Kann es wirklich umweltfreundlich und im Sinne der Nachhaltigkeit sein, dass wir uns viele Waren als Pakete ins Haus liefern lassen? Waren, die über viele Hundert Kilometer vom Lager zu den Empfänger:innen transportiert werden? Onlinehandel ist nicht nur bequem, sondern – das haben jetzt Untersuchungen der Universität des Saarlandes erneut bewiesen – auch im Hinblick auf den Umweltschutz eine gute Lösung.
Patrick Klein und Bastian Popp vom Institut für Handel und Internationales Marketing an der Saarbrücker Universität haben die ökologische Nachhaltigkeit von stationärem Einzelhandel und E-Commerce verglichen – zunächst auf der Basis der Literatur und bisheriger Analysen, danach aber auch auf der Basis von Befragungen im Rahmen von vier eigenen Studien.
Ein pauschales Ergebnis kann es nicht geben
Zunächst einmal zeigt sich, dass es wie so oft auf die Umstände des Einkaufsszenarios ankommt. „Faktoren wie Gebäude, Einkaufswege, Bündelung von Bestellungen, Rücksendungen, Verpackung, Transport und Logistik sowie umweltbewusstes Verhalten sind hier ausschlaggebend dafür, welcher Kanal in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit überlegen ist.“ Dennoch urteilen die meisten Studien dahingehend, dass der E-Commerce umweltfreundlicher als Einkäufe in stationären Geschäften sei.
Es reiche aber nicht aus, wie in vielen bisherigen Studien nur auf objektive Kriterien zu schauen. Die beiden Forscher haben daher vier empirische Studien durchgeführt, die Einblicke in die wahrgenommene Umweltverträglichkeit der einzelnen Kanäle vermitteln. „Im Gegensatz zu den Expertenmeinungen nehmen die Verbraucher den elektronischen Handel als weniger nachhaltig wahr als den stationären Einzelhandel“, ist das spannende Ergebnis der Studie.
Klein und Popp ermuntern Onlinehändler:innen und Logistikdienste daher dazu, die potenziellen Umweltvorteile im E-Commerce und im Omnichannel-Handel besser zu promoten. Die Händler:innen vor Ort müssten dagegen weiterhin zusehen, dass sie die Wahrnehmung zu ihren Gunsten aufrechterhalten.
Digitaler Handel und Geschäfte vor Ort ergänzen sich
Einige Einschränkungen gibt es aber dennoch. Die Studien der Forscher beschränken sich auf ein Land und nehmen eine allgemeine Perspektive auf den Non-Food-Einkauf ein, anstatt sich auf spezifische Produktkategorien zu konzentrieren. Sie sind sich darüber bewusst, dass gerade die Logistik in einzelnen Ländern unterschiedlich ausgebildet ist und es durchaus Unterschiede in den einzelnen Warengruppen und Branchen geben wird.
Klar ist aber auch, dass es in einem sich wandelnden Umfeld, angesichts der Verschmelzung der Kanäle, zunehmend schwierig wird, einen „Sieger“ zu küren. Denn mehr denn je recherchieren die Kund:innen nicht mehr nur vor Ort, sondern auch online, sehen sich Produkte im Handel und in Videos an, kaufen dann vielleicht vor Ort für die Lieferung nach Hause. Und ein zentrales Element stellt natürlich auch die Retourenpolitik dar. Wer erst Dutzende Teile (etwa im Bekleidungsbereich) zur Auswahl bestellt, hat in jedem Fall eine Rücksendung implementiert.
Weitere Forschungsvorhaben könnten alle relevanten Akteure wie Verbraucher:innen, Einzelhändler:innen (online und vor Ort) sowie Logistikdienstleister:innen berücksichtigen, um Optimierungsmöglichkeiten in Sachen Nachhaltigkeit zu finden. „Das Bewusstsein für die Vorteile jedes einzelnen Kanals kann eine Omnichannel-Struktur erleichtern, die aufgebaut und genutzt werden kann, um die ökologische Nachhaltigkeit zu verbessern und mit Unterstützung der beteiligten Akteure eine bessere Welt zu gestalten.“