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Wann du im Job Nein sagen solltest

Im Privatleben kannst du ganz gut Nein sagen, oder? Im Job allerdings will dir das Wort einfach nicht über die Lippen. Warum das so ist und warum du es trotzdem tun solltest.

Von Alexandra Vollmer
5 Min. Lesezeit
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Nein sagen ist wichtig: Wenn das Arbeitspensum die Leistungsfähigkeit übersteigt, sollten Mitarbeiter das gegenüber dem Vorgesetzten anzeigen. (Foto: Prostock-studio / Shutterstock)

Nach einem übervollen Tag noch die neuen Vorhänge anbringen, das Auto in die Waschanlage fahren oder die Hemden von der Reinigung abholen? Mal abgesehen davon, dass wir die Liebste oder den Liebsten nicht gern enttäuschen, kriegen wir es im privaten Bereich ganz gut hin, Nein zu sagen. Im Job hingegen fällt es uns ungeheuer schwer, einen Arbeitsauftrag zu ändern oder sogar ganz abzulehnen. Denn im Gegensatz zum privaten Bereich, in dem wir auf Augenhöhe handeln und über unser Privatleben die alleinige Hoheit haben, agieren wir im Job in der Regel als Untergebene. „Die Entscheidung, was passieren soll und wann, wird im Unternehmen ‚oben‘ getroffen“, so André Corterier, Referatsleiter der EZB. „Als Arbeitnehmer steht es mir nicht zu, solche Anweisungen infrage zu stellen.“ Doch gerade im Job sei es wichtig, Nein zu sagen.

Zu wenig Krankenwagen

Führungskräfte formulieren Arbeitsaufträge, weil sie damit ein bestimmtes Ziel verfolgen. So weit, so klar. Was sie dabei nicht im Detail im Auge haben, auch nicht haben können, ist die zur Verfügung stehende Kapazität. „Als Weisungsempfänger muss ich, bei voller Loyalität dem Weisungsgeber gegenüber, diesen in Kenntnis setzen, wenn ihm Informationen fehlen“, so Corterier. „Beispielsweise, wenn ich oder das Team bereits voll ausgelastet sind.“ Doch genau diese Eskalation finde in Unternehmen kaum statt. „Anstatt einen Kapazitätsengpass anzuzeigen, versucht die Mannschaft mit allen Mitteln, den Auftrag noch irgendwie zu schaffen“, weiß Corterier aus eigener Erfahrung. „Der Chef soll bloß nicht merken, dass es ein Problem gibt.“ Um Engpässe zu vertuschen, würden sogar Kontrollsysteme manipuliert. Man zeige schon mal Aufträge als ‚fertig‘ an, obwohl das Finale noch aussteht. „Wenn dann die Führungskraft durch die Halle geht und alle Tasks grün sind, dann entsteht der Eindruck, dass alles easy ist“, schildert Corterier die Konsequenz. „Und dann geht da sicher noch was.“ Halte man mit Engpässen hinterm Berg, komme oben schlicht nicht an, wieviel auf dem Tisch sei. Mit dramatischen Konsequenzen.

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Corterier erinnert sich an einen Fall aus der medizinischen Notversorgung am Unfallort. „Notfahrzeuge hatten immer wieder gemeldet, dass sie pünktlich am Unfallort seien“, so Corterier. Da ein gewisser Toleranzbereich akzeptiert werde, hat man die sechs Autos des Unternehmens auf fünf reduziert. Das Phänomen wiederholte sich, und das Unternehmen reduzierte die Flotte auf vier. Unter steigendem Druck wurde immer mehr geschummelt. Gab es mit sechs Wagen bereits Engpässe, so verlangten vier Wagen Unmögliches von der Mannschaft. „Die Truppe hat sich durch die Manipulation ins eigene Fleisch geschnitten“, ärgert sich Corterier. „Fälscht das Team die Statistik, gibt es keine Argumente, um eine Etage höher mögliche Kapazitätsprobleme zu lösen.“ Das geht nicht nur zulasten der Qualität, sondern auch der Gesundheit.

