Warum muss jetzt jedes Einzelgespräch als Videokonferenz stattfinden?

Zoom-Meeting. (Foto: zoom.us)
Wenn uns das aktuelle Jahr eines vermehrt gebracht hat, dann sind es Videokonferenzen. Egal, ob per Zoom oder Teams, via Jitsi oder Google Meet: Wohl alle treffen sich immer häufiger vor der Kamera (und winken gar nicht so unvernünftig zum Abschied). Macht es bei manchen Terminen im Team ja noch Sinn, ein zusätzliches Videobild der Sprechers zu sehen, ist es gerade bei einem One-on-One-Call nicht immer nötig. Doch gefühlt werden jetzt trotzdem auch immer mehr Einzelgespräche zum Zoom-Call hochstilisiert – anders als früher, als man einfach mal zum Hörer griff.
Das dürfte einerseits damit zu tun haben, dass wir gerade in der Pandemie gelernt haben, dass man ein solches Meeting ansetzt, wenn man jemanden sprechen will. Und vielleicht soll diese Praktik auch die verringerten Kontakte im Homeoffice ausgleichen. Gefühlt sind es nämlich gerade die Kollegen, die zu der geselligen Sorte im Team gehören und offenbar mehr als andere darunter leiden, dass man sich im Kollegenkreis kaum noch sieht, die zum Videocall greifen.
Und es hat durchaus auch sein Gutes, eine Videoebene zur Verfügung zu haben, etwa wenn man gemeinsam auf diese Weise auf ein Computerdokument schauen will oder einer dem anderen Arbeitsergebnisse oder -zwischenstände präsentiert. Auf diese Weise sitzt jeder vor dem PC und man kann in einem weiteren Fenster Notizen machen.
Videokonferenzen lenken manchmal einfach ab
Doch es gibt auch Argumente dafür, ganz auf die Bildebene zu verzichten und stattdessen altmodisch zum Hörer (oder eher zum ganzen Mobilteil oder Smartphone) zu greifen. Denn zum einen lenkt es ab, sich im Gespräch immer mal wieder rückzuversichern, dass man auch ja korrekt vor der Kamera sitzt, gut und telegen im Bild zu sehen ist, das Licht stimmt und man auch sonst keine Peinlichkeiten von sich zeigt. Und es bringt dem Gegenüber je nach Situation auch gar nichts, jemanden zu sehen – dazu haben wir das Telefonieren jahrzehntelang erlernt und die entsprechende Erwartungshaltung entwickelt. Im Gegenteil: Kann man im Telefonat möglicherweise noch den genervten Gesichtsausdruck gegenüber dem Kollegen oder Kunden verheimlichen, wird das beim Videocall schwieriger.
Und irgendwie ist es auch ein wenig übergriffig, ins möglicherweise nicht aufgeräumte Homeoffice schauen zu wollen (oder umgekehrt selbiges präsentiert zu bekommen). War das in den ersten Wochen noch der Improvisation geschuldet, wirkt es zwischenzeitlich eher störend. Das ist wohl auch der Grund, warum immer mehr Anwender sich vor virtuellen Zoom-Hintergründen präsentieren (und damit freilich auch etwas aussagen – im Sinne von Paul Watzlawicks „man kann nicht nicht kommunizieren“).
Eines hat der Videokonferenz-Hype allerdings gebracht – und das möchten viele nicht mehr missen: Man verabredet sich bewusster zu einem Call und reißt sein Gegenüber damit nicht mehr aus der Arbeit (oder ist umgekehrt auch selbst nicht derjenige, der in seinem Gedankenfluss gestört wird). Gerade bei Kreativprozessen ist nämlich erwiesen, dass wir durchschnittlich erst nach mehr als 20 Minuten wieder in unseren Gedanken finden, wenn wir einmal unterbrochen werden.
Doch verabreden kann man sich eben auch, ohne dass man das Ganze als Videocall ansetzt. Das ist dann der ideale Kompromiss, wenn man etwas zu besprechen hat. Oftmals – das merkt man meist erst nach einer Videokonferenz – wäre aber auch das, was man da besprochen hat, viel einfacher über eine Mail zu klären gewesen.
„Das vergangene Jahr hat uns alle zu Experten in Sachen Videokonferenzen gemacht.“ Gewagte These: Ich sehe meist – auch im Fernsehen bei Interviews per Home-Office-Schalte – unterirdische technische Voraussetzungen. Belichtung und Ton meist katastrophal. Auch wird häufig nicht auf den Hintergrund geachtet. Die „Experten“ hätten nur eine überschaubare Summe für ein vernünftiges Mikro und ggf. eine bessere Kamera investieren brauchen. Meist genügt es auch nur den Bildschausschnitt und die Beleuchtungssituation zu verändern. Für eine miese Internetverbindung mit ruckeligen Bildern kann er Einzelne vermutlich meist nichts. Manchmal wird völlig unvorbereitet in eine Videokonferenz getapst. Das merkt man, wenn der Teilnehmende nicht weil weiß, wie er ein Mikro aus- oder einschalten kann und wenn das Bild alles zeigt – nur nicht den Teilnehmenden…
Nun, muß man nicht, liegt aber vielleicht daran, daß man sich aufgrund von Corona seltener sieht?
Genausogut könnte man auch fragen, warum man unnötige Anglizismen einsetzen muß wie z.B. Videocall statt Videoanruf oder one on one call statt 1:1 Gespräch.
Ich finde es gerade zu Zeiten von Home Office wichtig, meine Kollegen auch mal „zu sehen“.
Das hebt meiner Meinung nach das Team-Gefühl.
Für ganz schnelle Sachen ist bei uns Slack im Einsatz und wir chatten mal eben fix.
Also wegen jedem Kleinscheiß läuft bei uns auch nicht das Video.