Neuer Ansatz gegen Krebs: Wie Tumore ausgehungert werden sollen

Die hungrigen Fettzellen zeigten sich auch siegreich gegenüber Brustkrebszellen. (Grafik: Gorodenkoff / Shutterstock.com)
Konkurrenz belebt das Geschäft, zu viel Konkurrenz kann es verderben. Auf die zweite Strategie setzen Forscher:innen um Nadav Ahituv von der University of California San Francisco bei der Bekämpfung von Tumoren. In Laborversuchen mit Mäusen programmierten sie zunächst weiße, energiespeichernde Fettzellen um in ihre kalorienverbrennenden, heißhungrigen beigen „Cousins“. Sobald sie diese um die Geschwulste der Tiere herum implantiert hatten, fraßen die Fettzellen den Tumorzellen so viele Nährstoffe weg, dass die meisten von ihnen verhungerten. Beiges Fett besiegte in Laborexperimenten fünf Krebsarten, was sogar dann funktionierte, wenn die Fettzellen weiter entfernt von den Tumorherden implantiert wurden. Die Ergebnisse wurden Anfang Februar im Fachjournal „Nature Biotechnology“ publiziert.
Krebszellen nehmen, was sie kriegen können
Die Idee, Tumoren ihre Nahrung streitig zu machen, ist naheliegend, aber nicht einfach. Die unersättlichen Wucherungen tun alles dafür, um sich rasant und ungebremst teilen zu können. Sie manipulieren zum Beispiel ihre Umgebung, damit sie sie mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Dafür sondern sie Substanzen ab, damit nahe gelegene Blutgefäße neue Ableger zu ihnen wachsen lassen. Aber auch bei Sauerstoffmangel, der gesunde Zellen am Wachsen hindert, müssen sich Krebszellen nicht sorgen. Sie steigen einfach von der Zuckerverwertung auf die doppelt so kalorienreiche Fettverwertung um, die auch ohne Sauerstoff funktioniert.
Es gibt zwar Medikamente, die das Aussprießen der Blutgefäße oder die Zucker- und Fettverwertung der Krebszellen stören soll. Allerdings haben sie Nebenwirkungen und Patient:innen können resistent gegen sie werden. Parallel dazu haben Studien gezeigt, dass Kälte bei Mäusen Krebs unterdrücken kann. In einem bemerkenswerten Experiment konnte eine Kältebehandlung sogar einem Patienten helfen, der an einem Non-Hodgkin-Lymphom litt. Wissenschaftler:innen schlussfolgerten, dass die Krebszellen verhungerten, weil die Kälte braune Fettzellen aktivierte, die Nährstoffe zur Wärmeerzeugung nutzen, anstatt wie weißes Fett ihre Energie zu speichern.
Die richtigen Fettzellen gegen Krebszellen
Allerdings kann man Krebspatienten mit geschwächter Gesundheit nicht wirklich dauerhaft und lange genug Kälte aussetzen. Deshalb kamen Ahituv und sein Doktorand Hai Nguyen auf die Idee, beiges Fett zu verwenden und es so zu manipulieren, dass es auch ohne Kälte genügend Kalorien verbrennt – um so den Tumoren ihre Nahrung zu entziehen. Warum aber beiges und nicht braunes Fett? Die beiden Arten ähneln sich, sind aber nicht gleich gut verfügbar.
Braune Fettdepots kommen separat von den weißen vor, ihre Menge nimmt allerdings mit zunehmendem Alter ab. Beim weißen Fett ist es oft andersherum, was sie zu einer praktischen Quelle macht. „Wir entfernen bereits routinemäßig Fettzellen durch Fettabsaugung und setzen sie durch plastische Chirurgie wieder ein“, sagt Ahituv. So nutzen plastische Chirurgen etwa Fett aus einem Teil des Körpers, um einen anderen aufzupolstern.
Beige Fettzellen entstehen auch natürlicherweise aus den weißen, dazu müssen diese allerdings erst etwa durch Kälte aktiviert werden. Das lässt Gene wie UCP1 in Aktion springen, die für Hunger sorgen und die anspringende Fettvorrat-Verbrennung von Energie- auf Wärmegewinnung umstellen – ähnlich, wie es auch braunes Fett tut.
Um beige Fettzellen zu erzeugen, die auch bei höheren Temperaturen hungrig sind, drehte Nguyen in weißen Fettzellen die Aktivität von UCP1 mit dem Geneditierwerkzeug CRISPR dauerhaft hoch. Dann ließ er die beigen Fettzellen und verschiedene Krebszellen in zwei – durch eine für Nährstoffe durchlässige Membran getrennten – Fächern einer „Trans-Well“-Petrischale. Das zwang die beiden, sich die Nährstoffe zu teilen.
„Wir dachten, wir hätten etwas vermasselt“
Es wurde aber schnell klar, dass von Teilen keine Rede sein kann. „In unserem allerersten Trans-Well-Experiment überlebten nur sehr wenige Krebszellen. Wir dachten, wir hätten etwas vermasselt“, erinnert sich Ahituv. Das war aber nicht der Fall. Die beigen Maus-Fettzellen behielten immer wieder die Oberhand, sowohl über zwei verschiedene Arten von Brustkrebszellen als auch über Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen- und Prostatakrebszellen.
Vielversprechende Vorabergebnisse erzielten Ahituv und Nguyen bei ersten Tests mit Mausfett-Organoiden. Die implantierten beigen Fettzellklumpen unterdrückten sogar das Wachstum von schwer zu bekämpfenden Bauchspeicheldrüsentumoren bei Mäusen, die genetisch dazu veranlagt waren, Krebs zu entwickeln, und brachten die Geschwulste zum Schrumpfen. Auch bei Versuchen mit menschlichem Probenmaterial, das im Zuge von Mastektomien gesammelt worden war, erwiesen sich die aus weißen Fettzellen erzeugten braunen Fettzellen als siegreich gegenüber Brustkrebszellen, und zwar sowohl in Trans-Well-Experimenten als auch nach dem Implantieren beider Zelltypen in Mäuse.
Fettzellen auf bestimmte Nährstoffe programmieren
Da die Forscher:innen wussten, dass Krebsarten eine bestimmte Ernährung bevorzugen, haben sie das Fett so verändert, dass es nur bestimmte Nährstoffe frisst. Bestimmte Formen von Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Beispiel sind auf den RNA-Baustein Uridin angewiesen, wenn die Zuckernahrung Glukose knapp ist. Deshalb programmierten sie die Fettzellen so, dass sie sich nur von Uridin ernährten, und tatsächlich schlugen sie bei Versuchen mit Bauchspeicheldrüsenkrebszellen diese aus dem Feld. Das deutet dem Team zufolge darauf hin, dass die Fettbehandlung an die Ernährungsgewohnheiten verschiedener Krebsarten angepasst werden könnte.
Die Wissenschaftler:innen sind zuversichtlich, dass der Einsatz der veränderten braunen Fettzellen sicher sein wird. Aus Erfahrungen in der plastischen Chirurgie schließen sie, dass die Fettzellen nicht den Ort verlassen, an dem sie eingepflanzt wurden, und keine Immunreaktionen verursachen würden. Der Ansatz muss nun weiterentwickelt werden, um sich auch in klinischen Tests zu beweisen.