Musik am Arbeitsplatz: Atemlos … durch die Schicht!?
Warum wir so scharf auf Musik am Arbeitsplatz sind
Wir kennen sie alle, die klischeehaften Bilder aus den bunten Büros der großen Internetunternehmen. Ob bei Google, Airbnb oder Facebook – hier sitzen sie, die jungen Gründerteams: Verteilt im Großraumbüro und vor ihren Laptops sitzend schreiben sie an Code, tüfteln am viralen Marketing-Plan oder entwerfen das nächste Proof of Concept. Und: Nicht selten hilft ihnen dabei ein dicker Kopfhörer, der sie mit Musik beschallt.
Schon im Jahr 2005 hat der Audiospezialist Logitech herausgefunden, dass rund sieben von zehn Deutschen Musik am Arbeitsplatz hören. Ein Trend, der angesichts der immer stärker liberalisierten Arbeitsumfelder bis heute anhält. Und: Es ist ein Bild, das man auch in den Redaktionsräumen von t3n immer wieder beobachten kann. Dahinter steckt vor allem die Überzeugung, Musik wirke sich positiv auf die Kreativität und das eigene Leistungsvermögen aus.
Dass diese These keineswegs aus der Luft gegriffen scheint, zeigt sich nicht nur am Beispiel der Logitech-Studie, nach der 75 Prozent der Befragten angeben, mit Musik effizienter arbeiten zu können. Inzwischen gibt es nämlich auch eine ganze Reihe von Musiktools, die ihrerseits versprechen, die Produktivität am Arbeitsplatz mit funktionalen – also zweckgebundenen – Musikstücken zu steigern. Eine Auswahl stellen wir in diesem Begleitartikel vor.
Bürodoping mit Musik: Wunderwaffe oder Placebo?
Macht Musik also wirklich produktiver und den Chef am Ende glücklicher? Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Eindeutig belegen lässt sich das nicht, die Wahrheit liegt irgendwo zwischen weit verbreitetem Irrglauben und wissenschaftlicher Überzeugung. Der 1993 von US-Forschern proklamierte „Mozart-Effekt“, der vor allem der klassischen Musik eine konzentrationsfördernde Wirkung zuschreibt, wurde durch mehrere Konterstudien ebenso widerlegt wie frühe Behauptungen, Musik bewirke am Arbeitsplatz per se gar nichts.
Dass sich Musik aber auf unser emotionales, kognitives und physisches Wohlbefinden auswirkt, hat wohl jeder selbst schon einmal erlebt. Hören wir unseren Lieblingssong, bekommen wir eine Gänsehaut. Die Körpertemperatur steigt, die Leitfähigkeit unserer Haut nimmt zu, das innere Belohnungssystem wird aktiviert. Verantwortlich dafür ist Dopamin, ein Glückshormon, das sich wie von der Musik angelockt den Weg zu unserem Gehirn bahnt. Es ist dasselbe Glückssekret, das auch beim Sex, bei McDonalds oder der Nachricht über einen neuen Twitter-Follower ausgeschüttet wird. Dopamin treibt uns an, macht uns kreativer – motiviert für mehr.„Musik wirkt wie Sex, McDonalds und neue Twitter-Follower.“
Eigentlich ideale Voraussetzungen, um es mit Musik am Arbeitsplatz zu versuchen. Tatsächlich kann das Dopamin dabei helfen, bestimmte Aufgaben schneller und effizienter zu erledigen, wie die New York Times berichtet. Dazu passen auch Erkenntnisse von Forschern aus dem Jahr 1985: Sie fanden heraus, dass positive Effekte auf die Qualität und Quantität des Leistungsvermögens vor allem dort zu erwarten seien, wo Mitarbeiter eher monotonen Arbeiten nachgehen oder in Nachtschichten arbeiten. Ist der Job hingegen mental anspruchsvoll, lenkt Musik eher ab und belastet. Wie genau Musik den Mitarbeiter am Arbeitsplatz beeinflusst, hängt letztlich also von der Art der Tätigkeit, den vorherrschenden Arbeitsbedingungen sowie von der Stilrichtung und Stimmungslage ab.
Das sagen Google, Siemens und Co.
In der Branche weiß man das inzwischen und lässt seinen Mitarbeitern nach unseren Recherchen viele Freiheiten. „Da der Lärmpegel in unseren Großraumbüros gelegentlich etwas höher sein kann, animieren wir Mitarbeiter dazu, Kopfhörer zu tragen und Musik zu hören“, sagt Lena Wagner von Google Deutschland. Mitarbeiter sollen, so Wagner, vor allem das Gefühl bekommen, eigenverantwortlich über ihre Arbeitsweise zu bestimmen. „Hauptsache, sie erfüllen ihre Aufgaben am Arbeitsplatz.“„Nur wer nach seinen Vorlieben arbeitet, erbringt Top-Leistungen.“
Bei der Agentur Meta Design in Berlin setzt man noch offensiver darauf, dass sich Mitarbeiter genau die Freiräume schaffen, die sie für eine erhöhte Produktivität als notwendig erachten. Dazu gehört auch das Musikhören am Arbeitsplatz, wie Josephine Böttcher von der Pressestelle erklärt. „Nur wenn Mitarbeiter entsprechend ihrer persönlichen Vorlieben arbeiten können und sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, können sie auch Top-Leistung erbringen.“
Ganz ähnlich wird das übrigens auch bei deutschen Großkonzernen wie SAP und nicht zuletzt Siemens gesehen. Ob und wie Mitarbeiter hier Musik hören dürfen, hängt branchenbedingt allerdings von der jeweiligen Arbeitssituation ab. „Wer zum Beispiel in der Produktion beschäftigt ist, für den gelten natürlich andere Maßstäbe für ein ablenkungsfreies Arbeiten als in der Verwaltung, allein schon aus Sicherheitsgründen“, sagt Michael Friedrich, der bei Siemens für Personalthemen zuständig ist. Generell spreche jedoch nichts dagegen.
