Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
MIT Technology Review Fundstück
Verpasse keine News mehr!

ÖPNV mit Pferd: So starteten die ersten Omnibusse vor 200 Jahren in Berlin

Vor 200 Jahren entstand der öffentliche Nahverkehr in Berlin – und setzte fast ein Jahrhundert lang auf Pferde. Simon Kremser hatte damit am 20. Mai 1825 eine Marktlücke entdeckt.

3 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige
Berliner Pferdeomnibus um 1897. (Foto: ullstein bild / BVG)

Als Bolle jüngst zu Pfingsten nach Pankow reiste, war er höchstwahrscheinlich in einem Kremser unterwegs. Dabei hatte der Kremser um das Jahr 1900, als das Berliner Volkslied vom rauflustigen Bolle entstand, seine besten Jahre längst hinter sich. Und wofür genau der Name stand, wusste ohnehin kaum noch jemand. „Kremserplatz? Kremserstraße? Kremser-Denkmal? Ham wa nich“, frotzelt die Berliner Zeitung.

Anzeige
Anzeige

Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 4/2025 von MIT Technology Review erschienen – in der Rubrik „Jubiläum“. Aufgrund des Stichtages veröffentlichen wir den Text an dieser Stelle frei lesbar. Seit dem 15. Mai könnt ihr hier das neue Heft bestellen.

Dabei war Simon Kremser (1775 – 1851) einst so etwas wie ein Held. Als junger Fuhrunternehmer soll er die preußische Kriegskasse mehrfach vor Napoleons Truppen gerettet haben. Doch in Erinnerung blieb sein Name vor allem deshalb, weil er den Berlinern eine Ausflucht aus der überfüllten Stadt ermöglichte. Sonntagsausflüge waren Anfang des 19. Jahrhunderts nur etwas für Menschen, die sich eine eigene Mietkutsche leisten konnten. Oder die leidensbereit genug waren, sich in eine Sammeldroschke zu quetschen, die erst losfuhr, wenn sie auch wirklich bis zum letzten Winkel besetzt war.

Der Anfang vom ÖPNV: Feste Zeiten, feste Preise, Nummer für Kutscher und Wagen

Kremser erkannte darin eine Marktlücke – und bat die Regierung von Friedrich Wilhelm III. „untertänigst“ um die Erlaubnis, Pferdefuhrwerke für Lustfahrten zwischen dem Brandenburger Tor und Charlottenburg aufstellen zu dürfen. Er bekam die Genehmigung unter folgenden Auflagen: Feste Abfahrtszeiten von festen Punkten zu festen Preisen; durchgehende Fahrt bis zum Ziel; Nummerierung von Kutscher und Wagen – und Benimmregeln für die Kutscher.

Anzeige
Anzeige

Am 20. Mai 1825 ging die Pferdelinie in das damals noch eigenständige Charlottenburg in Betrieb. Damit wurde Kremser zum Erfinder des ÖPNV in Berlin. Im Gegensatz zu den bis dato üblichen „Rippenbrechern“ waren seine Kutschen gefedert und hatten ein Verdeck. Sie boten 10 bis 20 Personen Platz, die sich auf seitlichen Bänken gegenübersaßen. Da die Wagen allen offen standen, zählten sie zu den ersten „Omnibussen“ (Latein: „an alle“) – auch, wenn sich der Begriff erst später etablieren sollte.

Kremser expandierte schnell, verschuldete sich aber ebenso schnell und schied schon zwei Jahre später aus dem Geschäft aus. Doch sein Name war da längst ein Gattungsbegriff für Pferdebusse: „Mit dem Kremser ins Jrüne“ wurde zum geflügelten Wort.

1835 folgten Linien nach Pankow und zu anderen Zielen. Die Wagen waren meist doppelstöckig und wurden von zwei Pferden gezogen. Zu jedem Fuhrwerk gehörten vier bis fünf Gespanne, die im Schnitt täglich je 26,5 Kilometer zurücklegten. Um den Pferden das anstrengende Anfahren zu ersparen, hielten es „rüstige Männer und Knaben für eine Ehrensache, im Fahren auf- und abzusteigen“, wie die Berliner Verkehrsseiten zu berichten wissen.

1865: Pferdeomnibusse bekommen Konkurrenz

Ab 1865 bekamen die Pferdeomnibusse Konkurrenz durch Pferdestraßenbahnen, die kraftsparend über eigene Schienen rollten. Die erste Linie verkehrte, wie schon Kremsers Fuhrwerke 40 Jahre zuvor, zwischen dem Brandenburger Tor und Charlottenburg. 1881 folgte die weltweit erste elektrische Straßenbahn im Vorort Lichterfelde.

Anzeige
Anzeige

Doch Berlin konnte seine Pionierrolle nicht lange halten. In den meisten deutschen Städten wurden die Pferdestraßenbahnen bereits vor dem Ersten Weltkrieg vollständig elektrifiziert, in Hannover sogar schon 1896. Dort kam ein sogenanntes „gemischtes“ (heute würde man sagen: „hybrides“) System zum Einsatz – eine Kombination aus Oberleitungen und Batterien. Die Berliner Behörden sorgten sich allerdings, die Wagen könnten auf den längeren Strecken der Hauptstadt „stecken bleiben und so ein nicht leicht zu beseitigendes Verkehrshindernis bilden“. Und so wurden in Berlin noch Jahrzehnte später Pferde eingespannt. Noch 1923, im letzten vollständigen Betriebsjahr, standen 159 Tiere im Dienst der Allgemeinen Berliner Omnibus AG.

 

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Kommentare

Community-Richtlinien

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Kommentar abgeben

Melde dich an, um Kommentare schreiben und mit anderen Leser:innen und unseren Autor:innen diskutieren zu können.

Anmelden und kommentieren

Du hast noch keinen t3n-Account? Hier registrieren