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MIT Technology Review Analyse

E-Autos und Solarmodule: Wie dieser Halbleiter die Effizienz steigert

Hocheffiziente Halbleiter auf Basis von Siliziumkarbid spielen eine Schlüsselrolle für die Energie- und Verkehrswende. Weltweit werden die Produktionskapazitäten ausgebaut.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Siliziumkarbid-Wafer bei der Herstellung. (Foto: Infineon Technologies AG)

E-Autos, Züge und Industrieantriebe verbrauchen weniger Strom, Solarmodule und Windräder können mehr einspeisen – dank eines einzigen Stoffes: Siliziumkarbid (SiC). Der Halbleiter entfaltet überall dort sein Potenzial, wo Gleich- und Wechselstrom transformiert werden – zwischen PV-Modulen und dem Stromnetz, zwischen Batterien und Elektromotoren oder zwischen dem Netz und Heimspeichern. Dabei fließen erhebliche Mengen an Strom. Bei jedem Wechsel geht Energie verloren. SiC verringert diese Umwandlungsverluste. Je nach Einsatzgebiet erwarten Experten um bis zu 30 Prozent verringerte Verluste. Das summiert sich schnell auf einige Megawattstunden Einsparung.

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Das Geheimnis von Siliziumkarbid besteht in seiner großen Bandlücke („Wide Bandgap“, siehe Kasten). Dadurch verträgt Siliziumkarbid höhere Spannungen als Silizium. Das erlaubt die Verwendung von dünneren Halbleiterschichten mit kleinerem Widerstand und entsprechend weniger Verlustleistung. Und wegen seiner starren Kristallstruktur hält es zudem höheren Temperaturen stand und leitet die Wärme besser ab. Beides erleichtert die Kühlung. „Wide-Bandgap-Halbleiter sind zusammen mit modernster Leistungselektronik die Schlüsseltechnologien für die Energie- und Verkehrswende“, sagt Stefan Reichert vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 1/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr das Heft bestellen.

Von Tonnen zu Kilogramm

Zudem ermöglicht Siliziumkarbid höhere Schaltfrequenzen. Welche Vorteile das bringt, lässt sich bei Wechselrichtern beobachten. Diese „zerhacken“ den Gleichstrom gewissermaßen in viele kleine Portionen und setzen sie wieder zu Wechselstrom zusammen. Und je höher die Hack-Frequenz, desto kleiner die jeweiligen Stromportionen und desto kleiner die dafür benötigten Bauteile.

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Wog ein 100-Kilowatt-Wechselrichter für eine Photovoltaikanlage im Jahr 2008 noch mehr als eine Tonne, so bringen moderne 125-kW-Einheiten deutlich unter 100 Kilo auf die Waage. Solche Geräte mit einem Wirkungsgrad von 99 Prozent sind bereits seit ein paar Jahren auf dem Markt.

Forschende am ISE haben einen kompakten 250-kW-Wechselrichter entwickelt, der statt ins Niederspannungs- direkt ins Mittelspannungsnetz einspeist. Dafür wäre normalerweise ein großer, separater Trafo nötig. Der Vorteil der Mittelspannung: „Die höhere Spannung führt zu kleineren Strömen und somit zu kleineren Leiterquerschnitten“, sagt Reichert. Die Geräte seien vor allem für innerstädtische Anwendungen geeignet, wo bestehende Anlagen auf engem Raum nachgerüstet werden müssen.

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Auch bei Fahrzeugen können SiC-Umrichter Energie sparen. Tesla gilt mit dem Model 3 als Pionier. „Siliziumkarbid ermöglicht mehr Reichweite, leichtere Akkus, schnelleres Laden“, schwärmt Peter Friedrichs, der sich beim Chiphersteller Infineon seit rund 20 Jahren mit Siliziumkarbid beschäftigt. Jetzt ziehen weitere Hersteller nach. „Für unsere kommende batterieelektrische Kompaktwagen-Generation setzen wir auf ein 800-Volt-Bordnetz und SiC-Leistungselektronik“, sagt ein Sprecher von Mercedes-Benz.

