Medienstaatsvertrag: Die wichtigsten Änderungen und Inhalte zur Reform des Medienrechts

Was sind die Regelungsziele des Medienstaatsvertrages?
Oberstes Ziel des Medienstaatsvertrages ist eine zeitgemäße, passgenaue und zukunftssichere Regulierung von Medienangeboten und -anbietern. Beispielsweise fehlen im aktuellen Rundfunkstaatsvertrag insbesondere Regelungen für großen Plattformanbieter wie Google, Facebook und Co., die als sogenannte Gatekeeper im Internet auftreten. Dabei sind Regelungen angesichts des enormen Einflusses, den sie auf den Zugang und der Auffindbarkeit von Inhalten haben, erforderlich, um die Meinungsvielfalt zu sichern und auch um den Jugend- und Verbraucherschutz nachhaltig sicherzustellen. Nicht zuletzt wird mit dem neuen Medienstaatsvertrag auch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste („AVMD-Richtlinie“) umgesetzt.
Für wen gilt der Medienstaatsvertrag?
Der neue Medienstaatsvertrag enthält neben Regelungen für Rundfunk und Telemedien auch Vorgaben für Medienintermediäre, Medienplattformen und Benutzeroberflächen. Besonders relevant sind die Neuregelungen auch für sogenannten neue Medienanbieter. Hierzu zählen insbesondere Influencer, Let’s Player und Youtuber, die eigene Inhalte wie Livestreams im Internet bereitstellen. Außerdem werden Suchmaschinen, Videoportale („Video-Sharing-Dienste“) und soziale Medien in die Pflicht genommen.
Erleichterungen bei der Rundfunklizenz für Livestreams
Gerade für Influencer, Youtuber und Gamer als kreative Medienschaffende sollen mehr Entfaltungsräume geschaffen und Bürokratieaufwand abgebaut werden. Hierzu soll beispielsweise das Zulassungsregime für Rundfunkangebote entschärft werden. Bisher war es so, dass nahezu jeder, der einen Livestream im Internet angeboten hatte, eine (kostenpflichtige) Zulassung (Rundfunklizenz oder Sendelizenz) beantragen musste.
Hier sieht der § 54 MStV nun neue Erleichterungen für sogenannten Bagatellrundfunk vor. Danach werden zukünftig ausdrücklich Angebote von der Rundfunkzulassung ausgenommen, die nur eine geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten, und solche, die im Durchschnitt von sechs Monaten weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen werden. Die Zulassungsfreiheit können sich die Anbieter auf Antrag bei der zuständigen Landesmedienanstalt durch die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bestätigen lassen. Die Entscheidungsfreiheit, welche Angebote konkret unter die Zulassungsfreiheit fallen, bleibt dabei den Landesmedienanstalten überlassen, die das in einer Satzung regeln sollen. Ob darin dann auch eine explizite Ausnahme für Let’s-Play-Videos vorhanden sein wird – wie dies noch im ersten Entwurf des MStV der Fall war –, bleibt abzuwarten.
Anpassung des Rundfunkbegriffs
Daneben wurde auch die Definition des Rundfunks leicht überarbeitet. Zwar wird nach wie vor auf ein technisches Kriterium abgestellt, sodass weiterhin nur lineare Angebote erfasst sind, allerdings wurden die einzelnen Kriterien noch näher bestimmt. So findet sich nun eine explizite Begriffsbestimmung des „Sendeplans“ im Entwurf. Dessen Verständnis war vor allem nach aktuellem Recht noch nicht abschließend geklärt und hat in der Praxis regelmäßig für Rechtsunsicherheit gesorgt hat. So klagte beispielsweise die Bild-Zeitung gegen eine Untersagung des eigenen Livestreams durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (VG Berlin Urteil vom 26. September 2019 Az: VG 27 K 365.18). Bisher wurde das Vorliegen eines Sendeplans anhand von Indizien wie Regelmäßigkeit, Häufigkeit und Aktualität bestimmt. Jetzt definiert § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Medienstaatsvertrages den Sendeplan als „die auf Dauer angelegte, vom Veranstalter bestimmte und vom Nutzer nicht veränderbare Festlegung der inhaltlichen und zeitlichen Abfolge von Sendungen“. Ob diese Definition letztlich allerdings geeignet ist, mehr Rechtssicherheit zu schaffen, wird sich bei der Anwendung des Medienstaatsvertrages zeigen müssen.
