Palantir: Bayerisches LKA holt Analysesystem von umstrittener Firma

Analysten des bayerischen Landeskriminalamts sollen künftig Daten mit einem System der deutschen Tochter des umstrittenen US-Datenunternehmens Palantir Daten auswerten. Palantir Technologies GmbH habe den Zuschlag für das „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analysesystem (Vera)“ des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) bekommen, teilte das BLKA am Montag mit. Bayern könnte Vorreiter für andere Bundesländer sein.
Vera soll bereits vorhandene Informationen aus verschiedenen Datenbanken verknüpfen, die der Polizei zur Verfügung stehen. Dazu gehört zum Beispiel das Vorgangsbearbeitungssystem, in dem etwa alle Anzeigen und die dazugehörigen Sachverhalte gespeichert sind, wie BLKA-Projektleiter Jürgen Brandl erklärte. Diese Informationen können mit Auszügen aus Handyauswertungen, von sichergestellten Datenträgern oder dem polizeilichen Schriftverkehr verknüpft werden. Bisher mussten die Analysten das händisch tun. Es sei nicht mehr zeitgemäß, so zu arbeiten, sagte Brandl. Neue Daten werden nicht erhoben, wie das BLKA betonte.
Datenschützer sind dennoch skeptisch: Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri sprach von einem massiven Eingriff in die Grundrechte ganz vieler Menschen. „Das betrifft Millionen“, sagte er. Es würde akten- und vorgangsübergreifend mit „Big Data“ und Datamining-Verfahren geforscht, das erhöhe die Eingriffsintensität erheblich.
Brandl vom BLKA betonte, die Mitarbeiter bekämen mit dem neuen System nicht mehr Einblick in Datenbanken als vorher. „An den Sichtrechten ändert sich nichts“, sagte er. Vera ist für schwere Kriminalität gedacht, das System kommt demnach etwa bei der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität oder etwa sexualisierter Gewalt gegen Kinder, nicht etwa bei leichteren Delikten zum Einsatz.
Andere Bundesländer könnten nachziehen und sich die Software anschaffen: Bayern hat laut BLKA im Rahmen eines Bund-Länder-Vorhabens, das polizeiliche Verfahren vereinheitlichen soll, federführend die Ausschreibung gemacht und einen Rahmenvertrag geschlossen. Polizeien von Bund und Länder könnten ohne zusätzliche Vergabeverfahren einsteigen. „Die neue Software kann nicht nur in Bayern zum Einsatz kommen“, sagte BLKA-Präsident Harald Pickert.
Ein gesondertes Thema sei, ob man dem Unternehmen das Vertrauen schenken wolle, sagte Datenschützer Petri. Der Palantir-Mutterkonzern arbeitete auch schon für US-Geheimdienste und das Pentagon. Die Software, die diverse Arten von Daten miteinander verknüpfen kann, soll unter anderem bei US-Geheimdiensten wie CIA und NSA sowie der Bundespolizei FBI im Einsatz sein oder gewesen sein. Palantir wurde vom umstrittenen Tech-Milliardär Peter Thiel gegründet, der in der US-Politik den Wahlkampf von Ex-Präsident Donald Trump und anderen politisch rechts stehenden Politikern mit großen Summen mitfinanziert hat. In Hessen („Hessendata“) und Nordrhein-Westfalen („DAR“) hat die Polizei schon Erfahrungen mit Palantir-Software gesammelt.
Laut Brandl vom BLKA waren die Geheimdienstaufträge „natürlich ein Thema“ in dem europaweiten Vergabeverfahren. Es hätten sich keine Belege gefunden, wonach mit Palantir-Software Daten aus Europa abgeflossen seien. Man müsse Vergabeverfahren rechtssicher durchführen. Auch unter den Mitbewerbern – davon gab es demnach eine „zweistellige Zahl“ – hätten viele schon mit den „Diensten“ zusammengearbeitet.
Software soll „höchste Sicherheitsanforderungen“ erfüllen
„Vera wird höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen“, betonte das BLKA. Die Daten sind auf Servern im Rechenzentrum der Bayerischen Polizei ohne Verbindung zum Internet. Vor dem Einsatz soll der Quellcode auf mögliche Schadsoftware überprüft werden. Laut Brandl sind die Palantir-Mitarbeiter, die das System in den kommenden Monaten aufsetzen sollen, sicherheitsgeprüft. Mit dem System könne frühestens ab Ende des Jahres gearbeitet werden. Über den Preis sei im Vertrag mit Palantir Stillschweigen vereinbart worden.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Horst Arnold, sagte: „Diese Art von Datenverknüpfung ist ein massiver Grundrechtseingriff in die informelle Selbstbestimmung, der dringend einer gesetzlichen Regelung bedarf.“ Man erwarte, dass das Thema zum Beispiel im Innenausschuss auf die Tagesordnung komme. Der Sprecher der Grünen-Fraktion für Digitalisierung, Benjamin Adjei, sagte, es brauche eine saubere Rechtsgrundlage und ganz klar benannte Kontrollmechanismen. Das „fragwürdige Vergabeverfahren“ sei nie wirklich offen und transparent gestaltet gewesen, kritisierte er.
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