Einer muss runter

Doch soweit muss es gar nicht kommen. Um Überforderung und Qualitätsprobleme zu verhindern, müssen Mitarbeiter Engpässe eskalieren und das Zuviel anzeigen. Dabei sollten sich beide Seiten nicht auf eine Diskussion über Tage oder Stunden einlassen. Das verursache unnötige Rechtfertigungen und führe in die falsche Richtung. Vielmehr sollten hier inhaltliche Aspekte und Prioritäten im Vordergrund stehen. Corterier arbeitet in solchen Gesprächen gern mit dem Bild eines Tabletts. „Ist das Tablett voll mit Bällen, lässt sich nicht so ohne weiteres ein zusätzlicher Ball ablegen“, erklärt Corterier. „Ein Ball muss runter.“ Diese Konsequenz ließe sich der Führungskraft schnell verdeutlichen. Corterier empfiehlt, mit einem konkreten Vorschlag ins Rennen zu gehen, aber der Führungskraft die Entscheidung zu überlassen. Formulierungen wie beispielsweise: „Bitte korrigieren Sie mich, wenn Sie das anders sehen“ bauen gekonnt eine Brücke zwischen beiden Seiten. Um das Tablett souverän zu füllen, müsse zunächst im Kopf des Mitarbeiters ankommen, dass er bereits eine ganze Menge gestemmt kriegt. „Hier hilft eine Liste mit Aufträgen und Projekten, die gerade über den eigenen Tisch gehen“, empfiehlt Corterier. „Wenn es gut läuft, dann geht man sogar mit einem Plus aus dem Gespräch.“ Immerhin sehe der Chef mal, was man so wuppt.

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Zu wenig?

Wenn das doch mit dem Neinsagen so gut und richtig ist, warum tun wir uns dann so schwer damit? „Oft steht uns dabei eine falsche Scheu im Weg“, weiß Corterier. Denn in der Aussage „das ist zu viel“ stecke immer auch zwischen den Zeilen: „für diese Arbeitsbelastung schaffe ich zu wenig“. Um damit vernünftig umzugehen, brauche es die Einstellung, dass die Aussage „Arbeitsbelastung übersteigt Leistungsfähigkeit“ eine objektive Tatsache widerspiegelt. Gleichzeitig müsse beiden Seiten klar sein, dass die geforderte Person – die Person, die den Arbeitsauftrag ausüben soll – am besten in der Lage ist, eine mögliche Diskrepanz zwischen Arbeitsbelastung und Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Dem Vorgesetzten zu sagen: „Ich bin voll“ hätte auch nichts damit zu tun, nicht leisten zu wollen. „Nein zu sagen, heißt nicht ‚ich will nicht‘, sondern ‚ich kann nicht‘“, so Corterier. Das müssten sich beide, Mitarbeiter und Vorgesetzte, immer wieder vor Augen führen.

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Bei einem Nein gehe es in der Regel auch nicht darum, einen Arbeitsauftrag grundsätzlich infrage zu stellen, sondern vielmehr darum, dessen Dringlichkeit zu klären. Das sei ein wesentlicher Unterschied. „Strategische Entscheidungen zu hinterfragen, ist für die Führungskraft schwer zu schlucken“, so der Referatsleiter. „Schließlich liegt genau darin ihre Kernaufgabe.“ In puncto Arbeitsbelastung sei ein Nein jedoch legitim. „Hier verliert niemand sein Gesicht“, so Corterier. Schließlich gäbe der Mitarbeiter nur fehlende Informationen nach oben. Führungskräfte hätten es bei der Eskalation von Engpässen wesentlich leichter. „Wenn ich für mein Team spreche, kann ich den Engpass objektivieren“, so Corterier. Hier entstünde gar nicht erst der Eindruck, man wolle sich drücken. Um diesen Eindruck zu vermeiden, sei es auch für Mitarbeiter besonders wichtig, die Situation zu objektivieren. „Jeder Mitarbeiter hat gute Argumente“, ist Corterier überzeugt.

Zutrauen zählt

Auch wenn der Mitarbeiter mit guten Argumenten ins Rennen gehe, bleibe ein Problem: Die Aussage „Arbeitsbelastung übersteigt Leistungsfähigkeit“ böte einen hohen Interpretationsspielraum. „Ob die Aussage bedeutet, dass die Arbeitsbelastung zu hoch oder die Leistungsfähigkeit zu niedrig ist, liegt im Ermessen des Betrachters. Sie ist kaum objektivierbar“, so Corterier. „So haben Führungskräfte einen Riesen-Einfluss darauf, inwieweit Mitarbeiter eigenverantwortlich mit ihren Kapazitäten umgehen und sich trauen, Nein zu sagen.“ Seien Mitarbeiter mit Misstrauen konfrontiert, stünden die Chancen für ein offenes Gespräch schlecht. In einem solchen Rahmen könne man sich Verbündete holen, wie beispielsweise Kollegen, die Gewerkschaft oder den Betriebsrat. Doch perspektivisch habe der Mitarbeiter nicht viel in der Hand. „Ob er sich damit arrangiert oder das Unternehmen verlässt, ist sicher davon abhängig, welche Optionen der aktuelle Arbeitsmarkt bietet“, so Corterier. „Wenn ich als Chef jedoch meinen Leuten a priori vermittele: ‚Glaubt mir, dass ich euch glaube, dass ihr ausreichend leistungsfähig seid‘, dann wird das Team die Lage offen kommunizieren.“ Überreizen solle man das Neinsagen jedoch nicht, rät Corterier. „Einmal im Jahr ist ein ganz guter Richtwert.“

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