Die neuen Chefs: Wie Manager ihr Team im digitalen Zeitalter zum Erfolg führen
Paulina strahlt. „Hast du einen neuen Freund?“, fragt sie eine Freundin neugierig. „Nee nee, das ist ja voll Klassiker“, mischt sich eine andere in das Zwiegespräch ein. „Wieso muss eine Frau, die glücklich aussieht, einen neuen Mann an ihrer Seite haben? Ist doch voll old school!“ Und doch. Irgendwie stimmt es sogar. Paulina hat einen neuen Chef.
Dass die Kommunikationsfachfrau in ihrem Job unzufrieden war, wussten wir alle. Doch wie schlimm es um sie stand, haben wir erst begriffen als sie vor einiger Zeit kündigte. Einfach so. Ohne was Neues zu haben. Und jetzt hat sie diesen Vorgesetzten, der ihre Augen glänzen lässt. Ihr Ex-Boss, oje, das war ein Kontrollfreak, erzählt sie. „So einer, der uns immer genau vorschrieb, welchen Job wir wann und wie zu erledigen haben. Einer, der einem ständig über die Schulter guckt, immer auf der Suche nach Fehlern.“ Paulina schüttelt sich: „Ich konnte das nicht mehr ertragen!“
Zu viele Chefs aus der Hölle
Paulina ist nicht allein. Der beste Job kann zur Hölle werden, wenn der Vorgesetzte einem das Leben schwermacht. Die Spezies „Chef aus der Hölle“ ist in Deutschland weit verbreitet. Fast jeder fünfte Angestellte hat innerhalb der letzten zwölf Monate darüber nachgedacht zu kündigen. Wegen des direkten Vorgesetzten! Diese Zahl ist nicht gefühlt, sondern ein Ergebnis des Gallup-Engagement-Index 2016, der im März dieses Jahres veröffentlicht worden ist. Laut dieser Studie hatten zwei von drei Arbeitnehmern mindestens einen schlechten Chef. Und das Schlimmste dabei ist: Die merken das noch nicht einmal! 97 Prozent der befragten Führungskräfte halten sich für einen guten Vorgesetzten. Vielleicht, weil sie gar nicht wissen, was ihre Mitarbeiter von ihnen erwarten?
Hat früher ja auch nicht so die ganz große Rolle gespielt. Früher, das war diese wunderbare Zeit als der gottähnliche Boss Arbeitsabläufe bestimmte und im Befehlston Ansagen machte, wer was zu tun hat. Als sich die Macht der Manager noch in Eckbüro-Quadratmetern, PS unter der Haube des Firmenwagens und an der Zahl der Sekretärinnen ablesen ließ. Diese Zeit, in der Kontrolle besser war als Vertrauen und Hierarchie wichtiger als High Performance. Als Lehrlinge noch zum Kopieren, Kaffeekochen und Fegen eingestellt wurden und niemand wirklich wissen wollte, wie es einem Mitarbeiter geht. Geschweige denn, was der denkt.
Damals? Das ist wohl vielfach heute noch so. Laut der besagten Gallup-Umfrage hat innerhalb des vergangenen Jahres nur jeder Zweite mit seinem Chef über seine Leistungen gesprochen. Nur 14 Prozent hatten überhaupt die Chance, sich regelmäßig mit ihren Vorgesetzten auszutauschen. Kein Wunder, wenn sich Menschen ihrem Arbeitgeber nicht verbunden fühlen. Wenn sie sich zurückziehen, Dienst nach Vorschrift machen – oder eben kündigen. Wie wollen Unternehmen, in denen Manager nicht mit Mitarbeitern sprechen, in denen es keinen Zusammenhalt und keine verbindenden Werte gibt, ein Team zum Erfolg führen?
Die Deutungshoheit des Seins
Tja, das ist wohl die Gretchenfrage: Wie führt man in Zeiten des digitalen Wandels ein Team zum Erfolg? Es ist interessant, dass sich alle Innovation-Evangelists, New Worker und Management-Gurus in diesem Punkt einig sind: Wir. Brauchen. Visionen. Und: Wir. Benötigen. Werte.
