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Interview

Otto-Manager: Wie wollen Sie mit Amazon konkurrieren?

Das Versandhaus Otto will kein Katalog mehr sein, aber auch kein Amazon. t3n hat bei Otto.de-CIO Michael Müller-Wünsch nachgefragt, wie der dritte Weg aussehen soll.

Von Jan Vollmer
4 Min.
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Michael Müller-Wünsch, der CIO von Otto.de, war 15 Jahre in der KI-Forschung. Jetzt baut er KI bei Otto.de ein. (Foto: t3n)

t3n: Hallo Herr Müller-Wünsch, wie läuft denn der Umbau zum Plattform-Geschäft bei Otto?

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Michael Müller-Wünsch: Gut! Wenn man überlegt, dass wir fast sieben Jahrzehnte ein sehr traditionelles Geschäftsmodell hatten. Seit über 20 Jahren bauen wir sehr erfolgreich die Marke Otto.de auf und beobachten seit neun Jahren einen deutlichen Wachstumsschub.

t3n: Und das reicht, um Amazon in Deutschland Konkurrenz zu machen?

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Einfach eine Kopie in Europa zu machen, ist unserer Meinung nach keine Lösung. Unser Unternehmen war von der ersten Minute an sehr serviceorientiert: Zu uns gehört die Hermes-Gruppe, wir haben eine Kundencenter-Organisation mit 1.500 Menschen, die 24/7 erreichbar sind.

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„Wir haben also von der ersten Minute an ein datengetriebenes Geschäftsmodell gehabt, wir haben ja unsere Kunden nie gesehen.“

t3n: Statt direkte Konkurrenz zu sein, will Otto also näher am Kunden sein?

Werner Otto hat vor 70 Jahren das Geschäft gegründet, indem er Schuhe versendet hat. Wir haben also von der ersten Minute an ein datengetriebenes Geschäftsmodell gehabt, wir haben ja unsere Kunden nie gesehen. Wir konnten nicht sagen, das ist einer, der ist 1,80 groß, der hat Kragenweite 42 oder der muss S oder L tragen. Wir konnten unser Angebot nur aufgrund der Kundenreaktion ausgestalten. Und somit liegt es in unserer DNA, den einzelnen Kunden genau zu verstehen – auch in der digitalen Welt.

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t3n: Aber wie genau sieht dabei die Strategie gegenüber Amazon aus?

Wenn du dir ein neues Sofa aussuchst, liefern wir das nicht einfach nur. Stattdessen kannst du dir einen Wunschtermin aussuchen, und ob wir es aufbauen sollen. Wir sind ein Problemlöser für die Konsumenten. Und wenn du da schon ein Sofa stehen hast, dann nehmen wir das auch wieder zurück. Es ist ein Rundum-Sorglos-Paket für den Menschen, das ist ein anderer Anspruch als manche komplett digitale Plattform aus den USA oder Asien hat.

„Als mündiger Europäer willst du, dass dir deine Daten gehören.“

t3n: Wie ist es denn, als CIO mit jemandem zu konkurrieren, der auf komplett andere Mittel zurückgreifen kann und so etwas entwickeln lassen wie Echo oder Alexa?

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Ich werde ganz häufig gefragt: Wie könnt ihr denn die anderen, großen Plattformanbieter in den USA oder China überholen? Dabei geht es uns nicht in erster Linie um das Überholen, wir glauben, dass jeder Player seine Berechtigung hat und wir glauben auch, dass wir mit unserer Service- und Kundenorientierung unsere Berechtigung in Europa haben. Ich komme gerade von einer Veranstaltung hier in Hamburg, bei der das Thema „Datenminimalismus und Datengetriebenheit“ diskutiert wurde. Einer der Speaker erzählte, wie unterschiedlich das Verständnis zum Eigentum der Daten in der Welt ausgeprägt ist. Wir in Europa haben das Verständnis, dass die Daten den Menschen gehören. Deswegen haben wir GDPR, die europäische Datenschutzgrundverordnung, ja eingeführt. Als mündiger Europäer willst du, dass dir deine Daten gehören. In China gehören die Daten im Wesentlichen dem Staat und in den USA sind die Daten in den Händen der Unternehmen.

t3n: Bei Otto gibt es Innovation-Days und Hackathons. Seid ihr dabei auf etwas gestoßen, das euch einen technischen Vorteil verschafft?

