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MIT Technology Review News

Mehr als 1.500 Orte in Deutschland sind PFAS-verschmutzt – und die Beseitung der gefährlichen Chemikalien wird richtig teuer

Die Fluorchemikalien PFAS sind überall und ein Problem für die Gesundheit vieler Menschen. Sie komplett wieder aus der Umwelt zu entfernen, ist praktisch unmöglich. Einzig eine Reduzierung der Belastung an Hotspots ist realistisch, kostet aber viel Geld.

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(Foto: Reddogs / Shutterstock)

Ob Frankreich, Deutschland oder Schweden: PFAS bereiten Kommunen und Städten in ganz Europa derzeit Kopfzerbrechen. Die langlebigen Fluorchemikalien gelangen unter anderem aus Fabriken, Papierschlamm oder Löschschäumen in die Umwelt und haben vielerorts Gewässer, Böden und auch das Grundwasser kontaminiert. Einige der Stoffe können laut WHO krebserregend sein, den Fettstoffwechsel, die Fruchtbarkeit, das Immunsystem und die Leber schädigen – unter anderem. Schätzungen zufolge entstehen jedes Jahr Gesundheitskosten im zweistelligen Milliardenbereich.

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Doch was würde es kosten, die PFAS zumindest in besonders hoch belasteten Gebieten wieder aus der Umwelt zu entfernen? Das haben die Wissenschaftler Ali Ling von der St. Thomas University of St. Thomas in Minnesota und Hans-Peter Arp von der Norwegian University of Science and Technology für das Journalistenteam „Forever Lobbying Projekt“ einmal hochgerechnet, an dem aus Deutschland die Kooperation NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung sowie die MIT Technology Review beteiligt sind. Die Forscher haben dafür auf zahlreiche Studien und Daten zurückgegriffen, die das Team recherchiert hatte.

20 Jahre, zwei Billionen Euro?

Das Ergebnis: Sollte die Verschmutzung mit PFAS so weitergehen, könnte die Reinigung in 31 untersuchten europäischen Ländern in den kommenden 20 Jahren rund zwei Billionen Euro kosten. Ling und Arp betonen, dass dies eine konservative Schätzung ist und die Kosten vermutlich noch viel höher liegen werden. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel“, sagt Ali Ling. „Wir müssen uns auf die Prävention fokussieren, nicht auf das nachträgliche Säubern.“

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Arp leitet ein großes europäisches Forschungsprojekt zur PFAS-Verschmutzung. Ling arbeitete neben ihrer Forschung viele Jahre als Beraterin für Behörden und PFAS-produzierende Firmen, um Trink- und Abwasser besser zu reinigen. Die Schätzungen der Beiden für das “Forever Lobbying Project” beruhen zwar auf vielen Annahmen, doch schaffen sie einen Eindruck von der Dimension des Problems.

PFAS-Untersuchungen an Flughäfen, bei Herstellern und Papierfabriken

Allein für Deutschland berechneten die Forscher mögliche jährliche Kosten von mehr als 800 Millionen Euro – im konservativsten Szenario. Dabei handelt es sich nur um Kosten für die Reinigung der Umwelt von den PFAS, von denen Experten annehmen, dass sie schon in der Umwelt sind. Arp und Ling haben sich dabei auf Verkehrsflughäfen und Militärstützpunkte fokussiert, wo oft PFAS-haltige Löschschäume genutzt wurden, auf PFAS-Hersteller, PFAS-Anwender und jene Papierfabriken, von denen angenommen wird, dass sie PFAS-beschichtete Produkte herstellen oder hergestellt haben.

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Ein zweites Szenario spiegelt auch zukünftige Emissionen wider und berücksichtigt PFAS, die bisher noch nicht reguliert sind, etwa die kleinste PFAS-Variante Tetrafluoressigsäure (TFA). Die Kosten in Deutschland würden danach auf 17 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen, sofern keine wirksamen Beschränkungen greifen.

Mehr als 1.500 Orte in Deutschland mit PFAS verschmutzt

Schon vor knapp zwei Jahren hatten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung in einer Datenrecherche gezeigt, dass allein in Deutschland mehr als 1.500 Orte mit PFAS verschmutzt sind, davon über 300 Hotspots mit besonders starker Belastung. Dazu gehören Fließ- und Grundwasser genauso wie Böden, auf Feldern wie in der Nähe von Industrie-Standorten oder Flughäfen.

