Produktivitätskiller Bürozwang: Wie Fachkräfte vor starren Präsenzregeln flüchten

Die Coronazeit hat in der Arbeitswelt ein Umdenken im Hinblick auf das Homeoffice-Thema mit sich gebracht. Doch wie weit sind die Unternehmen hier wirklich und welche Freiheiten haben Beschäftigte hier inzwischen? Das zu untersuchen war Aufgabe einer Forscher:innengruppe an der Universität Konstanz. Diese hat sich bereits zum fünften Mal mit der Homeoffice-Frage und den Befindlichkeiten der Angestellten befasst.
Deutlich wird dabei, dass auch fünf Jahre nach dem Anfang der Pandemie die meisten Angestellten zumindest die Möglichkeit haben wollen, in Teilen nicht im Büro zu arbeiten, sofern ihr Job dies strukturell möglich macht. Auch bleibt die komplette und bedingungslose Rückkehr zur Präsenzpflicht aus – auch wenn einige Unternehmen ihre Mitarbeitenden ganz oder teilweise in die Büros zurückbeordern. Gerade einmal jede:r Fünfte (19 Prozent) berichtet von verschärfter Präsenzpflicht. Das ist weniger als noch vor einem Jahr (22 Prozent). Auch ist die komplette Rückkehr ins Büro an allen Werktagen nur noch bei acht Prozent der Studienteilnehmer:innen üblich.
Doch bei rund einem Drittel wurde in letzter Zeit eine Verschärfung der Präsenzpflicht umgesetzt (33 Prozent). Dass eine solche Verschärfung ohne die sachliche Notwendigkeit auch nicht sinnvoll ist, zeigen ein paar weitere Zahlen: Demnach fühlen sich Angestellte, die zu häufigerer Anwesenheit im Büro verpflichtet werden, emotional deutlich erschöpfter, ohne dass ein messbarer Produktivitätsgewinn erzielt wird. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Präsenzpflicht oft mehr schadet als nützt“, erklärt Florian Kunze, Leiter der Studie und Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz. Und Kilian Hampel, Senior Research Fellow am Future of Work Lab und Ko-Autor der Studie, ergänzt: „Vor allem in krisenanfälligen Unternehmen wird Büropräsenz offenbar gezielt als Strategie eingesetzt, um Personal zu reduzieren – nach dem Motto: Wer nicht ins Büro will, geht eben.“
Homeoffice als Argument in der Rekrutierung
Dabei wollen die meisten Angestellten einen Mix aus Präsenz im Unternehmen und der Möglichkeit, von zu Hause oder einem anderen Ort aus zu arbeiten. So würden die Beschäftigen im Schnitt an knapp drei Tagen die Woche ihren Arbeitsort flexibel wählen und aus dem Homeoffice arbeiten. Drei von vier Befragten wollen ein hybrides Arbeitsmodell. Dabei können Unternehmen, die Fach- und Führungskräfte für sich gewinnen wollen, mit dem Homeoffice punkten. Denn für 71 Prozent der Befragten ist die Möglichkeit, auch im Homeoffice zu arbeiten, ein zentrales Kriterium bei der Jobsuche. So erklärt Kunze, das mobile Arbeiten sei kein Nice-to-have mehr, sondern eher ein wichtiger Faktor zu mehr Arbeitszufriedenheit. „Unternehmen, die das nicht anbieten, verlieren im Wettbewerb um die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften.“
Ein Umdenken findet dabei offenbar auch auf Seiten der Führungskräfte statt. Denn nur noch 24 Prozent der Befragten befürchten dadurch zusätzliche Abstimmungs- und Kommunikationshindernisse. Das sind halb so viele wie noch im Vorjahr. Und auch der Bedarf an mehr Präsenzpflicht ist unter Führungskräften um acht Prozentpunkte gesunken. Das zeugt von einer Änderung der Führungskultur in Deutschland, wie Kunze erklärt: „Hybride Arbeitsmodelle werden professioneller gestaltet und zunehmend akzeptiert.“
Die Studie entstand im Rahmen einer Onlinebefragung am Lehrstuhl von Florian Kunze (Professor für Organizational Behavior und Leiter des Future of Work Lab Konstanz) am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz. Diese wurde insgesamt zu bislang 18 Befragungszeitpunkten durchgeführt. An der jüngsten Befragungswelle (14.-20.03.2025) nahmen 1.007 Personen teil. Die Umfrage ging aus dem Projekt „Digitalisierung, Automatisierung und die Zukunft der Arbeit in postindustriellen Wohlfahrtsstaaten“ am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz hervor.a