Die Navigation ist tot, lange lebe Search-Centric-Design?

(Foto: Shutterstock)
„Immer produktiver werden“ lautet das Motto unserer Zeit. Kein Wunder, dass wir weder im Job noch im Alltag wertvolle Stunden fürs Suchen aufwenden wollen. Ob nicht auffindbare Mails im Postfach, umgeräumte Produkte im Supermarkt oder der Schlüssel in der Tasche – wer sucht, verliert Zeit. Im Internet hingegen sind wir gewohnt, alles sofort zu finden, überall, zu jeder Zeit und trotz kreativer Grammatik. Das ist effizient und freut den User.

Navigation oder Search-Centric-Design – das ist hier die Frage. (Foto/Grafik: Pixabay)
Darum setzen auch Unternehmen auf ihren Websites auf strukturierte Inhalte, die sich schnell finden lassen. Das geschah in der Vergangenheit primär über die Navigation, also strukturierte Menüpunkte. Doch dieser Ansatz hat ausgedient. Glaubt man zumindest den Verfechtern des Search-Centric-Design (SCD): Hier rückt die Suchfunktion ins Zentrum, sowohl in der Konzeption als auch in der gestalterischen Umsetzung. Ein Beispiel dafür ist Amazon. Noch vor den aktuellen Angeboten, auf Höhe des Firmenlogos, lädt die Eingabemaske zum Stöbern ein. Doch für welche Szenarien lohnt sich dieser Ansatz, was muss die Suche bieten und ist die Navigation wirklich tot?
Vorteile des Search-Centric-Webdesign
Viele Skeptiker sind sich einig: Navigation funktioniert nicht mehr. Denn das Nutzungsverhalten im Web hat sich durch Google und Co. verändert. Web-Präsenzen werden immer komplexer und beinhalten eine Vielzahl unterschiedlicher Dateien und Unterseiten. Hier stößt die Navigation schnell an ihre Grenzen. Aus dem Grund setzen vor allem Unternehmen mit einem sehr großen Portfolio auf ein Search-Centric-Webdesign. Zudem bietet es drei weitere Vorteile:
- Eine höhere Conversion-Rate: Nutzer kommen schneller und effektiver an ihre Suchergebnisse. Das erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit.
- Ein reduziertes Web-Design: Die Konzentration auf die wesentlichen Elemente einer Website dient der Orientierung.
- Eine höhere Kundenzufriedenheit: Wer findet, was er sucht, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder. Das stärkt die Kundenbindung.
Besonders relevant wird der Trend in Kombination mit anderen Ansätzen: Mit der Suggest-Funktion zum Beispiel erhalten Nutzer nach den ersten eingegebenen Buchstaben zahlreiche Vorschläge. Mehr noch: Die Anzeige ist sortiert nach Seiten, Personen, Orten und Gruppen. Vorreiter sind hier vor allem Twitter und Facebook. Damit die Angebote auch individuell passen, braucht es Predictive Search, also intelligente Suchwerkzeuge wie virtuelle Assistenten. Sie liefern proaktiv personalisierte Informationen, ohne dass wir danach suchen müssen.
Heutige Anforderungen an eine Onsite-Suche
Wer jeden Tag mit Suchmaschinen arbeitet, ist es gewohnt, zügig die relevanten Informationen zu bekommen. Kein Wunder, dass Nutzer auch auf anderen Websites diesen Anspruch stellen. Das gilt nicht nur im privaten, sondern auch im geschäftlichen Umfeld. Ein Beispiel dafür ist das Intranet, das für viele Firmen der zentrale Wissensspeicher ist. Was nützen aber alle Daten, wenn man sie nicht findet?
Die Anforderungen an die Suchfunktion sind daher hoch. Doch was genau müssen sie bieten? Das hängt vor allem von der Zielsetzung ab. Unternehmen aller Branchen müssen genau planen, eine Strategie entwickeln und die passende Software einsetzen. Nur so kreieren sie für sich und ihre Kunden einen Mehrwert. Dabei sollten die folgenden Aspekte beim Search-Centric-Design eine zentrale Rolle spielen:
Schlagwortsuche: Die Suche nach bestimmten Produkten oder Begriffen sollte idealerweise auf Basis eines internen Rankings geschehen. Bietet ein Unternehmen zum Beispiel Smartphones an, ist bei der Eingabe des Produktnamens zuerst das neueste Gerät und dann das passende Zubehör aufzulisten.
Volltextsuche: Neben der Suche im Schlagwortverzeichnis sollte der gewünschte Inhalt auch über die Volltextsuche ermittelt werden. Dabei wird der Begriff mit den vorhandenen Fließtexten (beispielswiese Produktbeschreibungen) abgeglichen. Im Business-Kontext hilft das beim Finden von Dateien. Beispielsweise abgelegte Excel-Tabellen im Intranet, deren Bezeichnung man vergessen hat.
Orientierung: Abgesehen von den Sucharten hat die Positionierung der Suche auf der Website eine große Bedeutung. Sie sollte leicht erkennbar und zentral angeordnet sein. Oft geht sie aber am rechten Rand unter. Nur wenn sie als zentraler Zugriffspunkt erkennbar ist, werden Nutzer auch animiert, die Funktion anzuwenden.