Neue Regelungen für Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen
Der Medienstaatsvertrag enthält nun auch neue Regeln für sogenannte Medienplattformen und Benutzeroberflächen. Das sind im Wesentlichen solche Angebote, die Inhalte von Dritten zu einem eigenen Gesamtangebot zusammenfassen. Hierzu zählen beispielsweise Smart TVs aber auch OTT-Angebote wie Joyn oder TVNow. Als Gatekeeper haben Smart TVs und Co. erheblichen Einfluss darauf, auf welche Inhalte der Nutzer priorisiert zugreifen kann. Um diesen Einfluss zu regulieren, enthält der Medienstaatsvertrag unter anderem eine neue Transparenzpflicht.
Zukünftig müssen demnach die Kriterien, nach denen Inhalte sortiert, angeordnet und präsentiert werden, wie die Sortierung oder Anordnung von Inhalten durch den Nutzer individualisiert werden kann und nach welchen grundlegenden Kriterien Empfehlungen erfolgen, dem Nutzer in leicht wahrnehmbarer, unmittelbar erreichbarer und ständig verfügbarer Weise zur Verfügung gestellt werden. Daneben wird ein Diskriminierungsverbot eingeführt, das Anbietern von Medienplattformen und Benutzeroberflächen untersagt, gleichartige Angebote und Inhalte ohne gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln und zu präsentieren. Ferner wird die Signalintegrität eingeführt, die es beispielweise Smart-TV-Anbietern verbietet, Fernsehprogramme ohne Einwilligung des Senders durch eigene Werbeeinblendungen zu überlagern, wie es derzeit noch regelmäßig geschieht.
Regulierung von Medienintermediären
Vollständig neu ist die vorgesehene Regulierung von sogenannten Medienintermediären. Medienintermediäre sind nach der Definition des Staatsvertrags solche Plattformen, die auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregieren, selektieren und allgemein zugänglich präsentieren, ohne diese zu einem eigenen Gesamtangebot zusammenzufassen. Hierunter fallen vor allem Suchmaschinen, App-Stores und Sprachassistenten sowie soziale Medien wie Youtube und Facebook. Auch in Bezug auf diese Medienintermediäre sieht der Medienstaatsvertrag in § 93 MStV Transparenzpflichten vor, die in ihrem Umfang weit über die Pflichten der Medienplattformen hinausgehen. Demnach müssen insbesondere auch Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen in verständlicher Sprache zur Verfügung gestellt werden, was für viele Anbieter eine große Herausforderung werden dürfte.
In diesem Zusammenhang enthält der Medienstaatsvertrag auch eine Kennzeichnungspflicht für sogenannten Social Bots. Das sind computergesteuerte Programme, die in sozialen Netzwerken eigene Inhalte erstellen (etwa Nachrichten veröffentlichen, teilen, liken oder kommentieren) und dabei wie ein menschlicher Nutzer auftreten. Da der Einsatz von Social Bots schnell missbraucht werden kann und im Worst Case zur Manipulation von Meinungen in politischen Wahlkämpfen eingesetzt werden kann, sieht § 18 Abs. 3 MStV vor, dass dem von dem Bot erstellten oder geteilten Inhalte ein gut lesbarer Hinweis auf seinen Einsatz bei- oder voranzustellen ist.
Schwierigkeiten ergeben sich letztlich vor allem im Hinblick auf Medienplattformen und Medienintermediären und deren Verhältnis zu- und der Abgrenzung voneinander, insbesondere wenn eine Plattform unterschiedlichen Regelungen zugeordnet werden kann. Inwiefern dies letztlich auch Auswirkungen auf die Praxis hat, wird sich zeigen müssen.
Ab wann gelten die neuen Vorschriften?
Beim Medienstaatsvertrag handelt es sich aktuell um einen Vertragsentwurf auf Länderebene. Aktuell ist er (noch) nicht verbindlich. Das ist dem Umstand geschuldet, dass Rundfunk traditionell Ländersache ist. Um die Regulierung des Rundfunks bundesweit zu vereinheitlichen, vereinbaren die Länder untereinander die Geltung eines Staatsvertrages. Dieser wird unter den Landesregierungen verhandelt und dann als Vertragsentwurf verabschiedet. Das ist nun am 5. Dezember 2019 geschehen. Damit der Medienstaatsvertrag verbindlich wird, müssen die Landesparlamente hierüber abstimmen. Damit ist im Frühjahr 2020 zu rechnen, sodass der Medienstaatsvertrag voraussichtlich im September 2020 in Kraft treten wird – noch rechtzeitig zur Umsetzungsfrist der AVMD-Richtlinie im Herbst 2020.
würde es begrüssen, wenn die EU endlich mal die GEZ killt