Nachhaltigkeit: Der Onlinehandel wird grün
Warum kaufen die Menschen in den Industrieländern Jahr für Jahr immer mehr online ein, statt den regionalen Einzelhandel aufzusuchen? Die Antwort auf diese Frage dürfte genau so einfach wie häufig genannt sein. Onlineshopping ist bequem, meistens zudem sehr günstig und die ganze bunte (Waren-)Welt liegt nur einen einzigen Mausklick entfernt. Hier können wir dem Konsumbedürfnis hemmungslos frönen und uns nach aller Herzenslust durch die Angebote klicken. Bestellt ist schnell, noch schneller wird geliefert, und bei Nichtgefallen wird – meistens kostenlos für den Verbraucher – alles wieder zurückgeschickt.
Es könnte so schön sein, wenn unsere heile Shoppingwelt nicht so langsam aber sicher üble Risse bekommen würde.
Nachhaltigkeit wird zum individuellen Aspekt
Die großen global-politischen Umwelt-Themen vergangener Jahrzehnte sind heute nahezu vollständig aus den Medien verschwunden. Kaum jemand spricht noch über sauren Regen, das Ozonloch oder die Atomkraft, obwohl diese Themen zweifellos nichts an ihrer Bedeutung verloren haben. Gegenstand der Diskussionen von heute sind vielmehr individuellere Themen. Die Demos der „Fridays For Future“-Anhänger, der kilometerweite Müllstrudel im Pazifik, das Mikroplastik in der Nahrungskette und vieles mehr beschäftigt die heutige junge Generation. Umweltschutz geht uns alle etwas an und ist nicht nur ein Thema der großen Politik, sondern vielmehr eines jeden einzelnen Menschen. Diese Tatsache ist im Jahre 2020 in der breiten Masse der Menschen angekommen.
Und diese zugegeben unbequeme Tatsache macht auch vor unseren Shopping-Gewohnheiten nicht mehr halt.
Das Bröckeln unserer bisher heilen (Onlineshopping-)Welt
So geraten auch die negativen Aspekte unserer schönen Onlineshopping-Welt, wie der entstehende Verpackungsmüll und die Herstellungsbedingungen der bestellten Waren immer mehr in den Fokus der Verbraucher. Auch Transportwege und das damit ausgestoßene CO2 und andere Umweltfaktoren werden ins Bewusstsein der Kunden gerückt und gleichzeitig zunehmend kritisch hinterfragt. Extrem negativ fällt hier auch die enorme Rücksendelust der Kunden auf, die mit jedem Jahr immer noch enormere Ausmaße annimmt. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom aus dem Dezember 2018 bestellt jeder zweite Onlinekäufer gelegentlich Waren im Internet mit der festen Absicht, diese wieder zurück zu schicken. 14 Prozent der Umfrageteilnehmer lassen sogar mehr als 25 Prozent aller online bestellten Waren wieder retournieren. Dabei werden bei Weitem nicht alle der zurückgeschickten Waren erneut verkauft. Im Gegenteil. Tonnenweise fabrikneue Retouren landen Jahr für Jahr direkt auf dem Müll, weil der Wiederverkauf den Händler zu teuer kommt.
Auch online legen Kunden vermehrt Wert auf „grün“
Die Kunden von heute wollen bei Ihrem Einkauf einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Dies gilt nicht nur in der Fußgängerzone und im Restaurant, sondern zunehmend auch für den Besuch im Onlineshop. Laut einer Yougov-Umfrage im Auftrag von Trustedshops legen mittlerweile immerhin rund 60 Prozent der Deutschen großen Wert auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei ihrem Online-Einkauf. Nur 29 Prozent der Befragten antworteten, sie wären beim Onlineshopping nicht an Nachhaltigkeit interessiert. Beim Thema Versand sprechen die Zahlen eine ähnlich deutliche Sprache. Hier würden rund 86 Prozent der Befragten eine ökologischere Liefermethode bevorzugen, wenn der Preis derselbe bliebe, jeder Fünfte wäre dafür sogar bereit, tiefer in die Tasche zu greifen.