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Um herauszufinden, wie Deutschland mittlerweile die PFAS-Verschmutzung bekämpft, hat das Team gemeinsam mit der MIT Technology Review eine Umfrage unter allen 400 Kreisen und kreisfreien Städte in Deutschland durchgeführt, sowie die 16 Bundesländer, die Bundesregierung und stichprobenhaft Wasserversorger befragt. Fast zwei Drittel aller Kreise und kreisfreien Städte haben geantwortet. Danach sieht etwa jede dritte Region in PFAS eine aktuelle oder zukünftige Gefährdung. Und sie gehen von langfristigen finanziellen Belastungen aus. Rund 85 Prozent der Kreise vermuten, dass noch 20 Jahre lang Kosten entstehen werden. Manche wünschen sich schärfere Vorgaben.

Wie man PFAS aus Wasser, Erde und Sand holt

Technologisch werden zur Reinigung von Wasser zurzeit vor allem Aktivkohlefilter genutzt, die regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Um die Filtermaterialien zu regenerieren, werden sie so hoch erhitzt, dass sich die PFAS zersetzen. Belastetes Erdreich wiederum wird in der Regel auf Deponien transportiert. Für sandigen Böden kommt auch eine Bodenwäsche vor Ort in Frage, ist bisher aber die Ausnahme. Für humusreiche Böden ist so eine Wäsche keine Option. In ihnen bleiben PFAS zu stark haften. Etliche Unternehmen und Startups arbeiten auch an neuen Technologien, die PFAS zu konzentrieren und zerstören – elektrochemisch etwa, durch Ultraschall, Plasma oder Pyrolyse. Damit könnte die Reinigung künftig kostengünstiger werden.

Sanierung mit Asbest-Moment

Eine Entwarnung ist das laut Martin Scheringer von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich aber nicht. „Die ganze Umwelt ist kontaminiert. Da helfen diese Technologien leider kein bisschen. Man kann nicht jahrzehntelang alles falsch machen und dann auf eine Wunderlösung hoffen“, sagt er.

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Auch die Organisation europäischer Wasserversorger EurEau ist besorgt. Sie hat wegen der drohenden enormen Kosten an die EU-Kommission geschrieben, dass sie „das schnelle und weitreichende Verbot dieser Ewigkeitschemikalien“ unterstützen. EurEau-Präsident Pär Dalheim bezeichnet die aktuelle Situation in einem Brief an EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen als „unseren Asbest-Moment“. „In 20 Jahren werden unsere Kinder fragen: Warum habt Ihr nicht eher etwas unternommen?“

Viele Firmen kämpfen dennoch dafür, PFAS auch in Zukunft weiter benutzen zu dürfen. Das „Forever Lobbying Projekt“ zeigt nicht nur die hohen Kosten, es hat auch tausende Lobby-Dokumente untersucht und die Argumente der Industrie gegen eine weitreichende Beschränkung aller PFAS-Chemikalien. Einige umstrittene Argumente konnten bei verantwortlichen Politiker:innen in Brüssel wie in Berlin schon zünden.

Die internationale Recherche „Forever Lobbying Project“ wurde von Le Monde koordiniert und umfasst mehr als zwei Dutzend Medienpartner aus 16 Ländern: RTBF (Belgien); Denik Referendum (Tschechische Republik); Investigative Reporting Denmark (Dänemark); YLE (Finnland); Le Monde und France Télévisions (Frankreich); MIT Technology Review Germany, NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung, (Deutschland); Reporters United (Griechenland); Radar Magazine, Facta.eu und La Via Libera (Italien); Investico und Financieele Dagblad (Niederlande); Klassekampen (Norwegen); Oštro (Slowenien); Datadista (Spanien); Sveriges Radio und Dagens ETC (Schweden); SRF (Schweiz); The Black Sea (Türkei); Watershed Investigations / The Guardian (Vereinigtes Königreich). Publikationspartner ist Arena for Journalism in Europe, im Austausch mit der NGO Corporate Europe Observatory. Die Projektpartner erhielten finanzielle Unterstützung vom Pulitzer Center, der Broad Reach Foundation, Journalismfund Europe und IJ4EU.
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