Wir haben die App Your Home AR gebaut, mit der man einfach ein Foto von einem Zimmer machen und anschließend das jeweilige Produkt aus unserem Sortiment [Möbel, Anm. d Redaktion] virtuell dort hineinstellen kann, um zu schauen, ob es passt. Außerdem experimentieren wir gerade damit, aus Bilddaten Artikelbeschreibungen zu generieren, die direkt auf otto.de eingesetzt werden können. Wir waren auch einer der ersten, die automatisierte Analysen von Artikelbewertungen gemacht haben: Wir haben also die Textbausteine, die Menschen bei der Bewertung erstellt haben, analysiert und ein Algorithmus clustert diese nach der Fragestellung: Was ist eigentlich die Schlüsselbotschaft der Artikelbewertung? Mit diesen Aggregated Reviews versuchen wir, dem Kunden zu zeigen, wodurch sich ein Artikel auszeichnet: Dass die Waschmaschine sehr leise ist, oder dass sie sehr energiesparend ist, können sie so auf einen Blick sehen.

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„Sind diese Dinge einzigartig, hat die sonst niemand auf der Welt? Nein! Natürlich nicht.“

Wir alle arbeiten mit den gleichen technologischen Konzepten, wir wissen, dass heute Cloud ein interessantes Sourcing-Modell ist, dass es die großen Public-Cloud-Provider Google, Azure und Amazon gibt. Die haben viele dieser Services als ein as-a-Service zur Verfügung und dementsprechend können auch andere Marktbegleiter darauf zugreifen. Die Frage ist, wie ich das in die Customer-Experience oder in die Supplier-Experience einbaue.

t3n: Und wie baut Otto das ein?

Wir waren beispielsweise einer der ersten Drittanbieter von Google in Deutschland bei der Zusammenarbeit mit deren Sprachassistent: Man kann dem digitalen Assistenten zum Start sagen: „Sprich mit Otto.“ Außerdem kann man sich den Deal des Tages anzeigen lassen und fragen „Wann kommt mein Paket?“.

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t3n: Wird bei den Innovation-Days auch mit neuen Geschäftsmodellen experimentiert?

Ja, Otto Now kam vor drei Jahren bei den Inno-Days auf. Die Idee: Konsumprodukte und Gebrauchsartikel mieten. Es gibt diesen Bedarf bei bestimmten Warenkategorien, dass man die Produkte nicht mehr kauft, sondern mietet. Der letzte Hype dort war der E-Roller. Heute ist das eine relativ stabile Entwicklung und ein funktionierendes Geschäftsmodell.

t3n: Wie wichtig ist die Marke Otto für euer digitales Geschäft?

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Die Marke des Absenders spielt eine riesige Rolle. Und der Name Otto steht in Deutschland für Vertrauen, für Fairness und Nachhaltigkeit.

t3n: Das heißt, ihr baut auf die Marke Otto und euren Service?

Ich glaube, die Tradition, die 70 Jahre, die Marke – das ist das Fundament unseres heutigen und zukünftigen Erfolges. Ich bin Informatiker, ich habe 15 Jahre KI-Forschung gemacht. Aber für uns ist Technologie eine dienende Rolle in einem Geschäftsmodell. Für uns spielt der Mensch die wichtigste Rolle: Konsumentinnen und Konsumenten müssen ein perfektes Kundenerlebnis haben, unsere Partner, unsere Lieferanten müssen eine gute Geschäftsbeziehung zu uns erleben. Und die dritte Säule dieses menschenzentrierten Digitalunternehmens sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht somit um Vertrauen.

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t3n: Wenn ich jetzt das Label „deutscher Wohlfühl-E-Commerce“ auf Otto klebe, fändet ihr das gut oder schlecht?

Ich würde das „deutsch“ gerne durch „europäisch“ ersetzen. Aber dass es nicht kompliziert sein darf, mit uns Geschäfte zu machen, das ist unser Anspruch.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch.

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Kommentare (2)

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Philipp

Wäre Otto nicht Gründer und Eigner von Hermes würde ich dort gerne Einkaufen.

Christian M. Grube

Genau das lag mir auch auf der Zunge.
Hermes ist das Ausschlußkriterium per se.

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