4 Tipps für entspanntes Musikhören an deinem Desk
Arbeitsrechtlich ist das Musikhören am Arbeitsplatz übrigens nicht explizit geregelt. „Das Hören von Musik betrifft das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter, das durch innerbetriebliche Bestimmungen geregelt werden kann“, erklärt IT-Anwalt Christian Solmecke auf Nachfrage. Doch selbst wenn es von Seiten des eigenen Arbeitgebers keinen Kodex dazu gibt, sollte man es vermeiden, einfach ungefragt zum Kopfhörer zu greifen. Denn es gibt auch Fallstricke, die im schlimmsten Fall zu einer Abmahnung oder Kündigung führen können. Solmecke rät Mitarbeitern wie Arbeitgebern deshalb dazu, folgende Punkte zu beachten:
- Entscheidungsfreiheit: Jeder Arbeitgeber kann selbst darüber entscheiden, ob das Musikhören am Arbeitsplatz erlaubt ist oder nicht. Mitarbeiter sollten die Erlaubnis immer vorher einholen.
- Mitarbeiterrechte wahren: Arbeitgeber müssen dabei die Grundrechte ihrer Mitarbeiter und ihr Persönlichkeitsrecht beachten. Die Zulässigkeit der Vorgaben ist immer eine Einzelfallentscheidung und kann nicht allgemein beantwortet werden.
- Rücksicht nehmen: Das Musikhören ist unproblematisch, wenn Mitarbeiter dadurch ihre Kollegen nicht stören. Am geeignetsten sind Arbeitsumfelder in einem Einzelbüro ohne Kundenkontakt, im Großraumbüro sind immer Kopfhörer zu benutzen.
- Fehler vermeiden: So gewinnbringend Musik für den ein oder anderen Mitarbeiter auch sein mag – der störungsfreie Betriebsablauf steht über allem. Mitarbeiter sollten darauf achten, nicht durch die Musik abgelenkt zu werden und dadurch Fehler zu riskieren. Außerdem ist es wichtig, die Musik nur auf halber Lautstärke zu hören, sodass zum Beispiel das Telefon noch problemlos wahrgenommen werden kann.
Und was unternehmt ihr, um produktiver zu arbeiten? Hört ihr Musik und wenn ja, welche?
Also im für anspruchsvolle Büroarbeit ist Musik am Arbeitsplatz nicht zu empfehlen. :(
Musik am Arbeitsplatz ist immer noch Musik und die gibt es in immer mehr Farben und Formen. Jeder hat seine eigenen Vorlieben. Das gilt sicher auch in Bezug auf den Zeitpunkt, an dem sie gehört wird.
Man müsste wohl schon eine Studie pro Individuum veranstalten, um für den Einzelnen wirklich etwas aussagekräftiges herauszuholen.
Hip-Hop ist doof.
Also ich arbeite grundsätzlich mit Musik. Dadurch kann man sich gut von außen abschotten und sich auf das Projekt konzentrieren. Doch je stärker die Konzentration ist desto weniger nimmt man die Musik wahr :)
Na Frank, das hat ja super geklappt. Ich geh davon aus, dass du natürlich keine Musik gehört hast, während du diesen anspruchsvollen Satz kreiert hast?
Für mich ist Musik am Arbeitsplatz absolut nötig um die Kommunikation der Kollegen zum Teil auszublenden und mich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Ich denke gerade in Projektbüros ist das wichtig um bei der „eigenen Sache“ zu bleiben.
Mal stört Musik, mal nicht. Mal muss es die Musik sein, dann wieder die und dann auch mal keine. Statt irgendwelche Regeln, Rechtfertigungen und Pauschalaussagen zu suchen, kann man auch einfach mal auf sein Gefühl hören. Schwierig wird es nur, wenn die Musik für alle hörbar ist, wie Radio im Büro. Da müssen alle einer Meinung sein und ähnlichen Geschmack haben. Und auch dass wird nicht jeden Tag gleich sein. Schlimm ist es, wenn man sich unterordnet und einem gar nicht bewusst ist, wie einen die Musik oder das Gelaber nervt.
Im Übrigen hat Musik bei der Arbeit lange Tradition, man denkenden Arbeiterlieder, wo noch gruppendynamische Aspekte hinzu kommen.