Psychologe erklärt: Mit diesen Tricks bringt dich Temu zum Kaufen – und wie du dich schützt
Der Onlineshop Temu ist in den letzten Monaten gewachsen und gewachsen. Weil die Ware direkt vom Hersteller verschickt wird, sind die Preise besonders günstig. Doch der chinesische Onlinehändler nutzt auch andere Tricks für seinen Erfolg.
Besucht man auf die Website von Temu oder öffnet die App, stechen sofort die vielen Banner und Angebote ins Auge: Es wird mit Reduzierungen von teilweise über 80 Prozent geworben. Zusätzlich präsentiert die Seite Blitzangebote, die nur für eine kurze Zeit verfügbar sind.
Temu und die Dark Patterns
Dem Medienpsychologen Johannes Breuer sind solche Methoden bekannt. Verkaufstaktiken wie die von Temu werden als Dark Patterns bezeichnet. Sie sollen Nutzer:innen unter Druck setzen oder falsche Hoffnungen wecken. Teil der Dark Patterns ist auch, dass die Seiten gewisse Auswahl- und Handlungsoptionen nahelegen, die für die Nutzenden attraktiv wirken, ihnen aber eigentlich eher schaden.
Viele kennen diese Muster von Hotel- und Flugbuchungsportalen. Hier wird Handlungsdruck erzeugt, indem Timer ablaufen oder ein Counter anzeigt, wie viele Leute sich gerade das Angebot anschauen. Die Botschaft: Jetzt schnell buchen, sonst ist das gute Angebot bald weg!
Auch bei Temu findet sich so ein Timer – zum Beispiel beim Glücksrad. Hier können Neukund:innen Rabatte erspielen. Suggeriert wird etwas anderes: „Holen Sie sich 100 Euro“ steht in der App. Das klingt so, als könnte man 100 Euro gewinnen, entweder direkt oder als Gutschein.
Die Wahrheit sieht aber anders aus: Es handelt sich um Gutschein-Bündel, die nur separat ab einem gewissen Mindestbestellwert eingelöst werden können. So werden aus einem 100-Euro-Gutschein jeweils 10 Euro Rabatt bei Bestellungen über 20 Euro, dazu kommen 20 Euro Rabatt bei 60-Euro-Bestellungen, 30 Euro Rabatt bei Bestellungen über 100 Euro und 40 Euro Rabatt bei Bestellungen ab einem Einkaufswert über 130 Euro. Das Angebot gilt natürlich nur für einen Tag. Einen echten Gutschein gibt es nicht.
Shopping als Spiel
Immer wieder lockt Temu mit Spielen, die nur für einen kurzen Zeitraum verfügbar sind. In der Temu Fischwelt etwa können Nutzer:innen Gratisprodukte erspielen. Durch Einladungscodes, die Spieler:innen an ihre Freund:innen weiterleiten, gewinnen sie Fischfutter, mit dem sie schneller im Spiel vorankommen. Auf sozialen Netzwerken haben sich zwischenzeitlich ganze Communitys gebildet, die sich gegenseitig im Spiel unterstützen.
Gamification heißt der Fachbegriff, wenn etwas spielerisch vermittelt wird. Auch Lern-Apps wie Duolingo versuchen mit Gamification, Wissen oder Sprachen spielerisch zu vermitteln. Bei Temu sollen solche Spiele aber zum Kauf und dem Preisgeben von Daten animieren.
„Gamification arbeitet mit Verstärkung und Belohnung, insbesondere auch für Tätigkeiten, die von vielen nicht als an sich motivierend oder belohnend wahrgenommen werden. Zudem werden durch Gamification Tätigkeiten zu Wettbewerben, was für viele attraktiv ist“, so Breuer. Im Grunde sei Gamification nicht viel mehr als ein buntes Konditionieren.
Den Erfolg von Temu führt Breuer auf einer Kombination der Maßnahmen zurück. Die Tricks sollen den „Schnäppchenjägertrieb“ wecken. Limitierte und besondere Angebote geben potenziellen Kund:innen das Gefühl, etwas Exklusives erhalten zu haben.
So kannst du dich schützen
Breuer bewertet die Dark-Pattern-Verkaufstaktiken von Temu als ethisch problematisch: „Im Fall von Temu und ähnlichen Anbietern kann es Kund:innen zu unnötigen Käufen verführen und problematisches Shoppingverhalten verstärken oder fördern. Gerade auch für minderjährige beziehungsweise allgemein weniger medienkompetente Personen kann dies eine Gefahr darstellen.“
Die Lösung sieht Breuer in der Entwicklung von Medien- und Digitalkompetenzen. Dafür brauche es Aufklärungsarbeit, auch an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.
Im Beispiel von Temu sei es hilfreich, darauf zu achten, wie viel ein Rabatt wirklich bringt. Dafür können Nutzer:innen beispielsweise die dafür benötigten Ausgaben durchrechnen. Genauso sollten sie lernen, die Dark Patterns zu erkennen. Wer sich beispielsweise beim Onlinekauf unter Druck gesetzt fühlt, sollte die Finger von der Seite lassen.