What? Firmen, die ihre Erfolge über Kapital, Konsumgüter und KPIs definieren, sollen jetzt eine Währung aufrufen, die auf Commitment, Communications und Collaboration einzahlt? Geht’s noch? Natürlich gibt es diese tollen Vorbilder in der schönen, neuen Welt. Wertebasierte Geschäftsmodelle wie bei der GLS Bank, deren Geldanlagepolitik mit selbst gesetzten und von Kunden gelebten ethischen Prinzipien vereinbar sein muss. Doch wie sollen die VWs, Audis und Porsches dieser Welt, die sich bisher mit Salami-Taktiken und Hinterzimmer-Absprachen durchgewurschtelt haben, auf einmal glaubhaft ihre Unternehmenskultur ändern? Wird dieses New Work mit seinen Visionen, Werten und Digital-Leadership-Programmen wirklich erfolgreicher sein als die gute alte Zeit der Deutschland AG? Und: Wird es auch in Deutschland bald nötig sein, einen IT-Manager zu entlassen, weil er das Diversity-Programm des Arbeitsgebers infrage stellt?
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Narratives Vakuum
Bei diesen ökonomisch getriebenen Glaubenskämpfen geht es in Wirklichkeit um die Deutungshoheit des Seins.
Aktuell durchleben wir die Phase der digitalen Revolution. Das Zeitalter der Industrialisierung geht in das Zeitalter der Digitalisierung über. Da kann es mal drunter und drüber gehen. In einer Zeit, in der der Trend zur Hypervernetzung und Plattformkommunikation unübersehbar ist, in der nur derjenige – egal ob Land, Unternehmen oder Mensch – einflussreich ist, der bestens vernetzt ist, versuchen Leader herauszubekommen, wie ihre persönliche Supervernetzung am besten funktioniert. Welche Geschichte sollen wir erzählen? Welches Narrativ kommt gut an in einer von Veränderungsdynamiken gebeutelten Welt, in der gesellschaftliche Gefüge und Wertesysteme durcheinandergeschüttelt werden? Aktuell erleben wir ein narratives Vakuum.
Gerade in der westlichen Welt wissen wir nicht, welche Story viral gehen wird und funktioniert. Welche Geschichte müssen wir erzählen, damit Unternehmen, die ihre digitale Transformation vorantreiben, ihre Führungskräfte und Mitarbeiter zum Umdenken und Mitmachen bewegen können? Die Frage lautet also: Welches ist das perfekte Narrativ? Ist es die Geschichte von den neuen Ufern, die wir mit dem selbstgebauten Boot erreichen wollen? Oder ist es die von der guten alten Zeit? Sind es die Retro-Konzepte wie von einigen Autokonzernen, Trump und der AfD, oder sind es die revolutionären Visionen von Grundeinkommen gekoppelt mit einer werteorientierten Vernetzung, losgelöst von Konsum und Kapital? In diesem großangelegten Kampf der Werte geht es um ein sehr knapp gewordenes Gut: unsere Aufmerksamkeit und unseren Support.
Wenn wir uns also fragen, mit welchem Weltbild wir am ehesten überzeugen können, dann kommen wir zur nächsten Frage: Wie müssen Menschen sein, damit man sie ernst nimmt und ihnen gerne folgt? Und schon sind wir aus meiner Sicht bei dem angekommen, was die Welt bewegt: Menschen mit Leadership-Qualitäten. Denn nur überzeugende Leader werden Follower generieren und einflussreich sein. Online in den sozialen Medien. Und offline im Büro.
