht sogar noch besser anbieten. Wir müssen wie gesagt immer erstmal klarmachen, dass es nicht den einen Gen-Zler gibt. Wenn wir das klargemacht haben, beschäftigen wir uns mit der Konzeption einer Kampagne, eines communitygetriebenen Kanalkonzeptes oder eben der tiefgründigeren Wissensvermittlung – die geht immer häufiger über Social Media hinaus. Gerade bei Lebensmitteleinzelhändler:innen ist es zum Beispiel so, dass es sinnvoll sein kann, Produkte in das Sortiment aufzunehmen, die bei Tiktok oder Instagram gehypt werden.

13 kreative Werbekampagnen Quelle: (Foto: Carlsberg)

t3n: Gibt es noch einen Punkt, wo du siehst, dass Unternehmen ihren Umgang mit dem Thema Social Media ändern müssen?

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Marken trauen sich noch nicht aus ihrer Komfortzone – das ist das häufigste Thema. Sie müssen sich trauen, anders als in der Vergangenheit zu kommunizieren. Ein spannendes Beispiel dafür ist Porsche: Auf Instagram teilen sie viele Hochglanz-Videos, bei Tiktok gehen sie anders vor. Da teilen sie auch einfach mal ein Video von einem Porsche und legen einen lustigen Sound darüber. Memes spielen in der Strategie eine entscheidende Rolle. Sie kommunizieren auf allen Plattformen unterschiedlich, weil sie erkannt haben: Wenn wir unsere Marke in jungen Communitys stärken wollen, müssen wir uns an diese Communitys anpassen. Unternehmen haben damit häufig Schwierigkeiten, weil sie ihre Markenwerte bewahren wollen, was auch legitim ist. Dennoch ist da ein großer Gap zwischen dem, was Markenverantwortliche denken, was relevant ist und dem, was die Communitys als relevant erachten. Die Folge irrelevanter Kommunikation für Marken sind teuer produzierte Videos, die organisch nicht performen. Stattdessen sollte genau darauf geschaut werden, welche Inhalte sich die jeweilige Community wünscht.

t3n: Hast du einen Tipp, wie Marken junge Menschen passend erreichen können?

Es muss nicht immer over the top kommuniziert und in jedem Satz Jugendsprache verwendet werden. Wichtig ist, die relevanten Themen der Community herauszufinden, die erreicht werden soll. Schaut auf eure Markenwerte, schaut, wie eure Zielgruppe kommuniziert, und bringt beides in der Kommunikation zusammen. Ein Rezept gibt es dafür nicht, weil jede Marke individuell ist, aber all diese Fragen sind eine gute Basis.

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