Filter: Besonders bei Reiseanbietern ist die Filterfunktion nach oder vor der eigentlichen Suche Standard. Damit lassen sich nicht nur die Ergebnisse konzentrieren, sondern gleichzeitig auch personalisieren (Wellness, Sport, Strand und vieles mehr). Hier sollten alle Branchen von der Tourismus-Industrie lernen.
Auch wenn es logisch erscheint, jede Seite im Search-Centric-Design umzusetzen, sollten Unternehmen vorher ihre Portfoliogröße und den Kundennutzen prüfen. Vor allem bei erklärungsbedürftigen Produkten oder Dienstleistungen ist Vorsicht geboten. Hier sollte die Navigation nicht völlig verdrängt werden. Denn Nutzer brauchen in diesem Kontext sowohl eine selbsterklärende Navigation mit schlüssiger Menüstruktur als auch eine komfortable Seitensuche. Das würde auch auf die unterschiedlichen Phasen der Customer-Journey des Kunden einzahlen: Vielleicht wissen einige noch nicht, was sie genau suchen und wollen eher Inspiration oder einen Überblick über das Angebot.
Darum plädieren viele Experten dafür beide Aspekte gleichberichtigt ineinandergreifen zulassen. Gerade, um jeden Nutzer am richtigen Punkt seiner digitalen Reise abzuholen. Für Unternehmen mit einer überschaubaren Palette an Produkten und Dienstleistungen ist sogar nur die Navigation zu empfehlen, da bei der Suche wahrscheinlich nicht viele passende Ergebnisse kommen. Zusammenfassend ist die Navigation also nicht tot, sie ist für viele immer noch zentral, für andere eine wichtige Ergänzung zum Search-Centric-Design.
Selten so einen Stuss gelesen.
Wenn die Nutzer bei Google eine Suche eingeben, haben Sie keine Lust auf der Suchtrefferseite als erstes die nächste Suche durchzuführen.
Die Gesuchten Informationen müssen hier sofort sichtbar sein.
Der Artikel springt zwischen verschiedenen Aspekten hin und her, hier wäre entweder ein klarer Fokus oder eine substanzielle Aufteilung sinnig gewesen. Alle Aspekte treffen irgendwie zu, aber eben nicht immer und überall, sondern in jeweils unterschiedlichen Szenarien. In der E-Commerce-Welt ist die Suchzentrierung längst nicht für jeden Shop das richtige, auch wenn in den meisten Fällen dort die Conversion via Suche höher ist. Solange ein Händler aber beispielsweise zwei Drittel seines Umsatzes über die schlechter konvergierende Navigation macht, ist das ein gewichtiges Argument.
Es fristen auch schon lange nicht mehr die meisten Suchen ein trauriges, weil übersehenes Dasein irgendwo am rechten Rand, denn das beispiel Google bzw. Amazon wirkt auf fast alle.
Filter sind auch jenseits der Reiseanbieter so ziemlich das wichtigste, um aus großen Ergebnismengen schnell das richtige rauszufiltern. Das ist inzwischen auch Standard, allerdings greift da beispielsweise der Verweis auf Amazon zu kurz, weil deren Filter tendenziell eher mäßig sind. Wer sich für Amazons Suchqualität interessiert, findet jenseits des spezifischen Algorithmus einen wesentlichen Hinweis in der Strukturvorgabe für Produktbezeichnungen und deren Länge.
All das kommt leider zu kurz. Es wäre sinnig von t3n so ein Thema anders beleuchten zu lassen als mit einem Gemischtwarenartikel. Denkbar wäre bspw. eine Pro-und-Contra-Seite, auf der sich meinethalben zwei Händler austauschen, warum sie stärker auf Suche bzw. Navigation setzen. Ich kenne Händler mit 10 % Suchanteil über alle Besucher – denen Suchzentrierung anzuempfehlen wäre gefährlich. Das ist aber kein Plädoyer für „Gleichberechtigung“ beider Wege, sonder eher für stetige Beobachtung und Analyse des Besucherverhaltens. Wer aktuell einen hohen Navigationsanteil hat, aber mit der Conversion unzufrieden ist, kann versuchen, die Suche zu stärken. Evtl. hat die mangelnde Conversion aber auch völlig andere Gründe.
Ein wesentlicher Aspekt fehlt völlig: Datenqualität. Ohne die geht es nicht – und da ist es völlig unerheblich, ob man ein Produkt wegen falscher Bezeichnung in den Stammdaten, wegen unzureichender Kategoriezuordnung in der Navigationen, wegen schlechter Filterattribute oder wegen eigener Tippfehler nicht findet. Das wäre mindestens einen Artikel wert, denn dort haben zumindest die Händler noch wirklich großen Bedarf.
Neben der Datenqualität könnte man auch über unzureichende Suchen diskutieren, denn der Anteil der schlechten Ergebnisse, die aus geringer Suchleistung oder schlechter Konfiguration der Suchmaschine resultieren, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Alles in allem stecken hier locker mehrere Artikel drin, die t3n anbieten könnte. Wäre vielleicht mal eine Diskussion in der Redaktion wert.