Built better Bosses: Googles Projekt Oxygen
Wie muss so ein Leader ein? So eine Lichtgestalt, die Office-Manager und Ordnungshüter gleichermaßen für notwendige Veränderungen begeistern kann? Welche Leadership-Qualitäten haben heutzutage den größten Impact? Erste Ergebnisse lieferte 2015 eine C-Level-Umfrage der Personalberatung Russel Reynolds. Sie fragten, wie ein Manager sein muss, der die digitale Transformation eines Unternehmens vorantreiben will? Die Entscheider antworteten: So ein Digital Leader ist innovativ, disruptiv, entschlossen, sozial kompetent und mutig in der Führung.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Einsichten aus dem Google-Projekt Oxygen, das der Tech-Gigant schon 2009 gestartet hat. Wie das US-Wirtschaftsmagazins Inc. aktuell berichtet, analysierte Google in einer internen Studie zum Thema Build better Bosses über 10.000 Manager-Berichte in Bezug auf ihre Performance und Anerkennung im Team. Dabei ist eine Liste von sechs Anforderungen herausgekommen, die eine Führungskraft im Zeitalter des digitalen Wandels auszeichnen sollte:
- Mindset und Werte: Eine Mentalität zur konsequenten und lebenslangen Weiterentwicklung der eigenen Skills und Fähigkeiten
- Emotionale Intelligenz: Weil Vorgesetzte, die sozial emotional und sozial kompetent sind, verlässlicher arbeiten und effektiver kommunizieren.
- Management-Transition: Um sich vom Mitarbeiter zur Führungskraft (oder von einem Chef aus der Hölle zum modernen Leader zu entwickeln) benötigt man die Bereitschaft, offen zu sein und auch mal Hilfe anzunehmen. Denn wer gemeinsam mit anderen und aus den Erfahrungen anderer lernt, findet als Chef leichter Anerkennung
- Coaching: Manager sind dann effektiv, wenn sie gute Coaches sind. Also Fragen stellen und zuhören. Den eigenen Standpunkt kennen und den des Mitarbeiters anerkennen, sich auf die Kommunikationsstile und bevorzugten Tools des Mitarbeiters einstellen. Offene Fragen stellen, um den eigenen Horizont zu erweitern und zu erfahren, wohin sich das Team entwickeln will.
- Feedback: Die Fähigkeit, professionell Feedback zu geben. Es geht um die Kunst, im richtigen Maß, authentisch und rücksichtsvoll zu sagen, was ist. Und darum, negative Kritik nur maßvoll zu geben, damit das Feedback motiviert und nicht die Leistungsbereitschaft hemmt.
- Entscheidungen treffen: Bei der optimalen Entscheidungsfindung geht es darum, die Bedeutung einer Entscheidung im Vorfeld zu klären, Alternativen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, ihre Folgen zu bedenken und die Mitarbeiter möglichst in den Prozess miteinzubinden.
Um diesen Boss-Typ zu bauen, hat Google ein Lernprogramm für Leader angelegt, dass vor allem jüngere Führungskräfte durcharbeiten müssen. Laut eines Artikels der New York Times von 2011 haben leistungsschwache Google-Manager nach dem Online-Training ihre Leistungsbewertungen bis zu 75 Prozent verbessern können. Und weil Google auch deshalb so effektiv und einflussreich ist, weil es seine Learnings mit der Welt teilt, hat das Tech-Unternehmen sein Leadership-Trainingsprogramm auf der Website Re:Work online gestellt. Wer seine eigene Kompetenz als Leader der digitalen Transformation testen will, findet das Weiterbildungsprogramm hier.
Was lernen wir daraus? Wer Menschen heutzutage zu Veränderungen bewegen will, benötigt Visionen, Werte, People-Skills und einen Plan. Wichtig sind Mindset und Haltung für die persönliche Transformation von Menschen, damit ein Leader im Leben anderer etwas bewirken kann, bestätigt auch Paulinas Begeisterung für ihren neuen Chef: Er lässt sie selbst bestimmen, wie viel Zeit und welche Ressourcen sie für ihre Projekte benötigt, welche Kollegen-Expertise sie hinzuziehen möchte und welche Weiterbildungen oder Konferenzen für sie wichtig sind, um fachlich auf dem Laufenden zu sein.
Also, liebe Chefs aus der Hölle: Transform or die!
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