Warum Wide-Bandgap-Halbleiter wichtig sind

In Isolatoren sind die Elektronen fest an die Atome des Kristallgitters gebunden. In metallischen Leitern können sie sich frei bewegen. Halbleiter liegen dazwischen: Mit Energie von außen, etwa in Form von Wärme, Licht oder einer elektrischen Spannung, werden gebundene Elektronen zu freien. Dabei springen sie von einem niedrigen Energieniveau (Valenzband) auf ein höheres (Leitungsband). Bei Silizium ist die Bandlücke mit 1,1 Elektronenvolt (eV) relativ gering.

Das ist für Solarzellen vorteilhaft, weil Licht aus dem sichtbaren Spektrum ausreicht, um Ladungsträger vom Valenz- in das Leitungsband anzuheben. SiC und GaN haben mit 3,2 bis 3,4 eV hingegen eine dreimal so hohe Bandlücke. Für Leistungselektronik ist das von Vorteil, weil Dioden aus diesem Material erst bei einer sehr viel höheren Spannung durchbrechen, also Strom leiten. Auch die maximale Stromdichte, die das Bauteil verträgt, ohne kaputtzugehen, ist wegen der großen Bandlücke größer.

Fabriken rüsten auf

SiC-Chips sind so gefragt, dass die Hersteller bis weit ins nächste Jahr ausgebucht sind und ihre Kapazitäten erweitern. Neben Infineon zählen Bosch, STMicroelectronics und das US-Unternehmen Wolfspeed dazu. Bosch etwa meldet einen jährlichen Marktzuwachs um rund 30 Prozent.

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Im 600 Milliarden Dollar schweren Halbleitermarkt ist SiC mit rund einer Milliarde Dollar Jahresumsatz zwar noch eine Nische, aber eine mit Potenzial: Bis 2027 soll der Markt auf 6,3 Milliarden Dollar wachsen, prognostiziert die Beratungsagentur Yole.

Allerdings ist die Herstellung der SiC-Bauteile hochkomplex. SiC kommt zwar in der Natur als Karborund vor, ist aber zu unrein. Also müssen die Kristalle, genau wie bei Silizium, gezüchtet werden. Während Siliziumkristalle bei etwa 1500 Grad binnen zwei Tagen auf einen Meter Länge wachsen, braucht Siliziumkarbid bei 2400 Grad bis zu zwei Wochen für einen höchstens zehn Zentimeter langen Rohkristall, Puck genannt. Im nächsten Schritt wird dieser Puck mit feinen Diamantseilen in hauchdünne Wafer geschnitten. „Beim Sägen und Schleifen geht rund die Hälfte des Materials verloren“, so Infineon-Ingenieur Friedrichs.

Doch die Lösung ist in Sicht: Infineon arbeitet mit einer Trenntechnologie namens „Cold Split“. Ein Laser erzeugt eine „Defektschicht“, auf die ein Polymer aufgetragen wird. Wird das Ganze abgekühlt, dehnen sich Halbleiter und das damit verbundene Polymer unterschiedlich aus. Das verursacht eine mechanische Spannung, die zur Abspaltung eines Wafers führt. Das Verfahren gibt es schon länger, aber kommerziell attraktiv wurde es erst durch Siliziumkarbid.

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„Bei den Leistungshalbleitern sind die Europäer weltweit führend“, sagt Sven Baumann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Damit das so bleibt, arbeiten 34 Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus sieben europäischen Staaten im Projekt Trusted European SiC Value Chain for a greener Economy an resilienten Lieferketten. Die EU unterstützt das Vorhaben mit 89 Millionen Euro.

Und SiC ist noch nicht der letzte Trumpf der Halbleiterbranche. Forscher arbeiten bereits an einem neuen Wundermaterial: Galliumnitrid (GaN). Es ermöglicht noch höhere Schaltgeschwindigkeiten als SiC. GaN-Wafer lassen sich zudem einfacher und günstiger herstellen. „Das Potenzial von Galliumnitrid ist noch größer als von Siliziumkarbid“, sagt ISE-Forscher Reichert. Für hohe Leistungen sei GaN aber noch im Forschungsstadium.

Dieser Artikel stammt von dem Journalisten Daniel Hautmann.
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