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MIT Technology Review Kommentar

Mineralölkonzerne: Betrug beim Klimaschutz?

Ölkonzerne wollten ihre Klimaschutzpflichten nach Recherchen des ZDF offenbar mit vorgetäuschten Projekten erfüllen. Das zeigt, wie krank das gesamte System ist.

2 Min.
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(Foto: Bilanol/Shutterstock.com)

„Für die deutsche Mineralölwirtschaft könnte sich der Skandal zu einem der größten Betrugsfälle entwickeln“, meldet das ZDF-Magazin frontal. „Sollte sich der Verdacht erhärten, wäre das auch ein Problem für Deutschlands Klimabilanz.“

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Es geht um sogenannte UER-Projekte (Upstream Emission Reduction): Mineralölkonzerne bekommen Zertifikate dafür, dass sie bei der Ölförderung weniger Treibhausgase ausstoßen – beispielweise, indem sie anfallendes Erdgas nicht einfach abfackeln, sondern auffangen und nutzen. Diese Zertifikate können die Konzerne verkaufen oder sich auf ihre vorgeschriebene Treibhausgas-Minderungsquote anrechnen lassen.

Statt aber neue Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Emissionen zu senken, haben Ölmultis wie Shell, Rosneft und TotalEnergies laut frontal zahlreiche längst existierende Anlagen in China als neugebaute UER-Projekte ausgewiesen. Sie haben also Zertifikate bekommen, ohne dass dafür irgendwo in der Welt ein Gramm CO2 weniger ausgestoßen wurde.

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Das System um Klimakompensationen

Unabhängig davon, ob sich dieser Verdacht bestätigt: Der Fall zeigt, wie krank das ganze System um Klimakompensation längst ist. 3 Punkte dazu:

Fangen wir doch einmal mit dem Grundgedanken an: Konzerne sollen also dafür belohnt werden, dass sie ihre eigenen Produkte nutzen statt vernichten? Das kann doch wohl nur bedeuten, dass die Brennstoffe bisher viel zu billig und die CO2-Emissionen viel zu großzügig reguliert sind. Doch statt hier die Zügel anzuziehen, kommt die Politik auf immer neue Ideen, wie man der Industrie mit immer neuen Zuckerbroten den Klimaschutz versüßen könnte. Und als Dank wird sie wieder mal nach Strich und Faden verarscht.

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Machen wir weiter mit der dahinterstehenden Logik: Es ist immer ein Problem, jemanden dafür zu belohnen, etwas nicht getan zu haben. Denn was er ohne diesen Anreiz tatsächlich getan hätte, bleibt immer Spekulation. Das macht zum Beispiel Waldschutz-Zertifikate so fischig. Wenn man etwa einem Waldbesitzer Geld dafür gibt, dass er zehn Hektar Wald nicht abholzt – woher weiß man, ob er diese zehn Hektar tatsächlich abgeholzt hätte, und nicht nur einen Hektar oder gar keinen?

Übertragen auf die Ölförderung heißt das: Vielleicht wären die Konzerne schon alleine aus wirtschaftlichem Eigeninteresse auf die Idee gekommen, ihr Gas zu nutzen – und nehmen die Zertifikate gerne als Zusatzeinnahmen mit?

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Wo sind die kompetenten Zertifizierer?

Kommen wir zum zentralen Problem, der Zertifizierung. Dies ist das wohl schwächste Glied in der Kette. Projekte dieser Art sind darauf angewiesen, dass sie von wirklich engagierten, unabhängigen und kompetenten Zertifizierern wirklich wasserdicht überprüft werden. Genau das aber war schon bei den althergebrachten Klima-Kompensationen (zum Beispiel beim berüchtigten CDMs) sowas von überhaupt nicht der Fall. Und genau das scheint sich jetzt bei den UER zu wiederholen. Shell teilte zwar gegenüber frontal mit, die Projekte in China seien von „unabhängigen Prüfstellen validiert und verifiziert“ worden. Na toll. Mag ja sein, dass alle erforderlichen Formulare tatsächlich alle erforderlichen Stempel tragen. Aber wie kann es sein, dass ein professioneller Zertifizierer offenbar weniger Dinge über seine eigenen Projekte mitkriegt oder mitkriegen will als ein engagiertes Fernsehteam? Wenn die Politik es nicht schafft, eine seriöses Zertifizierungssystem zu etablieren, muss sie halt die Finger von diesem ganzen Kompensationsgedöns lassen.

Die gute Nachricht: Eine gewisse Lernfähigkeit scheint doch noch vorhanden zu sein. Das Bundeskabinett hat kürzlich das Aus für UER beschlossen. Hoffentlich ist diese Lektion jetzt gesackt, bevor wieder jemand auf die Idee kommt, fossile Unternehmen zu pampern statt zu regulieren.

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