Ein entsprechend grünes Image kann also durchaus zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil eines Onlinehändlers werden. Zu dieser Erkenntnis kommen zunehmend auch die Shopbetreiber, allen voran natürlich die zwei Platzhirsche Amazon und Zalando.
Die 2 Branchenriesen springen bereits auf den Öko-Boom auf
Es fällt auf, dass die beiden Branchenriesen neuerdings vermehrt zum Thema Nachhaltigkeit Stellung beziehen und neue Konzepte testen. Amazon plant beispielsweise, bis zum Jahr 2030 rund 50 Prozent aller Pakete klimaneutral zu verschicken. Als Mittel der Wahl setzt man hauptsächlich auf Elektro-Lieferfahrzeuge, recycelbare Verpackungsmaterialien und erneuerbare Energien. Zalando hingegen baut aktuell testweise eine Option in seinen Onlineshop mit ein, mit der der Kunde durch eine kleine Zusatzgebühr die durch seine Bestellung frei werdenden CO2-Emissionen kompensieren kann.
Viele kleine Webshops tun es den Großen gleich
Die Bestrebungen von Amazon, Zalando und Co. sind zweifellos nur der Anfang und die Spitze des Eisbergs. Geht man mit offenen Augen durch die heutige Online-Landschaft, so spürt man durchaus auch bei kleineren Onlineshops eine gewisse Bewegung in der Branche. Neue Konzepte, die den Warenversand nachhaltiger machen, sind auf dem Vormarsch. Der konventionelle Onlinehandel wird zunehmend hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt, das Bedürfnis nach Alternativen unter den Verbrauchern ist so groß wie nie zuvor.
Immer mehr – auch kleinere – Webshops setzen auf den neuen Trend zur Nachhaltigkeit und arbeiten daran, sich einen grünen Anstrich zu geben. Die Ansätze hierzu sind dabei so vielfältig wie die beteiligten Webshops. Beim Thema Verpackungsmaterialien reichen die Ideen von ökologisch unbedenklichen Verpackungs- und Füllmaterialien über die Verwendung von plastikfreiem Klebeband bis hin zur Reduzierung der Kartongrößen und der Zusammenfassung mehrerer Bestellungen in eine Lieferung. Eine strenge Optimierung des eigenen Produktsortiments hinsichtlich Nachhaltigkeit, Regionalität und Verarbeitung ist ein ebenfalls interessanter Ansatzpunkt.
Verbraucher und Politik sind gleichermaßen gefordert
Doch was bringen CO2-reduzierter Versand, umweltfreundliche Verpackungsmaterialien und Co., wenn die Rücksendelust der Kunden solch immense Ausmaße beibehält und tonnenweise fabrikneue Retouren vernichtet werden, weil die Entsorgung die billigste Alternative ist?
Soll der E-Commerce dauerhaft grüner werden, und sich dies auch für alle Beteiligten rechnen, dann ist – wie so oft – jeder gefragt. Die Shopbetreiber, die Verbraucher, aber auch die Politik. Sie muss durch geänderte Gesetze dafür Sorge tragen, dass beispielsweise die Vernichtung von fabrikneuer Ware schlichtweg verboten wird. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre auch die Abschaffung der kostenfreien Retourensendungen, die in ihrer puren Anzahl vor allem im Bereich Mode und Elektro mittlerweile alle Grenzen des nachvollziehbaren überschreiten.
Nachhaltigkeit beginnt im Kopf – auch online
Nicht zuletzt ist aber auch jeder Einzelne von uns gefordert, sein persönliches Denkmuster zu hinterfragen. Die mittlerweile antrainierte Mentalität „bestellen – ausprobieren – die Hälfte wieder kostenlos zurücksenden“ muss dringend wieder aus unseren Köpfen verschwinden.